Gemeinderat, 51. Sitzung vom 20.03.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 46 von 102
ÖVP, FPÖ und GR Kieslich, nicht die erforderliche Mehrheit, der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zu Postnummer 36 der Tagesordnung. Sie betrifft eine Förderung an die Stadt Wien Kunst GmbH. Ich bitte den Berichterstatter, Herrn GR Baxant, die Verhandlung einzuleiten.
Berichterstatter GR Petr Baxant, BA: Ich bitte um Zustimmung.
Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Vielen Dank. Zu Wort gemeldet ist GRin Mag. Berner. Sie sind am Wort.
GRin Mag. Ursula Berner, MA (GRÜNE): Schönen Nachmittag!
Es geht um die KÖR, Sie wissen, wir werden dem Akt zustimmen. Das setze ich gleich voraus, weil wir finden, dass Kunst im öffentlichen Raum wunderbar ist, dass sie niederschwellig ist und auch wenn sie zu Diskussionen anregt, ist es ein wichtiger Beitrag zur öffentlichen Debatte. Deshalb werden wir die KÖR immer unterstützen.
Trotzdem stelle ich einige Fragen zu einem besonderen Werk, mit dem sich die KÖR im kommenden Jahr beschäftigen wird, und Sie können sich sicher vorstellen, zu welchem. Sind 3,5 Grad Schräglage genug, um den Antisemitismus im heutigen Wien in der Geschichte der Stadt sichtbar zu machen oder nicht? Ich fürchte, nach dem 7. Oktober, mit der unglaublichen Zunahme der antisemitischen Übergriffe in Wien, braucht es deutlichere Zeichen, wo diese Stadt in Fragen des Antisemitismus steht.
Ein „irgendwie finden wir doch, dass dieser Held cool war, aber wir trauen uns nicht, ihn aus dem Zentrum der Stadt hinauszubefördern“ oder ein „irgendwie ist es schon unangenehm, dass er 20 m über dem Platz thront und den Platz dominiert“ wird zu wenig sein. Wenn sich Wien angesichts der aktuellen politischen Lage klar gegen aggressiven Populismus, gegen Hetze, gegen Antisemitismus positionieren will, muss Wien die Statue von Lueger als Werbeträger für eben diese Faktoren aus dem Zentrum der Stadt entfernen.
Wenn Wien den öffentlichen Diskurs, die öffentliche Reflexion über Antisemitismus befördern will und wenn die Stadt gleichzeitig der Ausgrenzung von Bevölkerungsgruppen und aggressivem Populismus und Hetze öffentlich klar eine Absage erteilen will, reicht es leider nicht aus, die Statue nur schrägzustellen. Problem Nummer 1: Damit der 20 m hohe Karl Lueger um 3,5 Grad gekippt werden kann, muss er statisch fixiert werden. Das heißt konkret, die tonnenschwere Statue samt Sockel bekommt einen weiteren tonnenschweren Betonfuß, ein neues Fundament. Das wird sich mit den prognostizierten 500.000 EUR kaum ausgehen, abgesehen von dem symbolträchtigen Bild, dass nach dem Nazi-Dichter Weinheber am Schillerplatz nun auch der Antisemit Lueger in den Boden betoniert und damit für die Ewigkeit im Boden verankert wird.
Es scheint, als wollten die Autoritäten der Stadt zwanghaft an der schmerzlichen und unglücklichen Geschichte festhalten, statt endlich alte Helden durch bessere, demokratische VordenkerInnen zu ersetzen. „Schämt ihr euch nicht ein bisschen?“, hat die betagte Ruth Klüger gefragt, als sie Wien besuchte. „Ist es euch nicht peinlich, mitten in der Stadt einem Antisemiten zu gedenken, den Adolf Hitler für den gewaltigsten Bürgermeister aller Zeiten gehalten hat?“ - „Er hat der allgemeinen Unzufriedenheit den Weg in die Judengasse gewiesen“, so urteilte der Zeitgenosse Felix Salten schon 1910. Das 21. Jahrhundert bietet mehr an multimedialer Formensprache, als einen Stein schrägzustellen.
Problem Nummer 2: Gleich in der Nachbarschaft des Lueger-Denkmals wurde 1928 eine Platane gepflanzt. Mittlerweile hat diese Platane einen Umfang von über 4 m und einen Kronendurchmesser von ungefähr 21 m. Sie können sich schon vorstellen, worauf das hinausläuft. Die Platane überragt derzeit die Lueger-Statue. Würde also die Statue enthoben und das Fundament erneuert werden, verstärkt und vergrößert werden, würde vor allen Dingen das Wurzelwerk dieser Platane mit Sicherheit beschädigt werden. Die Platane am Lueger-Platz ist ein Naturdenkmal. In § 28 Abs. 3 Wiener Naturschutzgesetz heißt es: „In ein Naturdenkmal einschließlich der geschützten Umgebung dürfen Eingriffe, die dessen Bestand oder Erscheinungsbild gefährden oder beinträchtigen können, nicht vorgenommen werden.“ Neben der ideellen Kritik steht dem Projekt „Lueger 3,5 Grad“ schiefstellen also auch eine zweite Hürde entgegen, der Naturschutz der 100 Jahre alten Platane.
Es ist Zeit, eine aktuelle, naturverträgliche Formensprache über die alten Steine zu legen. Wir fordern, dass der derzeitige Interventionsplan noch einmal einer realen Kostenschätzung inklusive Baumschutz unterworfen wird. Es ist Zynismus, wenn nahezu die Hälfte des Jahresbudgets der KÖR nur für diese kaum merkbare Schiefstellung aufgehen wird. Wir fordern ein Konzept für den Platz und den Umgang mit der Statue, das den aktuellen Antisemitismus thematisiert und möglichst interaktiv Raum und Zeit für Auseinandersetzung im öffentlichen Raum bietet. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Dr. Jennifer Kickert: Als Nächste zu Wort gemeldet ist GRin Anderle. Ich erteile es ihr.
GRin Patricia Anderle (SPÖ): Danke schön, liebe Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauende! Liebe Frau Stadträtin!
Ich möchte jetzt noch ein bisschen mehr auf KÖR eingehen, weil der Verein ja breiter aufgestellt ist. Kunst begleitet uns jeden Tag durch die Stadt, und wir alle nehmen das bewusst oder unbewusst wahr. Wir interagieren täglich mit Kunstwerken im öffentlichen Raum, und KÖR hat sich zum Ziel gesetzt, alle Menschen zu erreichen, unabhängig von Einkommen, Bildung und Herkunft.
Vor allem ist Kunst im öffentlichen Raum barrierefrei. Diese Kunst holt die Menschen dort ab, wo sie sich befinden, in den Bezirken und in den Grätzln, und dabei werden nicht nur bekannte Orte bespielt, sondern oft auch unterschätzte Areale oder Bereiche in den Fokus gerückt. Es geht um Kunst- und Kulturvermittlung im besten Sinne, ein Ziel, das KÖR vorantreibt. Es geht nicht nur darum, Kunst im öffentlichen Raum zu präsentieren, sondern auch darum, sie für ein breites Publikum zugänglich zu machen und Menschen aller Altersgruppen einzubeziehen.
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