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Gemeinderat, 39. Sitzung vom 20.06.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 39 von 110

 

auch prüfen, ob nicht eine gesetzliche Grundlage für die Partizipationsmöglichkeiten in der Stadt und in den Bezirken von Vorteil wäre, um das Erprobte abzusichern. Und: Der angesprochene Hub soll die zentrale Anlaufstelle für Demokratie und Partizipation sein.

 

Die Weiterentwicklung unserer Demokratie werden wir mit ExpertInnen diskutieren, aber vor allem mit den Betroffenen, mit der Wiener Bevölkerung. Da wiederhole ich mich an dieser Stelle sehr gerne: Dieses Einbinden der Bevölkerung muss unabhängig davon sein, wie alt die Menschen in Wien sind, welches Geschlecht sie haben, wie viel sie verdienen oder nicht verdienen und vor allem, woher sie kommen. Wenn wir über Partizipation sprechen - das haben wir auch bei der Enquete diskutiert -, dann müssen wir auch so selbstkritisch sein und bei unseren Formaten sagen: Die Einladung allein reicht nicht, es reicht nicht, allein die Einladung auszusprechen. Man muss mehr tun, wie aktiv zu kommunizieren, wir müssen die Leute vor Ort aufsuchen, wir müssen sie abholen, niederschwellig arbeiten und mit einer Sprache, die von allen verstanden wird. Ich hoffe, dass mir das hier heute auch gelingt. All das haben wir in dem vorliegenden Antrag niedergeschrieben. Ich darf alle Kolleginnen und Kollegen um Zustimmung zu diesem Antrag ersuchen.

 

Weil ich das gerade angesprochen habe: das Einbinden aller, egal, welcher Abstammung. - Das bringt mich zu einem zentralen Anliegen meiner Fraktion und, wenn ich es sagen darf, auch von mir persönlich. Österreich hat das restriktivste StaatsbürgerInnenschaftsrecht in Europa und eine der niedrigsten Einbürgerungsquoten. Das führt dazu, dass ein Drittel aller Wienerinnen und Wiener im wahlfähigen Alter nicht wählen dürfen, weil sie keine österreichische StaatsbürgerInnenschaft haben. In meinem Bezirk in Margareten ist diese Zahl noch höher. Das trifft auch auf andere Bezirke zu: Rudolfsheim-Fünfhaus, Favoriten oder Brigittenau. Obwohl diese Menschen seit Jahren hier leben, arbeiten, Steuern zahlen und zu unserer Gemeinschaft Wertvolles beitragen, dürfen sie nicht wählen. Dieser Zustand ist nicht mehr hinnehmbar, das müssen wir ändern. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

 

Es ist genau dieser Widerspruch. Ich habe von Grätzlinitiativen gesprochen: Wir haben vor Kurzem in Margareten - StR Czernohorszky war beim Spatenstich vor Ort - einen Park neu gestaltet, den sogenannten Hochhauspark im Theodor-Körner-Hof, das erste Wohnhochhaus in Wien, Sie kennen das sicher alle. Dieser Park ist ein zentraler Anlaufpunkt für Kinder, Jugendliche, Erwachsene, SeniorInnen und Leute, die auf den Bus warten. Mit denen haben wir uns jetzt Zeit genommen, gemeinsam mit der Agenda und der Parkbetreuung, und zwölf Monate die Neugestaltung durchbesprochen - übrigens alles, nicht nur die Farben von Bänken, sondern: Wie soll euer zweites Wohnzimmer, dieser Park ausschauen? Ganz viele haben sich beteiligt, weil wir das niederschwellig gemacht haben, weil wir die Leute aufgesucht haben. Ich danke den Kolleginnen und Kollegen und vor allem der Frau Bezirksvorsteherin, dass das so gut und intensiv gemacht wurde.

 

Nächstes Jahr sind Wahlen und in zwei Jahren sind Wahlen. Wie Sie sich vorstellen können, machen wir, aber auch andere Fraktionen dort gerne Wahlkampf, weil dort viele Leute sind. Die Leute kennen mich, die Leute kennen die Frau Bezirksvorsteherin, die Leute kennen andere von uns. Dann treffen wir sie wieder, genau diese Leute, die sich bei diesem Format eingebracht haben. Wie soll die Bank ausschauen? Wo brauche ich Schatten, wo brauche ich Wasser? Wo ist der Platz für meinen Hund? - Diese Leute sagen mir dann: Schön, dass du heute kommst, schön dich wieder zu sehen, aber wählen darf ich nicht! Ich wohne hier seit 30 Jahren, ich habe hier gearbeitet, jetzt bin ich in Pension, aber ich habe keine Staatsbürgerschaft und darum darf ich nicht wählen. - Das, meine Damen und Herren, ist unerträglich, und ich will das ändern. (Beifall bei SPÖ, NEOS und GRÜNEN.)

 

Und weil immer so getan wird, als wäre das in Stein gemeißelt: Heute wurde auch schon ein Blick in die Geschichte gewagt. Schauen wir uns die Geschichte des Wahlrechts an, denn auch das entwickelt sich immer weiter, aber auch nicht von selber, das musste erkämpft werden, auch in Österreich! Das allgemeine Wahlrecht, das Frauenwahlrecht, das haben wir alles noch nicht so lange, darauf müssen wir auch gut aufpassen. Das heißt, das muss sich weiterentwickeln, und unser Anspruch im 21. Jahrhundert ist, dass alle, die hier wohnen, alle, die hier leben und sich einbringen, wählen können sollen. Sie müssen das Recht haben, wählen zu können. (Beifall bei SPÖ, NEOS und GRÜNEN.)

 

Besonders unerträglich finde ich die Situation bei Kindern und Jugendlichen. Ob ich es 2025 wieder machen werde, weiß ich nicht, das kommt auf den Klub und auf meine Partei an, ob sie mich auf Grund meines fortgeschrittenen Alters noch einteilen werden, aber bisher habe ich in den letzten Wahlkämpfen immer wieder in Schulen diskutiert. In Margareten, vor allem in der HAK am Margaretenplatz diskutieren wir - es sind Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fraktionen, teilweise aus der Bezirksvertretung oder aus dem Gemeinderat anwesend - unterschiedliche Positionen. Wir diskutieren das mit den Schülerinnen und Schülern, und ich frage dann immer am Ende der Diskussion: Wer von euch ist wahlberechtigt? - Und dann zeigt in Margareten nicht einmal die Hälfte auf. Das finde ich beschämend. Ich finde das beschämend, dass wir hingehen und sagen: „Ihr seid wichtig! Ihr sollt mitreden! Wir machen das für euch!“ Und dann frage ich diese 17-jährigen Margaretner Kids, und sie dürfen nicht wählen. Ich als Bezirksrat habe diesen Margaretner Kindern im Jugendzentrum versprochen: Ich werde dafür sorgen, dass sich das ändert, und ich werde es auch als Gemeinderat machen, und ich mache das gemeinsam mit meiner Fraktion. Ich mache das gemeinsam mit dem Herrn Bürgermeister und mit dieser Stadtregierung, und darauf bin ich stolz. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

 

Diese angesprochenen Jugendlichen haben auch Eltern. Diese Eltern arbeiten, wenn sie eine Arbeitsstelle haben. Das sind die Eltern, die heute diesen Sitzungssaal zusammenräumen, wenn wir hier fertig sind, die in der Nacht diesen Sitzungssaal wieder so herrichten, dass wir arbeiten können. Das sind die Leute, die mit dem Rad oder mit dem Moped das Essen bringen, weil wir am Wochenende nicht kochen wollen. Das sind die Leute, die

 

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