Gemeinderat, 56. Sitzung vom 26.06.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 22 von 104
Sehr geehrte Damen und Herren! Nur so kann es gelingen, dass die Kinder voneinander und miteinander lernen können. Das gilt auch für den Hort. Auch dort gibt es eine solche himmelschreiende Ungerechtigkeit. Den Hort besuchen können nämlich nur Kinder, deren Eltern beide arbeiten. Hort, Nachmittagsbetreuung, die Möglichkeit, miteinander Aufgaben zu machen und miteinander eine gemeinsame Sprache zu sprechen, ist doch wirklich für alle Kinder notwendig, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei den GRÜNEN.)
Beim Thema Chancengerechtigkeit und chancengerechte Bildung denken wir hauptsächlich an die Schule an sich, es geht aber auch um den Platz vor der Schule. Sichere Schulwege und sichere Schulvorplätze gehören nämlich genauso zur Chancengerechtigkeit. Wien hinkt diesbezüglich leider unverständlicherweise extrem hinterher. Wenn wir das beispielsweise mit Paris vergleichen. Von den rund 500 Wiener Schulvorplätzen sind derzeit nur ungefähr 150 verkehrsberuhigt. Wir haben uns um 7 Uhr in der Früh vor einige Wiener Schulen gestellt, und ich sage Ihnen ganz ehrlich: Es ist wirklich schwierig für Kinder, hier sicher zu Fuß zu gehen oder mit dem Fahrrad zu fahren. Die Autos brausen durch. Wir brauchen also endlich sichere Schulvorplätze. Wir wollen, dass bis 2030 alle Schulvorplätze in Wien umgestaltet sind, und zwar sicher und auch klimagerecht, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei den GRÜNEN.)
Jetzt noch zu einem dritten Thema, das wir nicht einfach so stehen lassen können und im Hinblick worauf wir nicht einfach sagen können, okay, es reicht uns, eine fade Bilanz zu ziehen. Das darf uns nicht reichen beim Thema psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in der Stadt! Wir kennen alle Studien dazu, und jede Woche gibt es neue Studien, ich nenne jetzt zum Beispiel die Ö3 Kinder- und Jugendlichen Studie, es werden aber gerade auch viele andere Studien veröffentlicht. All diese Studien bestätigen immer wieder genau denselben Befund, nämlich dass es ganz vielen Kindern und Jugendlichen in dieser Stadt nicht gut geht, dass sie psychische Erkrankungen haben und dass sie allein gelassen werden, und das dürfen wir einfach nicht zulassen, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei den GRÜNEN.)
Ein wesentlicher Punkt betrifft junge Mädchen und Frauen. Dazu gibt es eine neue Studie vom PSD, dass betreffend diesen Bereich 9 von 10 jungen Frauen weniger als 29 Jahre alt sind und vor allem aus dem unteren ökonomischen Drittel kommen. Daran können wir wiederum sehr gut ablesen, dass die ökonomischen Verhältnisse und die Frage, ob jemand armutsbetroffen ist oder nicht, auch wesentlich zur psychischen Gesundheit beitragen. 9 von 10 jungen Frauen unter 29 Jahren aus dem unteren ökonomischen Drittel leiden an Erschöpfung und Ängsten und 8 von 10 an unkontrollierten Sorgen. Die Mädchenberatungsstellen schlagen Alarm. Wir brauchen daher entschlossene politische Strategien zur Ausweitung der psychiatrischen Versorgung, einerseits natürlich im stationären Bereich, andererseits aber auch im niedergelassenen Bereich. Wir brauchen ganz einfach mehr Angebote an Psychotherapie und an psychischer Unterstützung für Kinder und Jugendliche. Wir brauchen aber auch ganz dringend mehr Angebote im öffentlichen Raum, die niederschwellig ausgerichtet sind.
Um noch einmal den Bogen zu den Schulen zu schlagen: Die Schulen werden auch in diesem Zusammenhang total allein gelassen. Die Volksschule im 16. Bezirk, von der ich vorher erzählt habe, wartet seit sieben Jahren auf eine Schulsozialarbeiterin, hat sie aber nicht bekommen. Wir brauchen mehr Schulpsychologie, und wir brauchen mehr School Nurses. Wir müssen dieses System unbedingt ausbauen. Wir brauchen außerdem auch noch mehr Räume, wo Jugendliche einander sicher begegnen können.
An dieser Stelle möchte ich aber auch etwas sehr Positives sagen: Ich freue mich sehr, dass gestern das 1. Queere Jugendzentrum in Wien eröffnet wurde! (Beifall bei den GRÜNEN und von GR Thomas Weber.) Ich glaube, das ist ein ganz wesentlicher Bereich. Die außerschulische Kinder- und Jugendarbeit muss aber dennoch massiv ausgebaut werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zusammenfassend nenne ich nochmals drei Punkte, die mir wesentlich sind: Wer Wien wirklich liebt, dem genügt es nicht, dass wir sagen, dass uns eine fade Bilanz reicht. Wer Wien wirklich liebt, der sorgt sich um Wien und der sorgt sich um alle Wienerinnen und Wiener, und ich meine tatsächlich alle Wienerinnen und Wiener. Wer Wien wirklich liebt, der verändert den Alltag der WienerInnen zum Besseren, und zwar klimafreundlich und sozial gerecht. Wer Wien wirklich liebt, der setzt sich dafür ein, dass Wien jeden Tag ein bisschen grüner, kinderfreundlicher und sozial gerechter wird.
Ich glaube an dieses Wien. Ich glaube an dieses Wien von morgen, und an dieses Wien von morgen zu glauben, bedeutet vor allem, Mut zu haben, die Herausforderungen für Wien zu erkennen, entsprechend zu handeln und sich nicht immer auf dem rückwärtsgewandten Spruch „Besser als Wien wird’s nimmer!“ auszuruhen. - Vielen Dank. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zu Wort gemeldet ist GR Dr. Wölbitsch. Selbstgewählte Redezeit zehn Minuten. Bitte, Herr Gemeinderat.
GR Dr. Markus Wölbitsch, MIM (ÖVP): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich musste jetzt meine Rede ein bisschen umschreiben, weil sehr viel schon in der Vordebatte erwähnt worden ist. Auf einige Punkte möchte ich aber natürlich sehr gerne eingehen, und ich wurde auch aufgefordert, meine Zwischenrufe hier nochmals zu artikulieren, was ich natürlich sehr gerne tue.
Zunächst zu meinem Vorredner, zum wertgeschätzten Kollegen Ornig: Ich glaube, Sie waren der Einzige, der sich an die Vorgabe gehalten hat! Sie haben gesagt, dass Sie eine reflektierte Rede zum Rechnungsabschluss halten, und das haben Sie dann auch getan. Vielen Dank!
Auch ich glaube - und da können wir uns wahrscheinlich alle an der Nase nehmen -, dass es ganz gut wäre, wenn wir von der jeweils übergeordneten Ebene nicht immer nur sagen, dass das Böse von oben und das Geld von uns kommt. Das beginnt schon bei der Europäischen Union: Bei allem, was schlecht läuft, heißt es immer, dass
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