Gemeinderat, 43. Sitzung vom 18.10.2023, Wörtliches Protokoll - Seite 106 von 122
aufs Theater machen, spannende Geschichten erzählen und einen Ort der Verhandlung schaffen. Das gelingt dem aktuellen Konzept des Theaters der Jugend halt leider nur zum Teil, auch wenn die Auslastungszahlen wunderbar sind, darüber müssen wir nicht reden.
Das Theater der Jugend ist in den 30er Jahren gegründet worden, um Kindern aus Arbeiterfamilien und einkommensschwachen Familien einen Zugang zum Theater zu ermöglichen: Theater als Ort der demokratischen Auseinandersetzung, Theater als Ort, um Geschichte zu vergemeinschaften. Das war ein gutes und richtiges Vorhaben, auch wenn es in den 30er Jahren war, aber die aktuelle Struktur, wie Abos jetzt vergeben werden, wie das Theater mit Einzel-Abos verfährt, wirkt leider nicht so einschließend, sondern eher ausgrenzend. Die Struktur des Theaters der Jugend, nämlich die Struktur der Abos des Theaters der Jugend, hat sich - das kann ich bezeugen -, seit ich in der Schule war - und das ist schon eine Zeit lang her - nicht geändert. Ehrenamtliche Lehrpersonen sind beauftragt, müssen übernehmen, die einzelnen Abos von den Kindern in den Klassen einzusammeln, sie müssen die auf Papier ausgedruckten Karten in Kuverts stopfen, diese dann der einzelnen AbonnentIn geben, dann wieder von den AbonnentInnen das Geld einsammeln, nämlich genau abgezählt in Münzen und bar einsammeln, und dann an die Organisation Theater der Jugend weitergeben. Das ist seit den 70er Jahren nicht geändert, und alle, die Eltern sind oder Kinder in der Schule haben, werden diesen Vorgang kennen. Er ist einerseits mühsam, andererseits versteht man nicht, warum das noch immer ehrenamtlich für Lehrpersonen zu tun ist, wo doch die Lehrpersonen mit all dem, was sie sonst noch zu tun haben, eh schon ziemlich überfordert sind.
Zusätzlich ist es so, dass die Abos dann doch sehr schnell ausverkauft sind, sie werden ja auch in jede Klasse gegeben. Das heißt, dass Schulklassen, also ganze Schulklassen, nicht mehr so leicht die Möglichkeit haben, als Gesamtschulklasse ins Theater zu gehen. Was heißt das aber? - Das heißt, dass vor allen Dingen Kinder, deren Eltern sich das leisten können, deren Eltern finden, dass Bildung wichtig ist und die keine Angst vor Zusatzausgaben haben, in den Genuss des Abos kommen, aber die Gesamtklasse, wo auch die Kinder drinnen sind, wo es die Eltern vielleicht nicht so wichtig finden oder keinen Zugang haben, haben nahezu keinen Zugang zu dem, was wir als Theater der Jugend finanzieren und als Theater der Jugend in dieser Stadt haben. Das finde ich sehr schade.
Wir hätten nämlich gerne, dass wir, wenn wir schon ins Theater der Jugend investieren, damit auch die Zielgruppe erreichen, nämlich die sogenannten bildungsfernen Kinder, die Kinder aus einkommensschwachen Familien, die Kinder, deren Eltern nicht Zeit haben, unter der Woche am Nachmittag noch mit ihnen ins Theater zu gehen, weil sie vielleicht zu dieser Zeit arbeiten. Das ist die eine Herausforderung. Hier könnte man ansetzen.
Die zweite Herausforderung ist auch die Diversität der Personen, die als Schauspielerinnen und Schauspieler auf der Bühne sind, und die Diversität der Stoffe, die im Theater der Jugend gezeigt werden. Wenn wir in dieser Stadt 50 Prozent der Bevölkerung haben, die nicht in Wien geboren sind, die vielleicht auch mit anderen Sprachen aufgewachsen sind, dann muss das Theater der Jugend auch dieser Bevölkerung Rechnung tragen. Das muss auch für Kinder attraktiv sein, die in anderen Zusammenhängen aufgewachsen sind und nicht nur dem mitteleuropäischen Bildungskonsens vertrauen. Es macht auch einen Sinn, Geschichten darüber hinaus zu machen, es macht einen Sinn, zu schauen, dass sich alle Kinder auf den Bühnen des Theaters der Jugend repräsentiert fühlen. Andere Kinder- und Jugendtheater in dieser Stadt schaffen das, der Dschungel genauso wie die Jugendschiene des Burgtheaters. Dort stehen Personen mit unterschiedlichen ethnischen Hintergründen auf der Bühne, und es gibt sogar hie und da SchauspielerInnen im Rollstuhl. Das habe ich im Theater der Jugend leider noch nie gesehen.
Ein ideales Theater der Jugend, das von der Stadt finanziert wird, sollte auch allen Kindern dieser Stadt - und ich meine wirklich, allen Kindern dieser Stadt - zu Gute kommen. Dazu müsste die aktuelle Struktur komplett auf den Kopf gestellt werden: Das Abrechnungssystem, die Stückeauswahl, die Vorbereitung, die pädagogische Begleitung. Es gibt viel zu tun.
Der Erhöhung, um die anstehenden Personalkosten zu decken, wie es im Antrag verlangt wird, werden wir natürlich zustimmen, wir würden uns aber freuen, wenn Sie sich für ein eigenständiges, partizipatives, spannendes Theater der Jugend einsetzen würden. Da ist noch einige Luft nach oben. Gehen wir es endlich an und schauen, dass die Kinder dieser Stadt, alle Kinder dieser Stadt, ein spannendes Theater der Jugend haben können. Herzlichen Dank. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. Der Berichterstatter hat das Schlusswort.
Berichterstatter GR Jörg Neumayer, MA: Ich glaube, man muss vorweg sagen, dass das Theater der Jugend seit Jahrzehnten Kinder und Jugendliche und ihre Familien begleitet, um genau die ersten Schritte in die Kunst- und Kulturszene unserer Stadt zu machen. Das Theater der Jugend erreicht sein Publikum und ist durchwegs ausgelastet. Das haben Sie auch gesagt, Frau Kollegin. Ich glaube, Sie haben sich auch die Antwort ein bisschen vorweggenommen. Die Stadt Wien hat zahlreiche Einrichtungen und verschiedene Angebote für Kinder und Jugendliche, Sie haben unter anderen den Dschungel genannt. Ich glaube, das Gute kann immer noch besser werden, da sind wir uns alle einig. Als Stadt Wien haben wir aber eine Vielzahl an Angeboten, und das Theater der Jugend macht großartige Arbeit. Dafür bitte ich heute um Zustimmung. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)
Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Wir kommen zur Abstimmung über die Post 31. Wer der Post 31 zustimmt, bitte ich um ein Zeichen. - Das ist einstimmig.
Anträge liegen keine vor.
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