Gemeinderat, 55. Sitzung vom 18.06.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 23 von 80
ist die Fachstelle Demokratie, ein Raum, der ein partizipatives, ein praxisorientiertes Angebot ermöglicht.
All das ist aber zu wenig. Wo wir ansetzen müssen, ist eben bei den Allerjüngsten unserer Gesellschaft. Und wo schaffen wir das am allerbesten, wenn nicht eben in der Schule, mit einem eigenen Schulfach Leben in einer Demokratie?
Sehr geehrte Frau Kollegin Malle, wenn wir ein eigenes Schulfach fordern, dann heißt es nicht, dass wir Lehrern und Lehrerinnen unterstellen, dass das nicht bereits ansatzweise auch vermittelt wird. Das ist sehr löblich und sehr wichtig, und ich weiß, das passiert auch, aber es geht darum, auch wirklich einen entsprechenden Rahmen zu schaffen, der diesen Herausforderungen, denen wir in den Schulen eben begegnen, wirklich auch gerecht wird. Darum geht es.
Die Vorteile eines solchen verpflichtenden Schulfaches für wirklich alle Schüler und Schülerinnen liegen ja auch auf der Hand. Es ist wirklich super, sehr geehrter Herr Kollege Zierfuß, den ich jetzt bei dieser Diskussion nicht mehr im Raum sehe, wenn es Katholikinnen und Katholiken machen, wenn ich darüber spreche, dass man sich konstruktiv austauscht, wenn das Muslime und Musliminnen unter sich machen, wenn es darum geht, sich auszutauschen. Es geht aber doch genau darum, dass man das gemeinsam, dass das alle machen, alle Schülerinnen und Schüler, unabhängig ihres Glaubensbekenntnisses. Es geht eben darum, gemeinsam zu reflektieren, über die Religion des anderen, über Glaubensbekenntnisse des anderen, dass man vielleicht auch andere Perspektiven einnimmt. Es geht doch genau darum, sich über Religionsgrenzen hinweg auszutauschen, Perspektiven auszutauschen, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den NEOS. - GR Dr. Markus Wölbitsch, MIM: Das gilt aber für alle!)
Damit komme ich auch zum Schlusssatz. Nein, es geht nicht darum, den Religionsunterricht abzuschaffen, es geht darum, daneben ein gemeinsames Fundament zu schaffen. (StR Dominik Nepp, MA: Das haben Sie aber anfangs gefordert!) Genau deshalb wäre es so wichtig, daneben ein eigenes Schulfach zu schaffen, um genau darüber zu sprechen, wie jeder und jede seinen Glauben frei leben kann und gleichzeitig aber nicht danach beurteilt wird. Ansonsten werden jene Kräfte, die glauben, das Gebetsbuch vor die Verfassung zu stellen, unsere Gesellschaft nachhaltig negativ prägen und verändern, und das gilt es, gemeinsam zu verhindern. Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr GR Stadler, und ich erteile es ihm. Bitte, Herr Gemeinderat.
GR Felix Stadler, BSc, MA (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Vizebürgermeister!
Bei dem Thema, das wir heute hier diskutieren, ist es ja manchmal leicht oder verlockend, vorne irgendwelche schnellen und polemischen Lösungen anzustellen. Deswegen möchte auch ich mich bedanken, dass das hier heute großteils nicht passiert ist, sondern es eine seriöse Diskussion war, abgesehen von - aber das sind wir leider schon gewohnt - irgendwelchen rechten und rechtsextremen Politiken, die immer auf dem Rücken der Kinder in den Mittelschulen stattfinden. Das lehnen wir natürlich absolut ab, aber ansonsten ist diese Debatte tatsächlich gewinnbringend.
Ich möchte es mir und auch uns nicht leicht machen und die Probleme sowie die Lösungsvorschläge, die wir haben, konkret ansprechen: zum Ersten den Religionsunterricht. Religion - Kollege Baxant hat es gesagt - spielt eine große Rolle und ist für viele Schülerinnen und Schüler sowie für viele Menschen in unserer Gesellschaft wichtig. Daher ist es auch gut und richtig, dass man über Religionen lernt, dass man von Religionen lernt und sich austauscht. Es ist aber wichtig, dass das nicht passiert, indem quasi in den Schulen viel gebetet wird. Das ist Privatsache. (StR Dominik Nepp, MA: Man sollte einmal über die Verfassung …) Was wirklich wichtig ist, ist, dass in der Schule etwas über Religionen und Wertvorstellungen gelernt wird. Dieses Konzept gibt es auch schon. Es nennt sich Ethik für alle. Das ist das, was wir unterstützen. Alle Schülerinnen und Schüler sollen einen Ethikunterricht bekommen. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Was ich auch sehr spannend fand, war die Forderung des Kollegen Zierfuß, dass der Religionsunterricht natürlich staatlich kontrolliert sein muss. Das wäre zumindest ein Mindestmaß an staatlicher Kontrolle. Das würde aber auch bedeuten, dass die Fachaufsichten des Religionsunterrichtes von den Glaubensgemeinschaften wegkommt und zur Bildungsdirektion und zu einer staatlichen Aufsicht hinkommt. Das wäre im katholischen Unterricht so, und das wäre auch für den islamischen Religionsunterricht so. Das würden wir zumindest als einen ersten Schritt einmal absolut unterstützen.
Wir haben große Herausforderungen im Wiener Bildungssystem. Das ist ganz klar. Jeder, der die Statistiken lesen und interpretieren kann, weiß: Eine große Herausforderung ist auf jeden Fall die Bildungsungerechtigkeit. Wenn man in unsere Bundesverfassung hineinschaut, steht dort als Wert: Alle Kinder, alle Schülerinnen und Schüler, sollen die gleiche Bildung erhalten, egal, woher sie kommen. Das schafft unser Bildungssystem in Wien nicht.
Ein zweites großes Problem, das wir auf jeden Fall haben, sind Sprach- und Deutschkenntnisse. Es wurde schon oft angesprochen: Wir haben in den Volksschulen viele Schülerinnen und Schüler, die hier im Kindergarten waren und auch hier geboren sind und nicht genug Deutschkenntnisse haben, um dem Unterricht in der Volksschule folgen zu können. Das ist ein großes Problem. Wir haben natürlich auch große Herausforderungen im Zusammenleben von verschiedenen kulturellen, aber auch religiösen und soziökonomischen Gruppen an den Volksschulen sowie an den Mittelschulen.
Kenan Güngör wurde schon erwähnt. Die Studien von Kenan Güngör beschreiben sehr gut, welche Tendenzen es sehr wohl in manchen Gruppen gibt, LGBTIQ-Rechte, aber auch Frauenrechte oder Gleichstellungsrechte abzulehnen. All diese Ablehnungstendenzen von demokratischen Werten und Gleichstellungswerten müssen natürlich auch bekämpft werden.
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