Gemeinderat, 36. Sitzung vom 23.03.2023, Wörtliches Protokoll - Seite 8 von 95
Wirtschaft, Arbeit, Internationales und Wiener Stadtwerke gerichtet. In dieser Anfrage geht es um den Wiener Schutzschirm zur Sicherung der Energieversorgung. (Herr Stadtrat! Heute wird der eigene Wiener Schutzschirm zur Sicherung der Energieversorgung beschlossen. Könnten Sie uns darstellen, wie er konstruiert ist und wieso er notwendig ist?)
Bitte schön, Herr Stadtrat.
Amtsf. StR KommR Peter Hanke: Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich durfte ja auch letzte Woche in der Untersuchungskommission bereits sehr intensiv über diese Problematik der Energiekrise mit Ihnen diskutieren und auch als Zeuge zur Verfügung stehen und sagen, wie ich die Einschätzung dieser einmaligen und noch nie dagewesenen Energiekrise sehe und beurteile.
Ich möchte jetzt keine Abhandlung dieser fünf Stunden der letzten Woche wiedergeben, aber ich möchte ganz kurz klar sagen: Mein oberstes Ziel ist es, die Versorgungsicherheit für eine Großstadt wie Wien mit zwei Millionen Kundinnen und Kunden sicherzustellen. Dem ist alles andere unterzuordnen. Dieses Unterordnen bedeutet auch, dass man manchmal - so wie wir hier heute diesen Antrag für diesen Wiener Schutzschirm haben - einen klaren Schritt nach vorne machen muss.
Ich darf die Notwendigkeit dieses Schutzschirms noch einmal ein Stück weit ausführen und erklären, warum er aus meiner Sicht so wichtig ist. Einerseits haben wir jetzt über ein Jahr diesen Angriffskrieg der Russischen Föderation gesehen und wissen nicht, wie dieser Krieg weitergeht. Wenn wir nicht wissen, wie dieser Krieg weitergeht, bedeutet das aber auch, dass wir nicht wissen, wie sich die Energiepreise weiterentwickeln werden, die ja in diesen letzten zwei Jahren total außer Rand und Band geraten sind. Wir kennen alle die Kurve, die stark gestiegen ist und jetzt wieder eine fallende ist, bei der wir durch einen Rückgang im Energiebedarf für Gas und auch im Strombereich zwar nicht mehr die historischen Werte sehen, aber nicht mehr diese Spitzenpreise vor uns haben. Dennoch müssen wir weiterhin davon ausgehen, dass es Verwerfungen auf den Energiemärkten geben kann.
Diese Ausgangslage, dass wir davon ausgehen müssen, bedeutet, dass wir Vorsorge zu treffen haben. Wir haben mit der Wien Energie zum Glück ein Unternehmen, das betriebswirtschaftlich sehr gut aufgestellt ist. Für all das aber, was an Sicherheitsleistungen notwendig wird, um für einen allenfalls wiederholten Anstieg bei den Energiepreisen wirklich vorbereitet zu sein, müssen wir jetzt Sicherheit geben.
Einem Unternehmen, das zwei Millionen Kundinnen und Kunden hat, in Zeiten wie diesen Sicherheit zu geben, bedeutet: Wir müssen einen Wiener Schutzschirm spannen, um für Liquiditätsnotwendigkeiten gerüstet zu sein - nicht für die normale Geschäftsaktivität, sondern rein für diese Sicherheitsleistungen, die an der Börse zu hinterlegen sind. Denn wenn mit Strom gehandelt wird, dann gibt es eben diese bekannten Margin-Leistungen. Es ist wichtig, dass dieses Hinterlegen auf der Warenbörse passiert, weil die Warenbörse so ein sicheres Instrument für Käufer und Verkäufer darstellt. Deshalb ist es zum Wohle der Kundinnen und Kunden, zum Wohle der Wien Energie und zum Wohle der Versorgungssicherheit in dieser Stadt unumgänglich, diesen Wiener Schutzschirm zu spannen. Deshalb gibt es heute hier auch diesen Antrag über diese 2 Milliarden EUR, die wir nicht für 1 Jahr, sondern schon jetzt mit dem Weitblick nach vorne für 2 Jahre in Position bringen wollen und sogar sagen: Lasst uns, wenn nötig, allenfalls ein weiteres Jahr dranhängen!
Wenn Sie sich die allgemeine Situation hernehmen, die sich heute für uns stellt, dann ist das noch nicht zufriedenstellend, denn dann sage ich einerseits: Wir wissen nicht, wie der Krieg in der Ukraine weitergeht. Wir wissen aber auch, dass wir Schwierigkeiten haben könnten, wenn wir uns die europäische Landkarte hernehmen. Denn wenn wir sehen, dass in Deutschland im heurigen Jahr drei Atomkraftwerke abgeschaltet werden, wenn wir wissen, dass wir in Frankreich technische Probleme in diesem Bereich haben, wenn wir wissen, dass das Kühlen ein Thema ist, das nämlich auch mit der Trockenheit ein Stück weit schwerer geworden ist, wenn wir wissen, dass der letzte Sommer schon ein sehr, sehr trockener war und wenn wir wissen, dass die Speicherkraftwerke in dieser Form nicht die volle Leistung bringen können, dann wissen wir auch, dass es im Sommer, im Herbst und im Winter des nächsten Jahres möglicherweise noch einmal sehr, sehr schwierig werden könnte.
Wir sehen derzeit einen unglaublichen trockenen Winter, der anscheinend in ein Frühjahr mit wenig Niederschlag mündet. Ich darf nur die Bilder generieren, die wir von den letzten Tagen hatten. Wir schaut es denn am Gardasee aus? Wie schaut es denn bei uns mit der Trockenheit am Neusiedlersee, der zwar für die Stromerzeugung nicht wichtig ist - das weiß ich schon -, aus?
Wir haben derzeit von einer wirklich schwierigen Ausgangslage auszugehen. Deshalb ist es mir so ein wichtiges Anliegen, hier klar Schiff zu machen und zu sagen: Lasst uns Vorsorge treffen! Wir wollen nicht überrascht werden. Wir brauchen diese Unterstützung. Wir brauchen diese Liquiditätsoption, die rein für diese Sicherheitsleistung zur Verfügung stehen soll. Die wird uns helfen, das gut zu überstehen. (Beifall bei der SPÖ.)
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Die 1. Zusatzfrage kommt von der SPÖ. Herr GR Hursky, bitte.
GR Christian Hursky (SPÖ): Sehr geehrter Herr Stadtrat, ich darf mich für die sehr informative und ausführliche Antwort bedanken. Ich denke, es haben jetzt viele verstanden, wie die Lage in Österreich ist. Sie sind aber auch ein Mann, der den Blick über den Tellerrand hinweg hat. (Oh-Rufe und Heiterkeit bei StR Dominik Nepp, MA sowie Heiterkeit bei GR Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM.)
Gibt es auch Beispiele im Ausland, die man als Benchmark hergenommen hat, mit denen man sich vergleichen und durch die man auch lernen kann, beziehungsweise auch umgekehrt?
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Herr Stadtrat, bitte.
Amtsf. StR KommR Peter Hanke: Herr Kollege, ja. Wir hier wissen es alle: Ganz Europa hat etwas getan. Wir haben es auf Bundesebene nicht getan. (GR Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Weil es keiner gebraucht hat!)
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