Gemeinderat, 55. Sitzung vom 18.06.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 39 von 80
Wachstum der Stadt ernst nehmen, dann muss die Zukunft der Stadt natürlich im Bestand liegen, sehr geehrte Damen und Herren.
Was mich so stört, ist, dass ich den Eindruck habe, dass die Stadt in ihren Maßnahmen die Rolle des Bestandes verkennt und diese Chancen der Bestandsweiterentwicklung überhaupt nicht wahrnimmt. Deswegen auch mein Antrag, den ich heute hier einbringen möchte, weil ich es als wichtig empfinde, vor allem auch beim Stadtentwicklungsplan, der in Ausarbeitung ist, dieses Potenzial festzuhalten und zu erkennen.
Beim vorliegenden Flächenwidmungsplan wird zwar großartig analysiert, wie toll die Bestandsstadt ist und welche Dinge sie mitbringt, aber das findet sich in den Maßnahmen und Änderungen des Flächenwidmungsplans einfach nicht wieder. Das sehen wir auch in der Stellungnahme, beispielsweise der Architektenkammer, die das ganz klar angesprochen hat. Es werden zwar die Analysen richtig getroffen, aber es ist keine einzige Maßnahme sichtbar, die dieses Potenzial hervorkitzelt, unterstützt und weiterentwickelt.
Das ist einer der massiven Gründe, warum wir diesen Flächenwidmungsplan heute nicht nur ablehnen, sondern warum wir auch einen Absetzungsantrag zu dieser Postnummer eingebracht haben. Ich glaube, dass das wirklich der falsche Weg ist, wie mit der Bestandsstadt umgegangen wird. Denn das ist vielleicht jetzt ein Plandokument, aber es kann als Blaupause für weitere Flächenwidmungspläne in der Bestandsstadt herhalten, und das sehe ich sehr kritisch.
Was diese Postnummer auch noch mit sich bringt, ist, wie sichtbar die Widersprüchlichkeiten der Ziele einerseits in der Bauordnung werden, aber auch die Widersprüchlichkeit in der Aufgabenstellung der einzelnen Magistratsabteilungen. Ich behaupte, bei diesem Flächenwidmungsplan hat sich die MA 19 ganz stark durchgesetzt mit dem Schutz des Ortsbildes, was ja, bitte nicht falsch verstehen, für uns auch ein relevanter Faktor ist. Aber gleichzeitig ist die Weiterentwicklung, die Neuschaffung von Wohnraum, die Verdichtung der Stadt, um dem Wachstum auch nachkommen zu können, sind diese Ziele widersprüchlich und stehen einander im Weg, und diese Widersprüchlichkeiten müssen aufgelöst werden.
Ich glaube, man kann es schon nicht nur den Architekten, sondern auch der Bau- und Immobilienbranche durchaus zutrauen, dass sie diese beiden Ziele bestmöglich miteinander vereint, anstatt jetzt die Bestandsstadt einzufrieren, keine Weiterentwicklung mehr möglich zu machen, so mit der Bestandsstadt umzugehen. Denn was ist der Effekt daraus? Es wurden einzelne Gebäude großflächig abgezont. Was bedeutet das? Die Bauklassen wurden auf den derzeitigen Bestand reduziert, höher darf man dort jetzt nicht mehr bauen. Es wurde ausgerechnet, dass mit dieser Maßnahme, dieser Abzonung, dieser Verhinderung der Weiterentwicklung mehr als 16.000 m² verloren gehen. Das sind über 200 Wohnungen, die dort nicht geschaffen werden können.
Diese 16.000 m², wo werden wir die künftig unterbringen? Auf der grünen Wiese? Wenn ich mir die Statistik anschaue, dann muss ich sagen, ich fürchte, ja, das ist die Antwort der Stadt Wien, wenn es um die Neuschaffung von Wohnraum geht. Denn nur 2 Prozent der neugeschaffenen Wohneinheiten finden laut AK-Studie 2018 bis 2021 im Bestand statt. 98 Prozent aller geschaffenen Wohneinheiten finden auf der grünen Wiese statt.
Sehr geehrte Damen und Herren! Das kann doch nicht - auch mit Blick auf die derzeitige Diskussion, ohne diese jetzt öffnen zu wollen - die Antwort der Stadt auf das Wachstum und auf die Schaffung von Wohnraum sein! (Beifall bei der ÖVP.)
Ich bitte Sie inständig, im Hinblick auf das heutige Poststück nicht nur in sich zu gehen - so erfahren bin ich nämlich doch, dass ich befürchte, dass unser Absetzungsantrag wider Erwarten nicht durchgehen wird -, sondern sich dieses Thema der Bestandsweiterentwicklung ganz groß auf die Agenda zu heften. So, wie Sie das jetzt hier gelöst haben, kann das bei Weitem nicht der Weg in die Zukunft sein. Wir lehnen das ab, und wir werden auch nicht müde werden, diese Missstände aufzuzeigen.
Vielleicht ergibt sich ja eine andere Möglichkeit, unserem Antrag, der heute schon erwähnt wurde, zuzustimmen. Das würde mich freuen! Die großen verbalen Entgleisungen, die jetzt hier angeschuldet wurden, habe ich noch nicht entdeckt. Vielleicht können wir uns darüber gemeinsam noch verständigen. Ansonsten freue ich mich, wenn Sie diesem Thema der Bestandsweiterentwicklung Ihre Aufmerksamkeit widmen. - Danke. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zu Wort gemeldet ist GR Dipl.-Ing. Al-Rawi, und ich erteile es ihm. Bitte, Herr Gemeinderat.
GR Dipl.-Ing. Omar Al-Rawi (SPÖ): Frau Vorsitzende! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich habe mir jetzt auch die teilweise sachlichen Darstellungen von Frau GRin Olischar angehört. Es geht darum, dass wir uns darüber einigen, dass wir sehr wohl verdichten wollen und natürlich auch im Bestand und nicht nur auf der grünen Wiese neue Wohnungen entstehen.
Noch einmal: Die Kollegin hat erwähnt, dass es sich um 11 beziehungsweise 13 Blöcke am Währinger Gürtel handelt. Wer das Gebiet ungefähr kennt, der weiß: Dieses geht von der Währinger Straße auf der anderen Seite ungefähr bis zum AKH, und dieses Gebiet weist interessanterweise etwas auf, was nur noch sehr selten zu finden ist, so als wäre eine Zeitkapsel darüber gelegt worden. Es weist eine sehr homogene Fassadenlandschaft und auch Dachlandschaft auf. So gesehen, ist das für uns in dieser Form eine Schutzzone, um diesen Bereich zu erhalten. Der Bereich ist zudem auch deswegen bisher verschont geblieben, weil es dort anscheinend keinen wirtschaftlichen Druck gegeben hat.
Diese Gegend wird attraktiviert. Irgendwann einmal fährt ja auch die U5 in diese Richtung. Und da besteht eben die Gefahr, dass es dort dann eine Aufstockungsinitiative gibt, die diesen erhaltenswerten Gründerzeitblock aus dem 19. Jahrhundert betrifft. Was haben wir gemacht? Wir haben gesagt, dass wir entlang der Straße zurückhaltend vorgehen werden, damit dort keine neuen Aufstockungen passieren. Als Ausgleich haben wir aber
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