«  1  »

 

Gemeinderat, 51. Sitzung vom 20.03.2024, Wörtliches Protokoll  -  Seite 80 von 102

 

daran arbeiten, diese Stadt noch lebenswerter zu machen, als sie ohnehin schon ist. Insofern bitte ich um diese Zustimmung zu diesem wichtigen Poststück. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Zu Wort gemeldet ist GR Dr. Gorlitzer. Ich erteile es ihm. Bitte.

 

17.21.51

GR Dr. Michael Gorlitzer, MBA (ÖVP)|: Meine Damen und Herren!

 

Das Erlernen der deutschen Sprache ist ein zentraler Bestandteil für die Integration der Menschen, die aus vielen verschiedenen Ländern zu uns gekommen sind. Ohne Kommunikation wird es nicht möglich sein, sich ausreichend Kenntnisse über unser Land und unsere Stadt anzueignen. Das Jugendcollege für AsylwerberInnen und subsidiär Schutzberechtigte, vor allem für jene von 16 bis 25 Jahren, ermöglicht es, sich möglichst effizient auf die Arbeitswelt vorzubereiten, indem man dort einen Pflichtschulabschluss oder auch eine Lehre machen kann. Das ist eine absolut sinnvolle und schon seit Jahren eingeführte Methode, die wir auch unterstützen.

 

Das ist auch keine leichte Aufgabe. Nur 10 Prozent der Teilnehmer in diesen Jungendcolleges können überhaupt lesen und schreiben, teilweise nicht einmal in ihrer eigenen Landessprache. Deswegen werden in den Bildungseinrichtungen Trainer in 40 verschiedenen Sprachen angeboten. Das finde ich eine beachtliche Leistung, die von den Bildungseinrichtungen erbracht wird. Das zeigt auch Erfolg: 90 Prozent der TeilnehmerInnen, die die Basisausbildung absolviert haben, können die Deutschprüfung A1 beziehungsweise A2 absolvieren. 25 Prozent der TeilnehmerInnen gelangen unmittelbar nach der Ausbildung in den Erwerbsprozess.

 

Die Wiener Volkspartei sagt Ja zur aktiven und sinnvollen Integration der Menschen, die in unserer Gesellschaft auch etwas Positives bewegen wollen. Es ist besonders wichtig, junge Menschen zu integrieren und sie so zu integrieren, dass sie ausreichend Verständnis für unsere Sprache und unsere Werte erlangen. Das Ziel muss es sein, sie möglichst bald in einen Beschäftigungsprozess und damit auch in das gesellschaftliche Leben zu integrieren. Diese Maßnahme wird ja von der EU gefördert und zusammen mit dem AMS beziehungsweise dem Bund unterstützt. Das ist ein wichtiger Schritt, was sich auch daran zeigt, dass internationales Interesse besteht. Vor Kurzem war der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen in Wien und hat sich das angeschaut.

 

Für uns als Volkspartei ist es auch wichtig, dass diese Teilnahme verpflichtend ist und es kein Laissez-faire-Betrieb wird, sondern dass es mit einer Kürzung der Mindestsicherung verbunden ist, wenn man die Teilnahme verweigert. Das zeigt sich auch an den Teilnahmeprozentzahlen in diesen Kursen. Dort gibt es im Vergleich zu anderen Kursen des AMS ganz wenige zum Beispiel krankheitsbedingte Ausfälle. Denn viele haben ja den Eindruck, die Mindestsicherungsbezieher in Wien liegen eher in der sozialen Hängematte, als sich fortzubilden. Dass die Mindestsicherung in Wien verfassungswidrig ist, hat Kollegin Hungerländer heute schon ausführlich dargestellt. Das wird sich aber hoffentlich irgendwann einmal ändern.

 

Wichtig bei diesen Jugendcolleges ist, dass es zu einer laufenden Kontrolle und zu einem Benchmarking dieses Programms kommt. Das wird auch vom AMS durchgeführt. Wir sind dafür, dass es auch im Ausschuss für Gesundheit und Soziales zu einer regelmäßigen Evaluierung kommt, damit wir eine maximale Transparenz dieses Projekts erfahren.

 

Es ist durchaus schwierig, Leute zu integrieren. Ich möchte das mit einem Zitat eines Asylanten belegen, der das Programm erfolgreich absolviert hat und mittlerweile auch in den Arbeitsprozess integriert ist. Es ist ein syrischer Landsmann, der sagt: „Mein Heimatland Syrien ist wie meine Mutter, aber das Land, wo ich hingezogen bin - nämlich selbstgewählt hingezogen und geflüchtet -, ist wie meine Frau.“ Was ich damit sagen möchte: Man muss verstehen, dass man die Asylanten nicht ihrer Wurzel berauben kann. Man muss sie aber möglichst effektiv dazu führen, dass sie unsere Kultur, unsere Werte, unser demokratisches Verständnis, die Rechte gegenüber anderen, die Gewaltlosigkeit vor allem gegenüber Frauen und die Leistungsbereitschaft in Österreich kennen lernen.

 

Diese sprachliche Kompetenz hat natürlich auch andere Wirkungen, wie zum Beispiel die Vermeidung von Gewalt und eine Steigerung des Gesundheitsbewusstseins. Wir sehen in den Wiener Spitälern, dass es vor allem bei jungen und schwerkranken Patienten, die Migrationshintergrund haben, zu einer deutlichen Steigerung kommt, weil diese einfach nicht verstehen, wie man präventiv in die Gesundheit eingreifen kann.

 

Die Ausbildungsplätze sollen jetzt von 1.000 auf 5.000 ausgebaut werden. Das ist vorab ein gutes Ziel. Caroline Hungerländer hat es auch schon gesagt: Es ist sicher ein Beginn. Denn wenn man die Zahlen der AMS-Chefin sieht, sind im Vorjahr im Schnitt 39.000 Asylberechtigte und Personen mit subsidiärem Schutz arbeitslos gemeldet worden. Ein Viertel davon sind Menschen unter 25 Jahren. Deswegen wird es notwendig sein, dieses Programm weiter auszubauen - auch unter Berücksichtigung der Asylwerber der 2. und 3. Generation.

 

Grundsätzlich gibt es zur Lese- und Deutschkompetenzschwäche eine umfangreiche Studie der OECD: das Programme for the International Assessment of Adult Competencies. Diese Studie kam zu dem Schluss, dass 960.000 Menschen in Österreich - das sind zirka 15 Prozent - zwischen 16 und 25 Jahren nur schlecht oder gar nicht lesen können. In der letzten PISA-Studie hat sich gezeigt, dass zirka 20 Prozent im Bereich Lesen nicht einmal das Grundkompetenzniveau erreichen. Bei den 15-Jährigen mit Migrationshintergrund haben sogar 30 Prozent derartige Schwierigkeiten, dass sie nicht sinnerfassend lesen können.

 

Wenn ich das jetzt mit anderen Zahlen vergleiche, sind 30 Prozent eine wirklich mächtige Zahl. Wenn man andere Länder anschaut, gibt es laut OECD in Eritrea, Osttimor, Burkina Faso und Burundi ähnlich hohe Analphabetenzahlen von 30 Prozent und mehr. Das ist für mich ein Alarmzeichen. Es besteht dringender Handlungsbedarf, Menschen dazu zu bringen, dass sie sinnerfassend lesen und schreiben können.

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular