Gemeinderat, 40. Sitzung vom 28.06.2023, Wörtliches Protokoll - Seite 16 von 102
Rückendeckung hier in diesem Haus. Denn was wird geplant? - Wien hat progressive Ziele. Wien möchte bis 2030 den Autoverkehr halbieren. Das sind hochgesteckte Ziele, und diese teilen wir. Allerdings brauchen diese Ziele auch Taten, und da hapert es. Wenn man dieses hohe Ziel erreichen will, geht es nicht darum, Punkt A, B, C und D abzuarbeiten, sondern wir brauchen die ganze Palette an Maßnahmen, um den Verkehr zu reduzieren. Das bedeutet City-Maut, das bedeutet eine Modernisierung des Parkpickerls, das bedeutet Straßenrückbau, das bedeutet einen massiven Ausbau des Radverkehrs.
Wenn hier immer gesagt wird, wir haben das größte Fahrradwegausbauprogramm, das es jemals gab, dann sage ich, es ist gut, dass mehr geschieht als in der Vergangenheit. Es muss aber noch viel mehr passieren. Ich war vor wenigen Wochen mit Kolleginnen und Kollegen in Barcelona. Dort war auch der Verkehrsdezernent der Stadt Hamburg und hat erzählt, dass sie dort im vergangenen Jahr 50 km Radwege gebaut haben. - Das bräuchten wir auch in Wien! Hamburg ist kleiner als Wien. In Wien sind es aber nur 11 km. Hier gibt es also wirklich sehr viel Luft nach oben. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Kommen wir zur inhaltlichen Bilanz des letzten Jahres. Anfang des Jahres werden immer die Modal-Split-Zahlen herausgegeben. Diese zeigen den Anteil der jeweils mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln zurückgelegten Wege, wie viel also mit dem Auto, mit dem Rad sowie mit den Öffis gefahren oder zu Fuß gegangen wird. Und in Anbetracht dessen muss man leider Gottes sagen: Es ist nichts weitergegangen. Beim Modal-Split war der Anteil des Autoverkehrs 2022 genau der gleiche wie im Jahr davor. Das heißt, von den Maßnahmen, die Sie aufgezählt haben, mögen viele gut und richtig sein. Sie wirken aber nicht, und wenn sie nicht wirken, dann sind sie nicht die richtigen und reichen nicht. Wir brauchen einen steilen Abfall der Zahlen beim Autoverkehr, und mit dieser Politik werden Sie diese Ziele nicht erreichen. Mit dieser Politik lassen Sie die Wienerinnen und Wiener und vor allem die jungen Generationen im Stich! (Beifall bei den GRÜNEN.)
Es geschieht progressiv zu wenig beim Öffi-Ausbau beziehungsweise beim Straßenbahnausbau. Bei den Öffi-Intervallen haben wir jetzt noch nicht einmal das Niveau erreicht, das wir vor zwei Jahren hatten. Wir liegen noch immer dahinter, weil die Stadt Wien es nicht geschafft hat, für diesen Bereich Personal anzuziehen und die Straßenbahnen zu bauen. Da gibt es immer mehr Verzögerungen.
Auch die Chancen, die buchstäblich auf der Straße liegen, nutzen Sie leider nicht im ausreichenden Maß. Das heißt, immer, wenn eine Straße in Angriff genommen wird, sollte man sie so bauen, wie die Ziele der Stadt Wien es vorgeben. Das Ziel lautet: Halber Verkehr. Und halber Verkehr bedeutet auch weniger Verkehrsfläche. Das ist logisch, denn man braucht dann ja mehr Platz zum Radfahren und zum Zufußgehen. Woher soll dieser kommen? Ich glaube, niemand möchte dafür Häuser abreißen! Also müssen wir den Platz auf der Straße umverteilen. Das geschieht aber nicht. Das geschieht nicht in der Praterstraße. Das geschieht nicht in der Lassallestraße. Das geschieht nicht am Franz-Josefs-Kai, wo einfach wieder drüberasphaltiert wurde. Vielmehr geschieht das nach den Plänen der StRin Sima, die sich leider hier die Klimaschutzdebatte nicht gibt, die aber wichtig wäre für sie. - Auch auf der Zweierlinie geschieht das nicht. Wir brauchen mehr Platz für Bäume. Wir brauchen mehr Platz für Abkühlung. Wir brauchen mehr Platz für klimafreundliche Mobilität, für Radwege und Fußwege. Und wenn man eine Straße in Angriff nimmt, dann gilt es, diese Chance zu nutzen. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Meine Kollegin Jennifer Kickert hat über das Nature Restoration Law und damit über die Wiederherstellung der Natur und der Böden in der EU schon gesprochen. Dabei ist sie hart mit der ÖVP und den konservativen Bundesländern ins Gericht gegangen. Bei diesem Gesetz geht es darum, dass wir unsere Natur so wiederherstellen, dass wir die Biodiversität erhalten. Die Biodiversität ist ein Schatz, den wir uns erhalten müssen, um uns an die Klimaerhitzung anpassen zu können. Je mehr Biodiversität wir verlieren, desto weniger Chancen haben wir nämlich, dass die Natur sich an das anpasst, was auf uns zukommt. Sie ist auch wichtig.
Wichtig ist auch: Wir brauchen die Böden, denn diese nehmen CO2 auf. Nur mit gesunden Böden können wir unsere Klimaschutzziele überhaupt erreichen. Wir brauchen eine Senkung, denn ganz auf null werden wir nicht kommen. Wir werden vielleicht ans Netto-Null-Ziel kommen. Das ist ganz wichtig.
Wien hat allerdings mit den konservativ geführten Bundesländern eine Stellungnahme gemacht, wonach verhindert werden soll, dass Österreich diesem Gesetz zustimmt. Das haben vielleicht die wenigsten mitbekommen. Es hat eine Stellungnahme der österreichischen Bundesländer gegeben, womit die Klimaschutzministerin dazu gezwungen wurde, sich bei diesem Gesetz der Stimme zu enthalten, und Wien hat dabei mitgemacht. - Das muss ein Ende haben! NGOs und Klima- und Naturschutzorganisationen haben das hart kritisiert. Es muss ein Ende haben, dass Wien sich mit den Betonierern von ÖVP und FPÖ in ein Bett legt wie bei der Lobau-Autobahn und auch beim Bodenschutz. Wien muss bitte progressiver werden! (Beifall bei den Grünen.)
Klubobmann Taucher führt das immer wieder ins Treffen, deshalb sage ich: Wien kann sich nicht mit den Bundesländern innerhalb Österreichs vergleichen. Wien ist die einzige Metropole Österreichs, und in Anbetracht dessen sollte Wien sich mit den anderen Hauptstädten Europas vergleichen beziehungsweise mit Barcelona, mit Paris, mit Hamburg, mit Berlin, aber doch bitte nicht mit den Flächenbundesländern, das ist Wiens wirklich nicht würdig! (Beifall bei den GRÜNEN.)
Ich war vorige Woche in Stuttgart auf einer Konferenz mit dem Titel „Urban Future 2030“. Dabei ging es um die Herausforderungen der Städte für die Zukunft. (GRin Dipl.-Ing. Selma Arapović: Das gibt es in Wien auch!) Da gab es eine sogenannte Fuckup Night. Dabei geht es darum, aus den Fehlern zu lernen. Da gab es einen Vortrag von der Klimadirektorin. Es ging um das Klimaschutzprogramm in Helsinki, und ich sage Ihnen jetzt gar nicht, was die dort alles falsch gemacht haben.
Ich sage Ihnen aber, was sie alles daraus gelernt haben, wovon ich finde, dass das auch Wien lernen muss.
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