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Gemeinderat, 36. Sitzung vom 23.03.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 67 von 95

 

ein Tschusch ist. Das Einzige, was ich verstanden habe, war Kind, weil ich selber noch ein Kind war. Es hat dann wahrscheinlich eine Woche gedauert, bis ich mich wieder getraut habe, in die Schule zu gehen. Ich habe ständig berichtet, ich habe Bauchschmerzen, obwohl ich keine hatte. Viele, die Kleinkinder haben und viele, die Kinder haben, wissen, welche Symptome sich dann auswirken, wenn die Seele der Kinder ein bisschen verletzt ist.

 

Man braucht sich nicht zu wundern, dass ich heute antirassistische Anträge einbringe und dass mich die Aussagen eines Waldhäusl natürlich aufregen, weil es nicht sein kann, dass politische Vertreter Menschen ausgrenzen, weil es nicht sein kann, dass genau diese politischen Vertreter, die rassistische Äußerungen tätigen, trotzdem mit politischen Ämtern belohnt werden, und weil es nicht sein kann, dass für diese rassistischen Äußerungen, die ja eine Wahnsinnsverletzung unserer Gesellschaft hervorrufen, gar keine politischen Konsequenzen erfolgen. Das ist ein Wahnsinn im Jahr 2023, gerade in Österreich mit so einer Vergangenheit. Das darf einfach nicht der Fall sein, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei GRÜNEN, SPÖ und NEOS.)

 

Weil es nicht sein kann, dass menschenfeindliches Gedankengut in unserer Gesellschaft normalisiert wird, weil die Normalisierung viel gefährlicher ist als die Tat selber, und weil es nicht sein kann, dass Rassisten der Meinung sind, dass sie Menschenkinder einfach so in Mülltonnen werfen, nur weil diese Menschenkinder nicht in ihr Weltbild passen.

 

Was in diese dreckigen Mülltonnen gehört, sind nicht Menschenkinder, sondern das ist der Rassismus, der sich in der Gesellschaft immer wieder verbreitet und auch das gesellschaftliche Klima immer wieder vergiftet, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.

 

Weil es mir gerade eingefallen ist: Das war ja genau die Blütezeit von Jörg Haider, als es einfach Mainstream war, gegen andere zu hetzen und gegen andere Gruppierungen vorzugehen, weil es einfach sehr modern war, Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter gesellschaftlich abzuwerten.

 

Dieses rassistische Gedankengut hat es natürlich nicht nur in Österreich gegeben, sondern auch im Irak. Der damalige Diktator und auch Rassist Saddam Hussein, ein guter Freund von Jörg Haider - das wissen viele von uns -, hat sich gedacht: Okay, andere haben es uns vorgemacht. Wir können ihnen das nachmachen. Das war genau am 16. März 1988. Da hat er die kurdisch besiedelte Stadt Halabdscha mit einem Giftgasangriff angegriffen und dann dort um die 5.000 Kurdinnen und Kurden vergast. Die meisten dieser Opfer waren leider Frauen und Kinder, weil man am Anfang meinte, das ist ja ein süßlicher Apfelgeruch, der so in der Luft schwebt. Viele wussten nicht einmal, was ein Giftgasangriff ist. Viele schafften deswegen auch die Flucht nicht.

 

Über 10.000 Menschen tragen immer noch die gesundheitlichen Schäden von diesem Giftgasangriff. Wenn wir uns die Region Halabdscha anschauen, dann merken wir, dass dort die Infrastruktur massiv zerstört ist, dass die Menschen dort einfach kein sauberes Wasser haben und der Boden verseucht ist. Einige der Probleme in dieser Region sind Krebs, Hauterkrankungen und Atemwegserkrankungen. Sie haben nicht nur das Menschenleben ausgelöscht, sie haben dort auch das Leben für viele unmöglich gemacht.

 

Nach 35 Jahren hat sich die Situation heute ein bisschen gebessert. Für die Opfer und Hinterbliebenen ist aber immer noch nicht Gerechtigkeit eingekehrt.

 

Es freut mich vor allem, dass von den KollegInnen aus der SPÖ, von den NEOS und auch von den KollegInnen aus der Volkspartei hier Unterstützung kommt, dass wir als Wiener Gemeinderat und als Menschenrechtsstaat Wien diesen Giftgasangriff auf Halabdscha heute als Genozid, als Völkermord anerkennen. (Beifall bei GRÜNEN, SPÖ und NEOS.)

 

Die Anerkennung dieser Gräueltaten hat eine symbolisch wahnsinnig wichtige Kraft, vor allem für die Opfer und Hinterbliebenen, die immer noch nach Gerechtigkeit suchen. Bei der Anerkennung von Menschenrechtsverletzungen und auch von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, bei Massakern, Völkermorden, wie auch immer sie heißen - so wie bei Menschenrechtsverletzungen gegen die Hazara, liebe Frau Kollegin Bakos -, dürfen wir hier einfach nicht wegschauen. Wir müssen diese Menschenrechtsverletzungen, diese Gräueltaten anerkennen, damit sich diese Gräueltaten, diese menschlichen Verbrechen, in Zukunft nicht wiederholen.

 

Ich bedanke mich noch einmal für die Unterstützung und die Zustimmung zu diesem Mehrparteienantrag.

 

Ich hoffe, dass wir zumindest immer wieder ein Herz bei Menschenrechtsverletzungen und auch bei Frauenrechtsverletzungen haben werden. Dazu werden wir heute auch einen anderen Antrag einbringen. Danke nochmals für die Zustimmung und die Unterstützung. (Beifall bei GRÜNEN, SPÖ und NEOS.)

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Zu Wort gemeldet ist GRin Hungerländer. Ich erteile es ihr. (Zwischenruf von ans Pult tretenden GRin Mag. Heidemarie Sequenz.) Nach meiner Liste ist Frau GRin Hungerländer dran. (Weiterer Zwischenruf von GRin Mag. Heidemarie Sequenz sowie Zwischenruf von GRin Mag. Caroline Hungerländer.) Bitte schön, dann müssen die Schriftführer das auch klar kommunizieren.

 

16.10.54

GRin Mag. Caroline Hungerländer (ÖVP)|: Gut, dann rede ich jetzt vor der Kollegin Sequenz.

 

Offensichtlich ist es wie jedes Jahr notwendig, dass ich erkläre, warum wir der Förderung dieses ZARA-Menschenrechtsberichtes nicht zustimmen. Ich wiederhole mich da, aber ich mache das durchaus gerne.

 

Schauen Sie, es gibt zwei Kategorien von: Es ist etwas Rassistisches passiert. Einerseits: Es ist tatsächlich etwas Rassistisches passiert. Das muss strafrechtlich abgedeckt sein, das muss angesprochen und dokumentiert werden.

 

Zweiter Fall: Es war vielleicht - ich zitiere jetzt Stellen aus dem Rassismusbericht - eine Nachbarschaftsstreitigkeit. Der Nachbar war tatsächlich laut, und irgendwo in dieser Streiterei hat sich dann eine Partei rassistisch angegriffen gefühlt.

 

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