Gemeinderat, 44. Sitzung vom 22.11.2023, Wörtliches Protokoll - Seite 23 von 91
ab ihrem 15. Lebensjahr von körperlicher und/oder sexueller Gewalt betroffen. Das ist eine weitere Zahl, die einen fassungslos macht! Das sind unsere Frauen, und das sind unsere Töchter, sehr geehrte Damen und Herren, und das dürfen wir als Gesellschaft nicht hinnehmen! Selbstverständlich ist diesbezüglich auch die Politik gefordert, entsprechende Maßnahmen zu treffen, um diesem Horror etwas entgegenzusetzen. (Beifall bei NEOS, SPÖ und GRÜNEN.)
Wien hat in dieser Hinsicht einen äußerst engagierten Weg eingeschlagen. Es wurden schon zahlreiche Initiativen auch von meinen Vorrednerinnen genannt: Es geht um den Schutz von Frauen und Mädchen in Frauenhäusern, um eine Betreuung der Opfer durch die Frauenorganisationen beziehungsweise auch um Präventivarbeit in der Männerberatung Wien oder auch bei vielen Projekten an Schulen und der Jugendarbeit. Ich bedanke mich bei allen Menschen, die sich tagtäglich anlässlich dieser Initiativen für betroffene Frauen und gegen Männergewalt engagieren.
Gewalt an Frauen ist aber eben auch eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, und da braucht es gerade auch uns Männer, die hier entschieden dagegenhalten. Wir begehen diese Woche am 25. November wieder den Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und danach die schon angesprochenen „16 Tage gegen Gewalt an Frauen und Mädchen“ als gemeinsame internationale Kampagne. Daher tragen viele von uns auch heute schon das White Ribbon und unterstreichen damit unsere Verantwortung für dieses Thema. Und wir rufen alle Männer dazu auf, keine Gewalt an Frauen auszuüben und auch unsere Haltung betreffend „Stopp der Männergewalt!“ öffentlich zu zeigen. - Vielen Dank. (Beifall bei NEOS, SPÖ und GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr StR Peter Kraus, und ich erteile ihm. Bitte, Herr Stadtrat.
StR Peter Kraus, BSc: Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Vizebürgermeisterin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Warum ist es aus meiner Sicht wichtig, dass heute bei diesem Thema der Aktuellen Stunde auch Männer reden? - Aus meiner Sicht aus zwei Gründen, nämlich erstens nicht deshalb, weil wir es besser wissen, sondern weil es eine Reihe von Feministinnen in unserer gemeinsamen Gesellschaft gibt, die für alle Bereiche dieser Gesellschaft, also Wirtschaft, Politik, Soziologie, betreffend unser aller sicheres Leben seit Jahrzehnten Analysen liefern, Missstände aufzeigen und Verbesserungsvorschläge machen. Insofern ist es eigentlich das Erste, was wir Männer tun müssen, zuhören und lernen. Es ist also, glaube ich, wichtig, das in diesem Zusammenhang einmal als ersten Punkt anzusprechen: Zuhören und Lernen. (Beifall bei GRÜNEN, SPÖ und NEOS.)
Zweiter Punkt, warum es aus meiner Sicht wichtig ist, dass auch Männer hier zu dieser Aktuellen Stunde sprechen: Wir Männer tragen nämlich Verantwortung, wenn es um das Thema Gewalt gegen Frauen geht, denn Gewalt gegen Frauen ist in unserer Gesellschaft vor allem ein Männlichkeitsproblem. Es ist zunächst einmal insofern ein Männlichkeitsproblem, als es, wenn man sich sozusagen die Täterseite ansieht, das gut bekannte Modell der Täter-Opfer-Umkehr gibt, das vorhin schon ein paar Mal erwähnt wurde. Das gibt es auf ganz individueller Ebene, das gibt es aber auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene. Wir haben das heute auch wieder bei Reden der FPÖ gehört: Da werden immer alle als verantwortlich genannt, nur eine Gruppe nicht, nämlich die Männer. Die Täter sind aber Männer, und insofern ist Gewalt gegen Frauen ein Männlichkeitsproblem, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Gewalt gegen Frauen beginnt aber schon viel früher, bevor es dann leider tatsächlich und viel zu oft zu physischer Gewalt kommt. Dass das ein Männlichkeitsproblem ist, bedeutet für mich daher auch, dass wir darüber sprechen müssen, wie wir über Männlichkeit denken, wie wir über Männlichkeit reden und was in unserer Gesellschaft, in der wir leben, Mann sein überhaupt bedeutet. Warum hören kleine Buben eigentlich immer noch, dass sie nicht weinen dürfen? Warum gilt nur der als richtiger Mann, der nie Schwäche zeigt? Wollen wir wirklich in einer Welt leben, in der Männer mit aller Gewalt Frauen zeigen, wo es langgeht? - Ich glaube, diese Fragen, mit denen wir uns beschäftigen müssen, zeigen auch, welches Bild von Männlichkeit in unserer Gesellschaft derzeit noch gezeichnet wird. Und dieses Bild müssen wir Männer selbstbewusst und konsequent hinterfragen, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei GRÜNEN, NEOS und SPÖ.)
Wir alle definieren jeden Tag, was Männlichkeit bedeutet, und selbstverständlich haben auch wir Männer eine Verantwortung, diese Definition neu zu denken. Das heißt, dass wir als Männer in unserer Gesellschaft auch aufstehen und eingreifen, wenn es übergriffiges Verhalten gibt. Das heißt auch, dass wir als Männer Freunde darauf aufmerksam machen, wenn sie sexistische Kommentare von sich geben. Das heißt, dass wir „Stopp!“ sagen, wenn wir Gewalt, egal, ob physische oder psychische Gewalt gegen Frauen, Mädchen und Kinder sehen. Und das bedeutet auch, dass wir Männer bereit sein müssen, Männlichkeit, und zwar auch die eigene, zu reflektieren, damit wir zu einem modernen, offenen, emotionalen, empathischen und gewaltfreien Männlichkeitsbild kommen. Das ist auch unsere Aufgabe als Männer, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei GRÜNEN, SPÖ, NEOS und ÖVP.)
Ich stelle an dieser Stelle fest, dass ich froh bin, dass es in diesem Haus und in unserem Land auf den unterschiedlichen politischen Ebenen viele Feministinnen sowie viele engagierte Frauenpolitikerinnen in den einzelnen Fraktionen gibt, hier im Haus zum Beispiel eine Vizebürgermeisterin. Ich darf dazu auch Justizministerin Alma Zadić zählen, der das Thema auch sehr wichtig ist und die diesem höchste Priorität einräumt. In den nächsten Tagen werden wir das, beginnend mit dem Hissen einer Fahne und mit vielen weiteren Aktionen, thematisieren. Ich meine, dass es gerade beim Thema Gewalt gegen Frauen einen breiten Schulterschluss zwischen den Parteien und den politischen Ebenen, aber auch zwischen der Politik und der Zivilgesellschaft braucht.
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