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Gemeinderat, 56. Sitzung vom 27.06.2024, Wörtliches Protokoll  -  Seite 94 von 113

 

verfassung ist ein wichtiges, demokratiepolitisches Ereignis, das diskutiert werden sollte und bei dem man reflektieren sollte, ob das, was man an Vorschlägen hat, gescheit ist, was für Auswirkungen es hat und wie man das formuliert. Es ist jedenfalls ein so wichtiges Instrument unserer aller Arbeit und der gesamten repräsentativen Demokratie dieser Stadt, dass ich es wirklich enttäuschend finde, dass eine Verfassungsänderung einfach in Form eines Antrags mit dem Titel „Kampf gegen Antisemitismus“ eingebracht wird. Dann liest man sich diesen Antrag und die vorgeschlagenen Änderungen durch und denkt sich: Da geht es um vieles - nur nicht um Antisemitismus. Da kommen Themen wie Altern in Würde, Ehrenamtlichkeit, Förderleistungen bis hin zum Wirtschaftsstandort vor. (Heiterkeit bei GRin Mag. Heidemarie Sequenz.)

 

Jedes dieser Themen ist es wert, darüber zu reden. Es ist vielleicht auch wert, darüber zu reden, ob es eine Art von Stadtzielbestimmung in einer Stadtverfassung braucht oder ob man sich in einer anderen Art und Weise auf bestimmte Ziele einigen könnte. Das ist jedenfalls, was ich mir unter einer sogenannten deliberativen Demokratie vorstelle, also unter einer Demokratie, in der man darüber redet, in der man sich berät, in der man nachdenkt und in der man im besten Fall vielleicht zu einem Konsens und zu einem breit getragenen Ergebnis kommt. Das wäre Demokratie. (Beifall bei den GRÜNEN sowie von GR Thomas Weber und GR Ing. Udo Guggenbichler, MSc.)

 

Stattdessen werden vier Absätze als Verfassungsbestimmungen vorgeschlagen. Einer ist zu Antisemitismus. Jedenfalls finde ich, dass Sie mit dieser Vorgehensweise weder der Demokratie noch dem Kampf gegen Antisemitismus einen Gefallen tun. (GR Mag. Dietbert Kowarik: … Beschlussantrag! - GR Dr. Markus Wölbitsch, MIM: Das wollte ich gerade sagen! Das ist ein Beschlussantrag! Das kann man ja dann noch ausdiskutieren! Das macht ihr ja auch!) Auch da hat man andere Möglichkeiten, all diese Vorschläge einzubringen. Wir haben sogar eine Arbeitsgruppe, in der eine der AntragstellerInnen - soviel ich weiß - Mitglied ist. Ich bin es nicht.

 

Ich finde schade, dass man damit beiden dieser wichtigen Themen keinen guten Dienst getan hat. (Beifall bei den GRÜNEN sowie von GRin Dipl.-Ing. Selma Arapović, GR Thomas Weber, GR Ing. Udo Guggenbichler, MSc und GRin Katharina Weninger, BA.) Daher verstehe ich das Ziel dieses Antrags nicht - schon gar nicht, wenn wie in Abs. 1 auch noch Fehler eingebaut werden: „Wien ist ein demokratischer und sozialer Rechtsstaat.“ - Wien ist eine Stadt, Wien ist ein Bundesland, aber Wien ist kein Rechtsstaat für sich. Vielleicht ist es in einen Rechtsstaat eingebettet.

 

Weil Sie sagen, es ist ja nur ein Resolutionsantrag: Na ja, auch dann sollte er fachlich so weit vorbereitet sein, dass er vielleicht eine Zustimmung haben kann. Wie Sie also herausgehört haben, werden wir diesem Antrag nicht zustimmen. (Beifall bei den GRÜNEN und von GR Ing. Udo Guggenbichler, MSc. - GR Dr. Markus Wölbitsch, MIM: Davon bin ich ausgegangen!)

 

Meine nach mir redende Kollegin wird es schwer haben. Ich versuche jetzt so schnell wie möglich, den zweiten Punkt zu erwähnen, nämlich die Befragung in der Wallensteinstraße. Was mich daran ein bisschen traurig macht - wie soll es ich sagen: 18 Jahre, nachdem andere Bezirke bereits Standards in der Beteiligung gezeigt haben - der 5. Bezirk, der 15. Bezirk -, nachdem es Befragungen und Umfragen gegeben hat, 12 Jahre nachdem das Praxisbuch Partizipation beschlossen worden ist, in dem es genau darum geht und in dem gezeigt wird, wie Standards und Methoden umgesetzt werden, wird eine Umfrage durchgeführt, bei der weder die Befragten noch - wie es scheint - diejenigen, die sie durchgeführt haben, genau wissen, was sie mit den Ergebnissen machen wollen: Wie diese einfließen, wie diese gewichtet werden, wie sie selbst die Kategorien AnwohnerIn, UnternehmerIn oder NutzerIn bewerten, was sie mit den Antworten auf offene Fragen machen und was mit den Post-its passiert, die übrigens neben den Stimmzetteln an einem Plan abgegeben werden konnten.

 

Es gibt also hinten und vorn keine wie immer gearteten Standards. Auch das tut mir leid, weil ich mir denke: So viele Leute - in dem Fall mehr als 900 Personen, vielleicht abzüglich derer, die beim Bezirksparteitag waren - sind extra in die Bezirksvorstehung gegangen, um eine Stimme abzugeben. Ob auch bei einem Bezirksparteitag Stimmen abgesammelt worden sind, ist für mich nicht einmal ein Punkt, den ich besonders kritisiere. Denn wenn man keine Regeln hat, kann man auch keine Regeln verletzen. Also liegt da aus meiner Sicht nicht einmal eine Regelverletzung vor, weil darauf vorher nicht eingegangen worden ist. Was ich aber schon glaube, ist, dass mit solchen … Wie nenne ich es denn freundlich? Ich habe gerade weniger freundliche Adjektive im Kopf, aber ich will ja nicht nur böse sein. Ich will ja in Richtung Standards arbeiten. Es ist schade, dass solche wenig professionellen Umfragen durchgeführt werden, weil Sie dann denjenigen, die mitgemacht haben, das Gefühl geben, dass es wurscht ist, und sie kein einziges Mal wiederkommen werden. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Damit komme ich zu einem Wunsch. Da wir jetzt ein Büro für Mitwirkung haben, das daran arbeitet, die Hürden für Beteiligung abzubauen und die Beratung von Dienststellen bei der Gestaltung von Beteiligungsprozessen durchzuführen, und das sich das Motto „Wir befähigen, wir stärken und wir ermächtigen.“ gegeben hat, glaube ich, es ist dringend nötig, auch die Mandatarinnen und Mandatare, uns eingeschlossen, zu befähigen und zu ermächtigen. Denn wie soll ich sagen? Mein Wunsch ist es, dass wir uns in einem Wien von morgen gemeinsam auf demokratische Standards geeinigt haben und uns daran halten. Wir, das sind die Bevölkerung Wiens, die Verwaltung Wiens und die repräsentative Politik von Wien.

 

Wenn es sich in meinem Wien von morgen mit den Standards nicht mehr ausgeht, dann entwickeln wir diese Standards, falls es notwendig ist, gemeinsam weiter. An so einem demokratischen Wien von morgen möchte ich arbeiten. Ich würde mich freuen, wenn wir das gemeinsam mit Ihnen, nämlich mit Ihnen allen, den 100 Gemeinderä

 

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