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Gemeinderat, 26. Sitzung vom 21.09.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 76 von 133

 

Sie haben es den eigenen GemeinderätInnen nicht gesagt. Im Großen und Ganzen hat wahrscheinlich niemand von Ihnen eine Ahnung gehabt, was am 15. Juli passiert ist, niemand. Von uns 100 GemeinderätInnen, ich schätze, 2. Vielleicht hat er mit Joe Taucher geredet und mit Barbara Novak, ansonsten mit niemandem.

 

Das ist sozusagen die Offensive, wie man versucht, tatsächlich ein Unternehmen zu retten? Noch einmal, das Vertrauen in die Bundesregierung war groß, weil man gewusst hat, man geht hin, na, selbstverständlich, wer würde denn die Wien Energie sterben lassen in Österreich? Natürlich niemand. Niemand, weil wir wissen, dass es für die Versorgungssicherheit des gesamten Raumes in Ostösterreich wichtig ist.

 

Es ist aber echt nicht nachvollziehbar, warum man es so weit kommen lässt. Der normalste Weg, der allernormalste Weg, den hat irgendjemand heute schon einmal skizziert. Am 15.7., man könnte es ja schon ein paar Tage vorher machen: Zu sehen, okay, die Volatilität steigt, wir brauchen ein erhöhtes Maß an Liquidität. Zuerst redet man mit dem Bürgermeister, Bürgermeister bespricht sich mit der Wien Energie, wie geht das Ganze weiter. Na, vielleicht reichen die ersten 700 Millionen, vielleicht brauchen wir mehr, aber es kann sein, wenn Nord Stream 2 wirklich zu bleibt, et cetera, dass wir ein erhöhtes Maß an Liquidität brauchen. Was hat Sie gehindert, was hat Sie daran gehindert, mit der Bundesregierung zu reden, mit anderen Energieversorgern zu reden? (GR Ing. Udo Guggenbichler, MSc: Weil man durchtauchen wollte!) Brauchen wir einen Schutzschirm, spannen wir einen auf? Das wäre ja passiert, und deshalb ist es tatsächlich nicht nachvollziehbar.

 

Dann haben wir diese Sitzung mit all den Schwierigkeiten, ich habe ja den Vergleich im Finanzausschuss gebracht, diese Situation muss man sich vorstellen. Man steht am Berg auf einer Klippe und hat das Glück, dass der Wind einem ins Gesicht bläst und man nach hinten fällt und nicht nach vorne. Wäre der Preis am Montag weiter gestiegen und nicht gefallen, jede 100-EUR-Megawattstunde wäre 400 Millionen mehr Sicherheitsleistung gewesen, ob das jetzt 350 oder 450 sind, darüber will ich jetzt nicht diskutieren. 300 EUR mehr, das wäre von dem Zeitpunkt gerade einmal noch 30 Prozent zusätzliche Steigerung, noch einmal 1 Milliarde.

 

Sorry, Leute, das ist nicht normal. Wenn man sich dann überlegt, wer jemanden in Schwierigkeiten bringt, dann ist das nicht der Überbringer der Botschaft. Jetzt kann man darüber reden, ob das gescheit, richtig, unfair oder irgendetwas ist, aber zu dem Zeitpunkt, zu dem Magnus Brunner gesagt hat, die Regierung gibt die 2 Milliarden her, war die Wien Energie gerettet. Das ist genau der Punkt. Zu dem Zeitpunkt war die Wien Energie gerettet, weil die Liquidität gesichert war.

 

Und da komme ich auf den Begriff der Spekulation zurück. Normalerweise, da gebe ich allen recht, die in diese Richtung argumentieren, ist ein in sich gehedgtes Geschäft, das heißt, Fixpreis beim Einkauf auf Termin mit Fixpreis auf Verkauf beim Termin, kein Spekulationsgeschäft. So stellen sich die meisten momentan dar. In dem Moment, in dem es aber auch ein Verkaufsmodell wird und gleichzeitig möglicherweise mit enormen Liquiditätsengpässen belastet ist, wird daraus Spekulation.

 

Jetzt wird das jeder für sich in so einer Situation dann interpretieren können, wie er will, aber, wenn du das Risiko eingehst, dass du illiquid bist, dann ist das kein risikoloses Geschäft. Das ist ja einfach, das muss man nicht lange erklären. Wenn jemand von dir 2 Milliarden am Stichtag X will und du hast sie nicht, dann bist du möglicherweise, wenn es an der Strombörse ist, nicht insolvent, das stimmt, aber alle deine Geschäfte fallen dir um, und es passiert genau das, was die Wien Energie beschrieben hat. Du kannst deine Kunden nicht mehr versorgen, weil du keinen Strom mehr kriegst, du kannst keinen verkaufen, du kriegst kein Gas mehr, et cetera, und dann bist du binnen relativ kurzer Zeit wahrscheinlich insolvent. (GR Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Das geht dann flott!) Dieses Risiko habt ihr in Kauf genommen, oder ihr habt es nicht in Kauf genommen, weil ihr in Wirklichkeit Vertrauen in den Bund hattet und gewusst habt, der Bund wird uns im Zweifelsfall retten. Und das hat er auch getan.

 

Mir geht es nicht um ein Danke, aber mir geht es um diese Täter-Opfer-Umkehr. Das halte ich tatsächlich für das Letzte, was man in dieser Situation machen kann. (Beifall bei GRÜNEN und ÖVP.) Den Karren an die Wand fahren und dann schreien, der andere war schuld. Manchmal denke ich mir, vielleicht hat das wirklich etwas damit zu tun, dass wir jetzt nicht mehr in der Regierung sind.

 

Ich bin jetzt dann wirklich schon 22 Jahre in diesem Haus. Als ich gekommen bin, ich kann mich erinnern, das Erste waren die Fremdwährungskredite in Schweizer Franken im Jahr 2001. (Ruf bei der SPÖ: Das war keine Spekulation!) Damals Kursverluste, wir noch in der Opposition, haben der SPÖ gesagt, bitte, hört auf. Dann hat sich die SPÖ einen Haxen ausgefreut, weil im Jahr 2002 die Schweizer-Franken-Kurse wieder gestiegen sind, und sie ohne Verluste aus diesen Geschäften ausgestiegen sind.

 

Wir haben trotzdem gesagt, bitte hört damit auf. Nein, Wiener SPÖ, wir machen das super, alles wird gut. Dann sind die Cross Border Leasing Geschäfte gekommen. Wo wir gesagt haben, Leute, überhaupt mit dem Wissen von heute, Cross Border Leasing hat viel zu tun mit Marktstabilisierung im Sinne der Spekulanten mit Sicherung von Kapital, et cetera, aber draufzahlen tun im Normalfall die Kommunen.

 

Ich will es jetzt gar nicht lange irgendwie, nein, machen wir. Das hat aufgehört, weil wir einerseits Druck gemacht haben, und andererseits, ich will es nicht verhehlen, weil die Leute in den USA dieselbe Idee gehabt haben. Warum sollen wir der Stadt Wien plötzlich hunderttausende Euro kurzfristig schenken und auf der anderen Seite Spekulanten dann die Daseinsvorsorge in Wien absichern, dass sie es auch tatsächlich kriegen? Gott sei Dank hat die USA dem Cross Border Leasing Geschäft einen Riegel vorgeschoben, Gott sein Dank gab es auch dann den Druck seitens der Vereinigten Staaten, bestehende Cross Border Leasing Geschäfte aufzulösen, was für die Stadt Wien den Vorteil gehabt

 

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