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Gemeinderat, 55. Sitzung vom 18.06.2024, Wörtliches Protokoll  -  Seite 20 von 80

 

ich muss Ihnen sagen, das finde ich sehr schade. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Kommunikativ muss ich aber gratulieren, denn eines ist Ihnen gelungen: Statt über alle unliebsamen Themen zu sprechen - ein paar davon sind ja schon gefallen -, diskutieren wir jetzt in der Öffentlichkeit, ob es Religionsunterricht braucht oder nicht, und nicht darüber, dass mehr als die Hälfte der Kinder in Wiener Volksschulen zu Hause nicht mehr Deutsch spricht oder ein Drittel zum Schuleintritt nicht einmal mehr Deutsch kann (GR Dipl.-Ing. Omar Al-Rawi: Wer sagt das?), obwohl sie mindestens zu 80 Prozent 2 Jahre im Kindergarten waren und 2 Drittel davon schon hier geboren sind. Das, liebe NEOS, ist eine komplette Themenverfehlung. Nichts anderes ist das. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Ich möchte aber trotzdem inhaltlich ein bisschen auf das Thema eingehen. Zuerst haben die NEOS Religionsunterricht ersetzen wollen, dann hat man ein bissel zurückgerudert. Jetzt heißt es, man will das Ganze durch ein Schulfach Leben in einer Demokratie ergänzend machen. Das passt, finde ich, ganz gut ins Weltbild der NEOS. Man weiß, die NEOS sind bekennende Laizisten, also nicht die großen Fans von Religion in Schulen. Von Ihnen kommen dann Äußerungen wie zuletzt: Unsere Religion heißt Demokratie, während Religion Menschen immer öfters trennt. (VBgm Christoph Wiederkehr, MA: Glaube! Das habe ich nie gesagt!) Als ob Religion für den Staat, für das Zusammenleben in einer Gesellschaft etwas Negatives wäre. Ich finde, das Gegenteil ist der Fall, weil Religion und die Werte, die Religion vermittelt, eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren einer Gesellschaft sind.

 

In der Debatte, die Sie damit ausgelöst haben, wird jetzt oft Böckenförde zitiert, der gesagt hat: „Der freiheitliche säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ Was er damit zum Ausdruck bringen möchte, ist, dass ein Staat ein Wertefundament für seine Bürger braucht, das er selbst nicht unbedingt liefern kann, denn würde er den Menschen Werte durch staatliche Maßnahmen aufzwingen wollen, dann würde er sein freiheitliches Element verlieren. In einem freien Staat muss Religion also, so meint er, einen Platz haben. Unsere Gesellschaft braucht nämlich mehr Werte als Demokratie als eine Art Pseudoreligion, wie ich das jetzt hier wahrnehme, die den NEOS offenkundig wichtiger ist.

 

Ich lese jetzt nur ein paar Begriffe aus dem Lehrplan vom katholischen Religionsunterricht vor, den man aus meiner Sicht ja los werden möchte: Die Schüler können verschiedene Ausdrucks- und Kommunikationsformen wahrnehmen und anwenden, gewaltfreie Kommunikation, eigene Bedürfnisse und Bedürfnisse der Mitmenschen erkennen und reflektieren, Kränkungen, Ungerechtigkeiten und Schuld wahrnehmen und Möglichkeiten von Versöhnung erzählen, die Kinder kennen Möglichkeiten für verantwortungsbewusstes Handeln, und so weiter, und so fort, Bildung eines eigenen Gewissens.

 

Das waren jetzt nur ein paar Begriffe von der ersten von sechs Seiten. All diese Begriffe sind aus meiner Sicht notwendige Voraussetzung für ein Wertefundament von jungen Menschen. Ein Unterricht, der sich rein auf staatliche Rechte und Pflichten beschränkt, wird nie einen Ersatz für all das bieten können. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Ich bin auch froh, dass es durch einen Lehrplan, der auch staatlich kontrolliert wird, eine Kontrollmöglichkeit für Inhalte gibt, die unterrichtet werden. Die Alternative für einen nicht staatlich kontrollierten Religionsunterricht sind irgendwelche Hinterhofprediger, die ohne jegliche staatliche Kontrolle ihre Werte Kindern aufzwängen können. Ich finde, es ist gut, dass es hier über Lehrpläne, über staatlichen Religionsunterricht Kontrollen gibt, um diese Werte auch zu beschränken.

 

Ich finde - und das muss man sagen, es ist vollkommen klar -, dass gegen Menschen, die jetzt, wie das in Deutschland passiert ist, offen auf der Straße ein Kalifat einfordern, gegen Menschen, die auf Menschen, die andere Meinungen haben, oder sogar auf Polizisten, die unsere Werte verteidigen wollen, mit einem Messer einstechen, ein Schulfach Leben in einer Demokratie, Herr Stadtrat, wenig helfen wird. Das ist vollkommen klar. Diesen Menschen ist oft sehr bewusst, dass sie in einer Demokratie leben, und das sind meistens auch Menschen, die nicht sehr schlecht gebildet sind. Wenn irgendetwas gegen so ein Gedankengut hilft, dann ist das ein Religionsunterricht, der kontrolliert ist, der Inhalte vermittelt, die auch geprüft sind, die ein Wertefundament hergeben, das vollkommen mit unseren Werten übereinstimmt. Als Volkspartei lehnen wir also den Vorstoß entschieden ab, Religionsunterricht los werden zu wollen, und sehen, dass von den NEOS ein Mal mehr mit Nebelgranaten von den wahren Problemen abgelenkt wird. (Beifall bei der ÖVP. - GRin Mag. Bettina Emmerling, MSc: Die werft schon ihr, die Nebelgranaten!)

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr GR Baxant, und ich erteile es ihm. Bitte, Herr Gemeinderat.

 

10.42.16

GR Petr Baxant, BA (SPÖ)|: Liebe Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Ich möchte zuerst einmal Prof. Manfried Welan ansprechen, der ein Jahr mein Professor auf der BOKU war. Ich kann mich sehr gut an ihn erinnern, und er hat mir und uns allen einen Satz gesagt, der mir bis heute im Kopf und auch im Herzen geblieben ist. Er hat uns Rechtsstaat, Demokratie, und so weiter beigebracht. Ich weiß nicht ganz genau, wie das Fach auf der BOKU geheißen hat, aber jedenfalls hat er gesagt: „Ich war einmal ÖVP-Abgeordneter im Gemeinderat im Rathaus, und meine wichtigste Aufgabe war eigentlich - und das ist mir bis heute geblieben -, ein Verbinder zu sein. Liebe Studenten, liebe Studentinnen, wenn ihr einmal in der Politik seid, setzt euch immer zu den anderen politischen Parteien im Buffet. Trinkt mit ihnen einen Kaffee, trinkt mit ihnen ein Bier, das ist ein unglaublich wichtiger und nachhaltiger Beitrag für das Gemeinsame und für das Miteinander in der Demokratie.“ Ich möchte mich einfach bei ihm dafür bedanken, dass er mir - und vielen anderen, glaube ich, auch - diese Inspiration gegeben hat und möchte deswegen auch in seinem Geiste diese Rede abhalten. (Beifall bei SPÖ, NEOS, ÖVP und GRÜNEN.) - Danke schön.

 

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