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Gemeinderat, 40. Sitzung vom 27.06.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 10 von 115

 

kompletten Rechnungsabschluss durchgelesen, ich brauche echt nur ein Blatt. (Der Redner hält ein Blatt Papier in die Höhe.) Ich habe ein bisschen mitgeschrieben, was Sie jetzt hier erzählt haben, um ihre Geschichte zu widerlegen, dass Wien einen Überschuss, einen Gewinn hat, Vermögenszuwachs. Alles ist super, picobello, wie Sie uns hier gesagt haben - es stimmt nur nicht! Von vorne bis hinten stimmt es nicht. Wir haben nicht 305 Millionen Gewinn, wir haben 4,9 Milliarden Minus gemacht. Das ist das Ergebnis Ihres Rechnungsabschlusses, Herr Hanke. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Man braucht wirklich nur ein Blatt, Blatt IV in Ihrem eigenen Rechnungsabschluss, sich dort die Kennzahlen anschauen und man erkennt, dass das, was Sie uns jetzt probiert haben, hier eine Stunde lang zu erklären, von vorne bis hinten nicht stimmt.

 

Sie haben ja auch den Medien absichtlich genauso falsch suggeriert, dass dann die Schlagzeilen in der „Presse“ und im „Kurier“ sind: Unglaublich, Wien macht nicht 1,4 Milliarden EUR Minus, nein, wir haben 305 Millionen EUR Plus gemacht. Es stimmt nicht. Sie nehmen eine Zahl, das Nettofinanzierungssaldo, aus der Cashflow-Rechnung heraus - das ist nicht einmal am Ende der Liste der Cashflow-Rechnung, das ist in der Mitte -, wo einmal ein Plus von 305 Millionen EUR dabei ist, und sagen: Bist du deppert? Leiwand, das sind 305 Millionen EUR Gewinn, und die Medien übernehmen es ungefragt.

 

Jetzt verstehe ich schon: In den Redaktionsstuben sitzen nicht dauernd irgendwelche Wirtschaftswissenschaftler, BWLler oder Betriebswirte. Die vertrauen halt wirklich noch in die Politik und vor allem auf das, was der Herr Finanzstadtrat erzählt. Es stimmt aber nicht. Sie nehmen da einfach das Nettofinanzierungssaldo von 305 Millionen EUR und sagen, das ist das Plus, das ist der Gewinn. Das ist komplett falsch, Herr Stadtrat.

 

Sie können auch nicht sagen, wir haben mehr investiert als jemals zuvor, wenn Sie selbst in Ihren eigenen Zahlen angeben, dass Sie den Voranschlag von 1,3 Milliarden EUR für investive Gebarung allein in der Cashflow-Rechnung gemacht haben und dann am Ende 300 Millionen weniger ausgeben. Das sind nämlich genau die 300 Millionen EUR, die Ihnen in der Cashflow-Rechnung übrig bleiben. Das ist nur nicht der Gewinn. (GR Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Ah!)

 

Also, wenn Sie mit so einer Präsentation in die Privatwirtschaft gehen - und Sie haben sich selbst auf die Privatwirtschaft berufen -, dann fragt man, ob das ein Volltrottel ist, der hier so etwas referiert. Es tut mir leid. (Widerspruch bei der SPÖ.) Es tut mir leid. Es ist so.

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl (unterbrechend): Kollege Nepp, ich darf dich bitten, deine Worte zu mäßigen.

 

StR Dominik Nepp, MA (fortsetzend): Es tut mir leid. Ich bin echt sauer, denn ich möchte mich hier nicht eine Stunde lang in einem Referat frotzeln lassen, das von vorn bis hinten nicht stimmt. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Schauen wir uns an, wie Gewinn berechnet wird! Es gibt ja sicher Betriebswirte hier bei euch. (GR Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Nicht viele!) - Das sind Erträge gegen Aufwendungen. (Zwischenruf bei den NEOS.) Genau diese Art von Einnahmen-Ausgaben-Rechnung findet sich auch auf Seite IV. Schaut da selber nach! Da haben wir Erträge von 16 Milliarden EUR und Aufwendungen von 21 Milliarden EUR. Was bleibt da, wenn man das abzieht? - Das ist nämlich dann genau Ihr Gewinn von 305 Millionen EUR. Das ist er eben nicht, sondern es ist ein Nettoergebnis von 4,8 Milliarden EUR minus. Das ist am Ende des Jahres übrig geblieben: nicht 305 Millionen EUR plus, sondern 4,8 Milliarden EUR minus. Das müssen Sie der Öffentlichkeit doch bitte sagen. Alles andere ist doch wirklich eine Märchenstunde, die Sie uns hier präsentiert haben. (Beifall bei der FPÖ und von GR Wolfgang Kieslich.)

 

Dann sind Sie auch mit den Vermögenswerten gekommen. Ich meine, das hat innerlich geschmerzt. Sie sagen, Wahnsinn, das Vermögen der Stadt ist von 32 Milliarden EUR auf 35 Milliarden EUR angewachsen. Das ist Ihre Zahl hier ganz oben unter Aktiva. Jetzt kommt der Wirtschaftskapazunder Ornig von den NEOS. Sie rühmen sich doch immer damit: Wir sind die Wirtschaftspartei, wir kennen uns in der Wirtschaft aus, wir verstehen alles, und so weiter. (GR Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Nein, nein, ist eh nicht mehr so!) Ich sage ja nur, dass Sie es behaupten.

 

Jetzt gibt es quasi die Bilanz aus Aktiva und Passiva. Der Herr Stadtrat hat gesagt: Wenn man sich das in der Privatwirtschaft anschauen würde, dann wäre das eine Erfolgsgeschichte dieses Unternehmens. So, Herr Ornig, Sie haben einen Punschstand. Ich bringe es jetzt ein bisschen als Bildbeispiel. (Heiterkeit bei GR Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM.) Sie haben einen Punschstand, und dort gibt es Vermögenswerte. Das heißt, Sie haben den Punsch, die Häferln und die Hütte. (GR Markus Ornig, MBA: Anlagevermögen!) O je. Es gibt Umlaufvermögen und Anlagevermögen. Ich erkläre es Ihnen vielleicht noch einmal. (GR Markus Ornig, MBA: Der kennt sich aus!) Also, wenn Sie jedenfalls Ihren Punschstand haben und dieses komplette Unternehmen verkaufen, dann bekommen Sie Geld. Was müssen Sie mit dem Geld machen? - Die Schulden bei der Bank zahlen, das heißt, die Fremdmittelbedienung. Dann sollte eine Kennzahl übrig bleiben, das ist quasi ein Ausgleichsposten. Das haben Sie sogar richtig hingeschrieben. (GR Markus Ornig, MBA: ... großer Unterschied!) Das ist das Eigenkapital. Bei einem gesunden Unternehmen sollte das ein bisschen über 30 Prozent liegen. Dann ist man super unterwegs. Die Banken sind glücklich. Sie werden weiter finanziert.

 

Wie schaut es in der Stadt Wien aus? Damit haben Sie sich ja gerühmt, Herr Stadtrat, mit dem Nettovermögen. Sie haben gesagt, 35 Milliarden EUR haben wir an Nettovermögen, es ist also Vermögen angewachsen. Sie haben einfach die Aktiva-Zahl genommen. Jetzt rechnen wir gegen die kompletten Schulden, die Sie haben: Fremdmittel langfristig, kurzfristig, et cetera. Das heißt: Was bleibt übrig, wenn man die komplette Stadt Wien, wie Sie gesagt haben, als Unternehmen, und zwar als Erfolgsgeschichte sieht und die komplette Stadt Wien mit all dem Vermögen, das man hat, verkauft? - 21 Milliarden EUR Schulden. Das bleibt übrig. 21 Milliarden EUR an negativem Eigenkapital.

 

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