Gemeinderat, 40. Sitzung vom 28.06.2023, Wörtliches Protokoll - Seite 38 von 102
Thema. Sie stehen heuer sehr stark im Zeichen der Artificial Intelligence und morgen findet dazu die Veranstaltung „Künstliche Intelligenz an der Zeitenwende“ statt, sehr spannend, die kann ich jedem empfehlen.
Ich möchte jetzt zu einem Punkt kommen, den ich auch für sehr wichtig erachte: Diese Woche wird ein Kulturdenkmal gestürzt und zwar wird übermorgen, am Freitag, nach 320 Jahren die „Wiener Zeitung“ ohne Not zu Grabe getragen. Das ist aus meiner Sicht ein Begräbnis letzter Klasse für die älteste noch erscheinende Zeitung der Welt. (Beifall bei NEOS und SPÖ. - GR Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Die Wirtschaftspartei! Wo sind die Wirtschaftsliberalen?) Es ist nämlich auch ein Stück, und da schließe ich den Kreis zu meinem Anfang, der Wissensvermittlung der Geschichte, und die Abschaffung der „Wiener Zeitung“ in dieser Form ist aus meiner Sicht eine Schande. (Beifall bei NEOS und SPÖ. - GR Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Es ist eine Schande für die NEOS!) Es ist eine Schande auf der einen Seite für die Medienministerin Raab, aber auch unter grüner Regierungsbeteiligung, das möchte ich hier schon auch erwähnen. Wenn wir über digitalen Humanismus sprechen, dann müssen wir beides kombinieren, es geht um das Digitale, aber es geht auch um das Analoge, und deswegen sind das wichtige Kulturdenkmäler, die es auch zu erhalten gilt. Vielen Dank. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)
Vorsitzende GRin Dr. Jennifer Kickert: Als Nächste zu Wort gemeldet ist GRin Malle, selbstgewählte Redezeit zehn Minuten. Sie haben das Wort.
GRin Mag. Mag. Julia Malle (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Stadträtin! Sehr geehrte Vorsitzende! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen!
Ich gehe jetzt nicht auf diese Polemik von Herrn Gara ein, meine Rede ist zu einem anderen Thema. Ich möchte mich zunächst für die gute Zusammenarbeit im Ausschuss bedanken. Im Gegensatz zum Bereich der Kultur, der vorhin schon angesprochen wurde, fühle ich mich über den Bereich Wissenschaft stets gut informiert, bemerke da eine gute Transparenz und eine überfraktionelle Einigkeit, was ja auch einmal nicht so schlecht ist. Ich möchte mich auch bei einer Gruppe bedanken, die heute noch nicht wirklich zur Sprache gekommen ist, oder vielleicht habe ich es überhört. Ich möchte mich bei den vielen WissenschafterInnen Wiens für ihre großartige Arbeit für eine gute Zukunft in dieser Stadt bedanken. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Die Gesamtförderungen im Vergleich zum Jahr 2021 sind in diesem Bereich um rund 45 Prozent gestiegen, im Bereich der Einzelförderungen um rund 73 Prozent. Ich sollte das als Oppositionspolitikerin vielleicht gar nicht sagen, aber das finden wir trotzdem richtig gut. Auch dafür möchten wir uns bedanken, also für die insgesamt doch sehr hohen Ausgaben in dem Bereich, auch was die Wissenschaftspreise betrifft. Es gibt allerdings geringere Ausgaben bei den Stipendien, und auch wenn wir die Kritik der ÖVP in dem Punkt nur bedingt teilen, werden wir aber ihrem Antrag zustimmen, und wir unterstützen natürlich auch, wenn sich die Erhöhung der Förderungen auch auf der Stipendienebene niederschlägt.
Vieles im Bereich Wissenschaft läuft tatsächlich schon gut. Ich möchte ein paar Punkte herausstreichen, von denen ich finde, dass man sie noch viel mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken sollte, und ihnen vielleicht noch mehr Platz im Budget geben könnte. Ein Punkt betrifft die soziale Durchmischung im Bereich Wissenschaft und Forschung. Da wäre es auch wichtig, die soziale Durchlässigkeit zu erhöhen, und bitte entschuldigen Sie dieses Klischee, aber wir wissen alle, die Anwaltstochter aus Döbling bekommt meist ein anderes Startkapital ökonomischer und sozialer Art in die Wiege gelegt als der Arbeitersohn aus Favoriten. Vielleicht könnte man jetzt sagen, nicht jeder und jede muss studieren, aber es sollte uns als Gesellschaft zumindest ein Anliegen sein, alle zu unterstützen, die studieren oder forschen wollen. Ich glaube, dass wir da auch als Stadt eine Verantwortung haben und dieser Verantwortung noch mehr nachkommen könnten. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Ein weiteres Thema, das vorhin schon angesprochen wurde, ist das Vertrauen in Wissenschaft und Forschung, das leider seit Jahren tatsächlich im Sinkflug ist. Es ist natürlich schön, dass wir sehr viel Geld für den Bereich Wissenschaft ausgeben, aber offensichtlich kommt diese Notwendigkeit bei der Bevölkerung noch in keiner Weise an. Ich darf Sie an die 2022 veröffentlichte Spectra-Studie erinnern, die besagt, dass 30 Prozent der ÖsterreicherInnen nicht in die Wissenschaft vertrauen und sozioökonomisch benachteiligte Gruppen misstrauen der Wissenschaft sogar zu 60 Prozent. Ich weiß nicht, wie es Ihnen damit geht, aber ich finde es gefährlich, in einer Gesellschaft zu leben, die den Erkenntnissen aus Wissenschaft und Forschung so dermaßen misstraut. Da müssen wir alle zusammen einen Beitrag leisten, gemeinsam an einem Strang ziehen, dass die Wissenschaftsfeindlichkeit hierzulande und auch in der Stadt Wien sinkt. Das geht nur, wenn wir noch niederschwelligere Zugänge finden, als es bislang der Fall ist, und auch hier weiß ich, dass es tolle Angebote der Stadt Wien gibt. Beispielsweise fördern wir „Wien will’s wissen.“ Ich habe nur manchmal meine Zweifel daran, ob diese Kampagnen bei der Zielgruppe immer angekommen und überhaupt wahrgenommen werden.
Ein nächster Punkt sind die vielen Einzelförderungen, die wir grundsätzlich auch immer unterstützen. Wir würden manchmal gerne wissen, wie diese vielen tollen und wirklich zukunftsbezogenen Themen dann auch weitergehen, auch einmal die Ergebnisse sehen, wenn wir ein Projekt fördern. Das ist nicht immer der Fall. Wir glauben auch, dass wir diese Einzelförderungen noch viel besser bündeln können, um die Herausforderungen der Zukunft zu lösen. Wir können uns auch noch verstärkt den Fragenstellungen widmen, die nicht unmittelbar einer wirtschaftlichen Verwertungslogik unterworfen sind. Wir wollen alle, glaube ich, ein Wien, das gemeinsam Antworten findet, um aus den Krisen der Gegenwart zu lernen. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Wir wollen also ein Wien, das einen Beitrag leistet, dass das Arbeiterkind aus Favoriten für sich genauso die Möglichkeit erkennt, auch einmal an die Uni zu gehen, wie die Anwaltstochter aus Döbling. Wenn es uns gelingt, mehr Personen auch aus nicht privilegierten Schichten an
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