Gemeinderat, 41. Sitzung vom 20.09.2023, Wörtliches Protokoll - Seite 74 von 116
Pufferzonen plötzlich nicht mehr explizit ausschließt. Das war zwar nett, das sollte uns irgendwie zufriedenstellen, das hat aber ganz offensichtlich die UNESCO nicht narrisch beeindruckt, und daher kam es dann im Mai 2016 zu einer ersten Nachdenkpause. Keine Sorge, es sollte nicht die letzte sein.
Im Juli 2016 gab es dann die Sitzung des UNESCO-Welterbe-Komitees in Istanbul. Was wurde dort kommuniziert? Nichts Überraschendes von Seiten der UNESCO, die war immer klipp und klar. Was hat es im Juli 2016 geheißen? - Die Hochhaushöhe sei auf 43 m Bestandhöhe zu adaptieren, ansonsten bestehe die Möglichkeit, das Weltkulturerbe Wien Innere Stadt möglicherweise auf die Rote Liste zu setzen. Eine klare, frühe Warnung.
Was ist dann passiert? Na ja, wir sind ja gelernte Wiener, eine Zeit lang gar nichts, und dann hat man seitens des Investors Michael Tojner und seitens der Planungsstadträtin Maria Vassilakou, unter gönnerhafter Unterstützung von Bgm Michael Häupl, eine neue Version für den Heumarkt präsentiert. Gelernte Wiener dürfen raten, wie hoch sie war. 43 m? - Nein, natürlich nicht. Man hat den Turm von 73 m auf 66 m reduziert und in der gleichen Pressekonferenz erklärt, jetzt gibt es mit dem Weltkulturerbe aber überhaupt kein Problem mehr, jetzt ist alles super.
Das Gegenteil war natürlich der Fall, und die UNESCO hat es sehr schnell auch wieder kundgetan. In der Zwischenzeit hat es aber bei einem Koalitionspartner, nämlich bei den GRÜNEN, schon intern zu brodeln begonnen. Die Bezirksgruppe des 1. Bezirkes, angeführt vom dortigen Klubobmann Hirschenhauser, hat gegen dieses Projekt mobilisiert, und es gab eine Urabstimmung innerhalb der Grünen Fraktion, an der die Mehrheit teilgenommen hat. Die Mehrheit war gegen dieses Bauprojekt, und daher gab es auch eine durchaus interessante Abstimmung hier in diesem Plenarsaal, denn manche der Abgeordneten der Grünen Fraktion haben sich an die Urabstimmung gehalten, manche sind ihrer Planungsstadträtin gefolgt. Es war also knapp, aber es gab eine neue Flächenwidmung für den Heumarkt, die dem Projekt in einer Höhe von 55 m entsprochen hätte.
StRin Vassilakou hat im Vorfeld eben die Abstimmung freigegeben, es kam aber mit 1. Juni 2017 zu dieser Flächenwidmungsbeschlussfassung, wissend, dass man 66 m hoch bauen möchte, die UNESCO aber nur den Bestand erlauben möchte. Wie hoch ist der Bestand? - Wir wissen es mittlerweile, wenn wir aufmerksam waren: 43 m, und es ist sich noch immer nicht ausgegangen. Welche Überraschung!
Ich muss ganz ehrlich sagen, was folgte, ist dann für mich nicht mehr nachvollziehbar, denn da wird es dann auch für die Stadt Wien irgendwie problematisch. Der Investor hat gesagt, ich habe rechtmäßig dieses Grundstück erworben, ich habe jetzt rechtmäßig eine Flächenwidmung - die ist ja beschlossen worden -, und hat um eine Baugenehmigung angesucht. Die Stadt Wien hat das gemacht, was sie ziemlich gut kann: Sie hat sich schlafend gestellt, da ist wieder einmal nichts passiert. Es gab dann den Rechtsweg wegen Säumnis, und so weiter, und so fort. Nur, auch der Investor hatte keine Rechtssicherheit. Wie ist es weitergegangen? Wir sind ja noch lange nicht am Ende.
Im Februar 2022 wurde - natürlich, wie könnte es anders sein - eine neue Version für den Heumarkt präsentiert. Mit welcher Höhe? War sie so hoch wie der Bestand, war sie so hoch, wie ICOMOS es, ich glaube, zum vierten oder fünften Mal eingefordert hat? - Nein, das wäre ja auch wirklich zu einfach. (Heiterkeit bei GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc.) Man hat es jetzt mit 55 m probiert, denn von 66 auf 55 m ist doch eine relevante Einsparung an Höhe, wenn man so möchte. Vielleicht geht es ja jetzt.
Wenig überraschend, nein, es ist nicht gegangen und ganz im Gegenteil, Wien wurde im Juli 2017 von der UNESCO nach jahrelangen, ergebnislosen Aufforderungen auf die Rote Liste gesetzt. So weit so schlecht, könnte man sagen, sind doch mittlerweile schon zehn Jahre vergangen, ohne dass dieser zentrale Platz in der Wiener Innenstadt einer neuen Gestaltung zugeführt werden konnte, ohne dass in zehn Jahren der Investor das tun konnte, was seine Geschäftstätigkeit ist, und zehn Jahre, ohne dass auch die Menschen wussten, beispielsweise die Leute, die im Hotel tätig waren, ob es weggerissen wird, ob es aufgestockt wird. Da war so viel in Schwebe, aber die Politik hat das, was sie immer gut kann, gekonnt getan: Sie hat beschwichtigt.
Zuletzt war, das hat mich wirklich betroffen gemacht, das darf ich schon ganz ehrlich sagen, auch ein Strategiewechsel zu sehen. Da wurde beispielsweise der arme Herr Wirtschafts- und Finanzstadtrat hinausgeschickt, um einmal abzutesten, wie wichtig den Wienerinnen und Wienern das Weltkulturerbe denn wäre. Er hat in einem Interview den bemerkenswerten Sager gemacht: Na ja, wenn wir das Weltkulturerbe nicht mehr haben, dann sei das auch kein Beinbruch. Man kann den Beinbruch natürlich unterschiedlich definieren, aber gerade von einer Partei, die sonst sehr zugänglich ist, was das Lob für die Stadt betrifft, finde ich es lustig, wenn man die Mercer-Studie in den Himmel lobt, aber beim UNESCO-Weltkulturerbe meint, das wäre gar nicht so wichtig.
Ich kann Ihnen nur sagen, wenn ich auf die Liste schaue, da stehen drauf, das ist jetzt ewig lang ergänzbar: das Schloss Versailles, die Akropolis in Athen, das Taj Mahal, Venedig, die Altstadt von Jerusalem, und so weiter, und so fort. (GR Dipl.-Ing. Omar Al-Rawi: Schönbrunn! Schönbrunn auch!) Ich hätte noch niemanden erlebt, der uns erklärt, wir sind da eigentlich drauf, aber wir brauchen das gar nicht, das ist eigentlich völlig für die Fisch‘. Ganz im Gegenteil, jeder, der auf dieser Liste steht, ist stolz und weiß, dass er etwas Besonderes in seinen Reihen, in seinem Land zu bieten hat und ist eigentlich auch erpicht darauf, dass das so bleibt. (Beifall bei der ÖVP. - GR Dipl.-Ing. Omar Al-Rawi: Schönbrunn! Schönbrunn steht auch drauf!) Wenn ich mir die Abfolge der letzten Jahre ansehe, entschuldigen Sie, Herr Bürgermeister, dann fällt mir wirklich nur ein Zitat des großartigen Franz Josef Strauß ein: „Irren ist menschlich, aber immer Irren ist sozialdemokratisch.“ (Heiterkeit bei der ÖVP.)
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