Gemeinderat, 55. Sitzung vom 18.06.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 49 von 80
sehr schlechte Zahlen haben, was das Deutschlernen und die Arbeitsmarktintegration von geflüchteten Frauen betrifft. Es ist begrüßenswert, dass es Initiativen gibt, diese sehr schwierige Zielgruppe tatsächlich auch in Deutschkurse zu bringen, begleitet von Kinderbetreuungseinrichtungen.
Das ist wohlgemerkt nicht die einzige Initiative, die es gibt - es gibt auch andere „Mama lernt Deutsch“-Kurse, im Amerlinghaus finden zum Beispiel welche statt -, aber meines Erachtens ist es die, die am wenigsten effektiv ist. Man kann natürlich sagen, wir teilen das gemeinsame Ziel, dass Frauen Deutsch lernen müssen, im weitesten Sinne auch, dass Frauen alphabetisiert werden müssen. Man weiß aus sehr gesicherten Studien, dass Alphabetisierung vererbt wird. Das heißt, wenn die Mutter alphabetisiert wird, gibt es eine sehr, sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass es auch die Kinder werden. Alphabetisierung ist also gut, es ist richtig und gut, bei den Frauen anzusetzen. Die Frage ist, wie effektiv diese Maßnahme ist.
Wenn man sich anschaut, dass die Förderung 150.000 EUR beträgt und dass das tatsächlich Messbare, nämlich positive Prüfungsergebnisse, bei 25 Personen liegt, scheint das ein gewisses Missverhältnis zu sein. Es sind 56 Teilnehmerinnen - auch das ist nicht die große Mehrheit der Frauen, die wir erreichen müssen -, die 25 positive Abschlüsse geschafft haben, und dafür geben wir 150.000 EUR aus. Also das Ziel ist gut, bei der Umsetzung oder zumindest bei der Effektivität scheint noch Potenzial zu bestehen, und deshalb werden wir diesen Antrag ablehnen.
Der zweite Punkt, auf den ich eingehen möchte, ist der Antrag der FPÖ. Diese Art Resolutionsantrag hat diesmal sehr, sehr viel Richtiges drinnen, einzig der letzte Punkt, die Alleinvertretungsrechte der IGGÖ, ist durchaus etwas komplexer, als dass man es meines Erachtens einfach so in einem Antrag einmal kurzfristig beschließen könnte. Warum? Kollege Berger hat bereits die Geschichte der Lehrerin Zeliha Cicek angesprochen, die die IGGÖ geklagt hat und jetzt in erster Instanz recht bekommen hat. Gerade vor wenigen Minuten ist im „Standard“ ein Interview mit einer anderen ehemaligen Religionslehrerin, noch dazu war sie auch ehemalige Frauensprecherin, erschienen. Sie hat viele Kritikpunkte, die wir hier schon oft genannt haben und die auch Frau Cicek gesagt hat, noch einmal wiederholt. Ich lege Ihnen allen ans Herz, dieses Interview zu lesen, das ist wirklich, wirklich aufschlussreich.
Was sagt sie? Die IGGÖ hätte eine rigide patriarchal-traditionalistische Linie. Das ist die Ausrichtung. Das kritisiert sie. Sie sagt, dass diese Ausrichtung nicht mit einer modernen Demokratie vereinbar ist. Sie sagt, dass die überwiegende Mehrheit der Muslime die IGGÖ nicht mehr als die legitime Vertretung anerkennt. Sie sagt, dass die IGGÖ die Glaubenslehre offenlegen sollte. Das finden Sie alles in dem Interview. Und sie sagt auch - anschließend an die Diskussion, die wir heute am Vormittag hatten -, wir brauchen Religionsunterricht und Demokratieunterricht. Sie argumentiert eben, dass auch muslimische Schüler erreicht werden müssen, aber nicht mit einer rigiden Form, sondern tatsächlich mit einem offenbar liberaleren Verständnis des Islams.
Das sind alles Dinge, die wir unterschreiben können und die wir unterschreiben müssen. Was wir nicht wollen, ist, dass der muslimische Religionsunterricht von der IGGÖ vorgegeben und sehr rigide ausgelegt wird. Was wir wollen, ist ein Religionsunterricht, der die Punkte, die sich mit der liberalen Demokratie, mit dem Rechtsstaat in Einklang befinden, auch herausstreicht. Das ist ja eigentlich das Ziel, das wir haben wollen.
Deswegen verstehe ich diesen Antrag der FPÖ und ich halte ihn für inhaltlich durchaus richtig. Es ist nur wahnsinnig komplex. Es ist deutlich komplexer, als das
s man es einfach in einem Antrag beschließen könnte, sondern man müsste da wirklich auf Bundesebene in das Islamgesetz hineingehen. Daran hängen noch andere Vorbedingungen, die mit anderen Gesetzen zu tun haben. Das ist also nicht so einfach zu lösen. Deswegen denke ich, in der Sache ist das schon eine schlaue Richtung, die eingeschlagen wurde.
Ich glaube, dass es Aufgabe der IGGÖ ist, diese Kritik ernst zu nehmen. Ich glaube, dass es Aufgabe von uns allen ist, diese Kritik auch wahrzunehmen, zu verstehen, was da innerhalb der muslimischen Community geredet wird, wo offenbar die Diskussionslinien sind, uns zu überlegen, wie man liberale Muslime nach Möglichkeit unterstützen kann. Deswegen können wir dem Antrag der FPÖ diesmal nicht nähertreten, aber die Ausrichtung halte ich für durchaus überlegenswert, bei aller Komplexität, die es dabei gibt. Danke. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Zu Wort gemeldet ist GRin Akcay. Ich erteile es ihr.
GRin Safak Akcay (SPÖ): Danke, Herr Vorsitzender! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Eine Zielgruppe, die es derzeit am Arbeitsmarkt besonders schwer hat, sind die Jugendlichen und die jungen Erwachsenen. Der Verein „lobby.16“ bemüht sich mit seinem Projekt, jungen Flüchtlingen im Alter zwischen 14 und 30 Jahren bei der Suche nach einer passenden Ausbildung oder einer passenden Lehrstelle zu helfen, um ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Bewerbungskompetenzen werden in dem Verein erlernt, Selbsterhaltungsfähigkeiten werden gefördert, Selbstbestimmung wird gefördert, sowie auch die Nachqualifizierungsmöglichkeit für den Einstieg ins Berufsleben.
Auch AFYA - Verein für interkulturelle Gesundheitsförderung leistet einen sehr wichtigen Beitrag für Kinder und Jugendliche, die im Zuge des Familiennachzugs an Wiener Schulen in Orientierungsklassen kommen. AFYA fördert vor allem psychische Gesundheit nach der Flucht. 2024 bietet AFYA fünf verschiedene Programme zur Traumafolgenbewältigung, zu psychischer Gesundheit und auch interkulturelle Elternabende an, wo muttersprachliche TrainerInnen niederschwellig und kultursensibel Zugang zu den Zielgruppen ermöglichen, das heißt, Schule, Familie, den Kontakt herstellen, Wohnungs- und Bildungseinrichtungen. Das zeigt, dass es wichtig ist, dass alle an einem Strang ziehen und unterstützend für das Kindeswohl mitwirken.
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