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Gemeinderat, 37. Sitzung vom 25.04.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 83 von 103

 

Der Primar der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde in der Klinik Floridsdorf hat im November gekündigt. Kündigungsgrund: Personalmangel. Reaktion vom WIGEV: interne Personalverschiebungen. Herr Stadtrat, Personal ist kein Strudelteig, der sich beliebig in alle Richtungen ziehen lässt.

 

Letzte Woche wurden zwei weitere Desaster öffentlich: Die zeitweise Schließung der Notaufnahme in der Klinik Ottakring, auch auf Grund des Personalmangels, wird - ist noch nicht, aber wird - erwogen. Und die neurochirurgische Abteilung der Klinik Donaustadt muss in den nächsten Monaten, ebenfalls wegen Personalmangel, temporär schließen. Der Ärztliche Direktor der Klinik Donaustadt Lothar Mayerhofer nennt das ein Novum und präzedenzlos. Ich nenne es skandalös! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Solche Geschehnisse müssten alle Beteiligten wahrlich wachrütteln. Herr Stadtrat. Worauf warten Sie noch, auf den SuperGAU?

 

Zur Lösung all dieser Probleme braucht es Kompetenz, das haben Sie, aber auch Willen, und der ist offenbar unterentwickelt.

 

Das andere, meine Damen und Herren, ist Mitgefühl für die Kranken, die unter dem System leiden und enorme Ängste haben. Stellen Sie sich vor, wie es den betroffenen Menschen geht! Da geht es nicht um eine Sache, meine Damen und Herren, da geht es um Menschen mit Ängsten, mit Schmerzen, mit Sorgen. So ergeht es zum Beispiel jener Frau, die vor zwei Tagen operiert werden sollte, und erst kurz vor der OP, bereits am Tropf hängend, hat man festgestellt, dass der Arzt für die Narkose nicht da ist - sie ist bis heute noch nicht operiert.

 

Meine Damen und Herren, wie geht es hochaltrigen Menschen, die man auf später vertröstet, was sie vielleicht nicht mehr erleben? Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, denken Sie einmal daran - jeder für sich -, wir alle haben nur ein Leben, und dieses Leben wollen wir alle sehr sorgsam behandelt wissen - ich glaube, das können alle von uns sagen. Da geht es eben, wie ich schon gesagt habe, nicht um eine Sache, sondern um Menschen in Extremsituationen. Hinter jeder Gefährdungsmitteilung stehen Einzelschicksale - das muss man sich gerade in diesem Bereich immer vor Augen halten.

 

Die Hauptursache der ganzen Schwierigkeiten sind natürlich der Personalmangel - beim ärztlichen Personal nicht so viel, aber noch viel mehr im Pflegebereich - und natürlich Strukturprobleme. Weil immer gesagt wird, dass wir zu wenig Ärzte haben: Bitte, laut OECD stehen wir bei den OECD-Ländern an 2. Stelle! Wir haben Ärzte genug, sie sind nur falsch eingesetzt, sie sind nur … (GR Kurt Wagner: Ja, aber das sind Wahlärzte, das wissen Sie genauso gut wie ich!) - Kollege Wagner? (GR Kurt Wagner: Das sind Wahlärzte, das wissen Sie genauso gut wie ich!) - Ja, ja, aber Probleme sind da, um gelöst zu werden. Grundsätzlich kann man aber nicht sagen: Wir haben zu wenige Ärzte. Wir haben Ärzte genug, aber sie sind teilweise falsch eingesetzt. Der Rektor der MedUni Wien Markus Müller hat das zum Beispiel vorige Woche auch sehr klar bestätigt.

 

Wir haben zwar genug Ausbildungsplätze, wir haben 1.000 Praktikumsplätze, das bringt aber nichts, wenn sie nicht besetzt werden. Sehen wir uns die Zahlen für 2021 an: 185 dieser 1.000 Plätze, also ein Fünftel, waren nicht besetzt. Daher gibt es nicht zu wenige Medizinabsolventen, diese wollen nur nicht in Wiener Spitälern arbeiten. Aber warum bloß, Herr Stadtrat? Dazu kommt, dass seit 2017 320 Ärzte den Wiener Gesundheitsverbund verließen - nicht aus Altersgründen, sie wollten einfach nicht mehr. Warum bloß, Herr Stadtrat? Das Personal kündigt reihenweise, innerhalb von 4 Jahren stieg die Zahl der Kündigungen, gerade im Pflegedienst, um 1 Drittel - um 1 Drittel - auf knapp 900. Warum bloß, Herr Stadtrat? Und jene, die bleiben, werden krank. 2019 betrugen die Krankenstände in der Pflege 19,3 Tage, letztes Jahr bereits 28,2 Tage - auch 1 Drittel. Warum bloß, Herr Stadtrat?

 

Ich würde sagen, die städtischen Spitäler haben offenbar ein sehr schweres Imageproblem, das auf ein tiefsitzendes Strukturproblem schließen lässt. Das Strukturproblem haben wir zum Beispiel auch bei der Digitalisierung. Nur einige Beispiele, weil mein Kollege Holawatsch stärker darauf eingehen wird: Die Ambulanzen arbeiten weiterhin mit unterschiedlichen EDV-Systemen, das heißt, vieles ist nicht kompatibel. Die Systeme dürften teilweise vorsintflutlich sein. Es lassen sich nicht einmal die Wartezeiten auswerten. Es gibt noch immer keine virtuellen Arzttermine, obwohl laut einer Studie 60 Prozent der Befragten sich das wünschen. Die elektronische Patientenkurve lässt weiter auf sich warten und Online-Terminvereinbarungen gibt es lediglich in der Klinik Hietzing und in Floridsdorf. Dabei wären gerade die digitalen Möglichkeiten im Gesundheitsbereich unglaublich wichtig. Es gibt sehr, sehr viele Möglichkeiten und sie würden dem Personal, aber natürlich auch den Kranken das Leben sehr, sehr erleichtern. (Beifall bei der ÖVP.) Daher, Herr Stadtrat: Unternehmen Sie endlich etwas! Wien muss im Gesundheitsbereich endlich im Digitalisierungszeitalter ankommen.

 

Sehr geehrter Herr Stadtrat, Sie werden ja nun die Dringlichen Anfragen beantworten. Ich sage Ihnen gleich vorweg - man weiß immer, wie man bei mir dran ist -, was ich nicht hören möchte: Der Bund ist schuld. Oder Beschwichtigung à la Gefährdungsmeldungen, das ist etwas Alltägliches, das ist nicht mein Job, Dienstpläne zu erstellen, es ist völlig normal, dass Abteilungen und Betten gesperrt werden. All das will ich nicht hören.

 

Ob ich das hören will, wird Sie wahrscheinlich gar nicht so interessieren, aber viel wichtiger ist, dass das auch die Menschen nicht hören wollen. Die Menschen in Wien wollen Lösungen hören und möchten die Sicherheit, im Krankheitsfall dementsprechend gut versorgt zu werden. Sie, Herr Stadtrat, ich kann es nicht oft genug wiederholen, tragen die politische Verantwortung. Sie sind zuständig. Von Ihnen erwarten wir die Lösungen und nicht das Prolongieren eines Zustandes. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Das heißt konkret, wir brauchen folgende Sofortmaßnahmen: Wir brauchen endlich die Reform des Wiener Gesundheitsverbundes. Drei Gesundheitsstadträte haben das schon versprochen, passiert ist es noch nicht. Sie sind einer davon, aber zwei Stadträtinnen vor Ihnen haben das auch schon in Angriff genommen. Wir brauchen im Zuge

 

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