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Gemeinderat, 55. Sitzung vom 18.06.2024, Wörtliches Protokoll  -  Seite 24 von 80

 

Drei Vorschläge, wie man das in der Stadt machen kann: Der erste wäre Durchmischung, Durchmischung, Durchmischung. Eine sprachliche, aber auch kulturelle oder sozioökonomische Durchmischung ist ja kein Selbstzweck, aber je mehr Schulen man hat, in die noch - sagen wir - 90 Prozent autochthone Schülerinnen und Schüler gehen (GR Dr. Markus Wölbitsch, MIM: Gibt es die?), während in eine andere Schule zu 90 Prozent Schülerinnen und Schüler mit anderer Erstsprache und Herkunft gehen, desto weniger darf man sich wundern, dass gegenseitige Ablehnung, gegenseitige Vorurteile und gegenseitiges Unverständnis immer mehr werden. Daher brauchen wir mehr Durchmischung, Durchmischung in sprachlicher, in kultureller, aber auch in ökonomischer Hinsicht. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Ein zweiter Punkt, der auf jeden Fall wichtig ist, ist natürlich eine aktive Wertevermittlung an den Schulen. Wir glauben nicht, dass das durch ein eigenes Fach lösbar ist, sondern das muss in allen Fächern, die wir an den Schulen unterrichten, passieren: In Biologie wird Wissenschaft als Wert vermittelt, in Geschichte und Politischer Bildung - das Fach gibt es schon - werden demokratische Werte vermittelt, in Geographie werden Werte wie Gleichstellung und gleiche Rechte vermittelt - aktive Wertevermittlung also absolut in den Schulen. Ein eigenes Fach finden wir nicht zielführend. (GR Mag. Manfred Juraczka: Unfassbar! Reiner Kommunismus!)

 

Noch ein dritter Vorschlag, wie man die Integration von vielen Schülerinnen und Schülern vielleicht ermöglich kann: Wir müssen Schülerinnen und Schülern auch das Gefühl geben, ein Teil der Gesellschaft zu sein. Wir müssen ihnen auch die Möglichkeit geben, ein Teil der Gesellschaft zu sein. Das beginnt bei Mitspracherechten in der Schule, das beginnt beim Erlernen von demokratischen Prinzipien in der Schule, geht aber auch so weit, dass wir allen ermöglichen müssen, ein Teil einer demokratischen Gesellschaft zu sein. Ich glaube, dann würden viele antidemokratische Haltungen weniger werden. - Vielen Dank. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau GRin Mag. Hungerländer. Ich erteile es ihr. Bitte, Frau Gemeinderätin.

 

11.05.04

GRin Mag. Caroline Hungerländer (ÖVP)|: Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Es ist eine gute Diskussion. Sie ist auch dem Thema angemessen, denn es ist wahrscheinlich das wichtigste Thema, das wir als Politiker besprechen müssen, nämlich: Wie regeln wir unser Zusammenleben? Da gibt es doch mehrere Möglichkeiten. Wie gestalten wir das Zusammenleben? Wie definieren wir die Regeln, und wie werden diese Regeln exekutiert? Kommen die Regeln aus einer übergeordneten Instanz - das wäre dann der religiöse Zugang -, oder kommen die Regeln wie bei uns in der Demokratie aus einer Mehrheitsfindung, wohlwissend, dass die Mehrheitsfindung ein Ergebnis demografischer Prozesse ist?

 

Geschätzte Damen und Herren, ich denke aber, dass unsere Diskussion gerade nicht wirklich an den Kern des Problems geht. Welches Problem haben wir tatsächlich? Wir haben aktuell das Problem, dass unser System - ein System, das auf einer über 2.000 Jahre alten Kulturgeschichte basiert, ein System, das christliche Wurzeln hat, das durch die Aufklärung gegangen ist, das jüdische Wurzeln hat und das in der Entwicklungsgeschichte ganz viele Revolutionen und ganz viel Blut gesehen hat, bis wir an dem Punkt sind, wo wir heute sind - auf ein ganz anderes System trifft. Ich nenne es auch beim Namen: Es trifft auf die islamische Religion und auf eine mehr oder weniger orientalische Kultur. Das ist die Herausforderung.

 

Warum ist das eine Herausforderung? Weil das eine völlig andere Tradition ist, die Menschen, die Gesellschaft und die Relation zu Gott zu sehen. Es ist eine völlig andere Tradition, Religion und Staat nicht zu trennen. Es ist deutlich kollektivistischer als unser System, das sehr individualistisch ist. Es ist eine Tradition, die die menschliche Würde und die Gleichheit an Rechten nicht in dieser Form kennt, wie wir sie kennen, die wir aus dem Christentum kommen. Das alles muss uns klar sein. Wenn wir heute über die Errungenschaften der Demokratie sprechen, dann sprechen wir darüber auf der Basis dieser über 2.000 Jahre alten Kulturgeschichte. Das kann man nicht einfach wegleugnen, Frau Kollegin Bakos. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Sie können es dann wegleugnen, Kollegin Bakos - das ist vielleicht der wichtigste Satz, den ich Ihnen persönlich mitgeben kann -, wenn Sie nicht verstehen, dass Sie auf dem Boden dieser über 2.000 Jahre alten Tradition laizistisch sind. Die Art des Laizismus, die Art des Verstehens, dass man Religion und Staat trennen muss, ist ein Ergebnis dieser Kulturgeschichte. Sie ist nicht zuletzt auch ein Ergebnis der christlichen Religion, die dabei als einer der Faktoren mitgewirkt hat. Das müssen Sie verstehen. Sie können laizistisch sein, aber Sie sind laizistisch, basierend auf dieser Tradition. Was wir daher behalten müssen und was wir tradieren und weitergeben müssen, sind die Grundlagen dieser über 2.000 Jahre alten Tradition. Sie können nicht an der Spitze des Eisberges ansetzen. Nein, wir müssen den gesamten Berg vermitteln. Das ist unsere Aufgabe. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Ich wage ein Gedankenexperiment. Sie können sagen, es ist radikal und vielleicht nicht eins zu eins vergleichbar, aber ich wage das Gedankenexperiment: Sie migrieren in den Iran. Dort durchlaufen Sie Werteschulungen. Dort durchlaufen Sie Integrationskurse. Dort werden Sie überall unterstützt, vergleichbar mit den Unterstützungsmaßnahmen, die wir haben. Wenn Sie dann aber eine Steinigung sehen, fühlen Sie - ganz ehrlich - im Herzen, dass das richtig ist? Wenn Sie sehen, dass Frauen andere Rechte haben, spüren Sie dann, dass das richtig ist? Mein Vergleich zielt darauf ab, dass man das, was man von frühester Kindheit an vermittelt bekommt - die Tradition, die Religion - nicht einfach so mit einem Fingerschnippen ändern kann.

 

Es ist gut, was Sie an Maßnahmen machen. Ich möchte Ihnen aber nur mitgeben, dass diese oberflächlich sind, solange Sie nicht an das Herz der Menschen gehen. Deswegen brauchen wir, glaube ich, tiefergehende Punkte. Erstens müssen wir verstehen, dass wir es mit dem Islam mit einer anderen Religion und einer völlig anderen Kultur zu tun haben. Da müssen wir auch ansetzen.

 

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