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Gemeinderat, 37. Sitzung vom 25.04.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 19 von 103

 

Lassen Sie mich heute mit einem Zitat beginnen, das uns in den letzten Wochen erreicht hat, wo wir uns das Thema Fachkräftemangel über das NEOS Lab genauer angeschaut haben, um die Situation zu diesem Thema ein wenig zu beschreiben: Vor einigen Jahren noch haben sich auf 1 Stellenausschreibung 20 bis 50 BewerberInnen gemeldet und wir konnten auswählen. Heute kommt es immer wieder vor, dass ich gar keine Bewerbungen bekomme und einen Headhunter beauftragen muss. Im privaten Bereich spüre ich den Arbeitskräftemangel eigentlich noch deutlicher, da immer mehr Gasthäuser deswegen zusperren.

 

Das kommt Ihnen bekannt vor, meine Damen und Herren? Ja, denn nicht nur Unternehmer, sondern wir alle spüren mittlerweile den Arbeitskräftemangel deutlich, beispielsweise, wenn man als Pflegerin vermehrt Überstunden leisten muss, wenn wir sehen, dass PädagogInnen für unsere Kinder fehlen oder wenn niemand mehr deine PV-Anlage, für die du dich aus Klima- oder Kostengründen entschieden hast, montieren kann.

 

Und dieser Mangel schadet natürlich massiv unserer Wirtschaft und bedroht damit unseren Wohlstand. Wir haben derzeit in Österreich über 100.000 offene Stellen, die beim AMS gemeldet sind. Viele Unternehmer suchen aber gar nicht mehr über das AMS, und Schätzungen anhand von Jobinseraten gehen davon aus, dass es weit mehr als doppelt so viele Stellen sind, die in Österreich derzeit unbesetzt sind. Die Zahlen von Eurostat zeigen, dass die Personalnot in der EU nirgends größer ist als in Österreich, und bis 2040 könnten sogar bis zu 360.000 Arbeitskräfte fehlen.

 

So erfreulich es also ist, dass sich der Arbeitsmarkt in unserem Land und auch in Wien - Kollege Meidlinger hat das schon angesprochen - nach der Pandemie sehr rasch erholt hat, wir Rekordbeschäftigung haben und auch mit der Arbeitslosigkeit wieder deutlich unter dem Vorkrisenniveau liegen, so sehr leiden wir mittlerweile an einem ausgeprägten Arbeitskräftemangel. Dieser hat unterschiedliche Gründe und auch zu seiner Linderung gibt es unterschiedliche Hebel. Als Stadt Wien können wir hier in erster Linie bei der richtigen Aus- und Weiterbildung von den Wienerinnen und Wienern ansetzen. Das tun wir seit Beginn der Fortschrittskoalition massiv. Als zentrales arbeitsmarktpolitisches Steuerungsinstrument haben wir dazu den WAFF zur Verfügung, der viele Initiativen zur Fachkräftesicherung abwickelt. So erweitern wir beispielsweise die Kapazität der Initiative „Job PLUS Ausbildung“ heuer massiv, hier geht es auch um den Bereich der Pflegekräfte. Zusätzlich sollen über diese Schiene auch ElementarpädagogInnen und SozialpädagogInnen in Kooperation mit der Stadt Wien ausgebildet werden. Auf die Lehrlinge und die Lehrlingsausbildungsbetriebe wird mein Kollege Markus Ornig noch eingehen, eine ganz wichtige Stellschraube für die Fachkräftesicherung. Ebenfalls unter den Bereich Fachkräftesicherung fällt die Ausbildungsinitiative für Frauen für ein berufsbegleitendes Studium im Bereich Digitalisierung, Naturwissenschaft und Technik, oder auch die Wiener Pflegeausbildungsprämie. Wir haben als Fortschrittskoalition das Thema Fachkräftesicherung sehr frühzeitig erkannt und daher im Koalitionsabkommen die Errichtung des Fachkräftezentrums vereinbart, in den letzten beiden Jahren sehr intensiv daran gearbeitet und werden heuer mit dem 1. Wiener Fachkräftereport hier auch die operative Arbeit aufnehmen.

 

Sie sehen also, Wien nimmt in diesem Bereich wieder eine Vorreiterrolle ein, und ich bin mir sicher, dass wir mit dieser Initiative die zentralen Zukunftsbranchen hier richtig aufgleisen. Klar ist aber auch, dass Aus- und Weiterbildung alleine nicht ausreichen werden, um dem insgesamt gestiegenen Fachkräftebedarf und Arbeitskräftebedarf - muss man ja mittlerweile sagen - zu begegnen. Hier bräuchte es, auch ganz entscheidend, zentrale Reformen auf Bundesebene, um für ArbeitnehmerInnen unser Land wieder attraktiv zu machen. Das ist derzeit nicht der Fall. Wir bräuchten dringend Anreize für mehr Vollzeit, etwa durch einen Vollzeitbonus, wir brauchen Rechtsanspruch für flächendeckende Kinderbetreuung, wir müssten uns anschauen, wie wir qualifizierte Arbeitskräfte nach Österreich bekommen, beispielsweise mit einem Einwanderungsgesetz nach kanadischem Vorbild, und selbstverständlich braucht es auch die Möglichkeit, vom Asylverfahren in die Rot-Weiß-Rot-Card wechseln zu können, insbesondere als die Asylverfahren in Österreich leider nach wie vor viel zu lange dauern.

 

Was wir auf jeden Fall keinesfalls brauchen, ist ein politisches Klima, das alles Fremde nur als Problem sieht. Derzeit fährt allerdings auch die ehemalige Wirtschaftspartei ÖVP genau diesen Kurs, blanker Populismus wie die Blockaden ...

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl (unterbrechend): Kollege Konrad, ich bitte dich um den Schlusssatz, die Zeit ist schon abgelaufen.

 

GR Mag. (FH) Jörg Konrad (fortsetzend): Jawohl, ich komme zum Ende. Also Populismus wie die Blockade des Schengen-Beitritts oder die Abschiebung von Fachkräften wie kürzlich bei der indischen Familie aus Haslach, wo wir Mangelberufe abgeschoben haben, ist einfach aus menschlicher Sicht absurd und wirtschaftspolitisch ein kompletter Irrsinn, meine Damen und Herren. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Zu Wort gemeldet ist GR Arsenovic. Bitte.

 

10.49.24

GR Johann Arsenovic (GRÜNE)|: Sehr geehrter Herr Stadtrat! Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Werte ZuseherInnen! Werte Kollegen und Kolleginnen!

 

Die Schwierigkeit, MitarbeiterInnen zu finden, zieht sich mittlerweile quer durch alle Branchen und wird leider, wie wir heute schon gehört haben, auch noch verschärft durch die demographischen Entwicklungen, die geburtenreichen Babyboomer-Jahrgänge. Und jetzt die schlechte Nachricht, liebe KollegInnen, ja, das ist schon die Mehrheit von uns, die verlassen jetzt bald den Arbeitsmarkt.

 

Wir sprechen mittlerweile ja nicht nur vom Fachkräftemangel, wir sprechen generell bereits von einem Mangel am Arbeitsmarkt. Und das hat nicht nur Auswirkungen auf die Wirtschaft, sondern leider eben auf die gesamte Gesellschaft. Von daher ist es wirklich notwendig, an vielen Schrauben gleichzeitig zu drehen, um rasch, um effizient und vor allem auch anhaltend gegenzusteuern.

 

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