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Gemeinderat, 21. Sitzung vom 30.03.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 53 von 94

 

dem KÖR und dem Team. Wir werden dem Antrag natürlich zustimmen.

 

Manchmal allerdings wird das KÖR eingesetzt, wenn die Stadtpolitik, konkret die Kulturstadträtin, der Kulturstadtrat, sonst lieber keine Entscheidungen treffen wollen. Dann wird das KÖR als Troubleshooter eingesetzt, zum Beispiel wie jetzt bei der Ausschreibung eines Wettbewerbs zur Kontextualisierung der Lueger-Statue.

 

Das ist jetzt ein bisschen eine längere Geschichte: Hier steht zentral in der Stadt am Ring ein Riesenphallus, 20 m hoch, der für politischen Populismus und für Antisemitismus wirbt. Mächtig blickt der bronzene Lueger von seinem Sockel über die Stadt und ihre Bewohnenden, und ganz klein daneben findet sich ein kleiner schwarzer Winkel von zirka 80 cm Größe, der diese Inszenierung kontextualisieren soll.

 

Bei der Eröffnung dieser Tafel mussten der damalige Stadtrat Mailath-Pokorny und Oliver Rathkolb für das Foto in die Knie gehen, um überhaupt gemeinsam mit diesem Winkel fotografiert werden zu können. Die gebückten Herren des demokratischen 21. Jahrhunderts unter den Füßen des Antisemiten und Populisten Karl Lueger - das kann man auch symbolisch sehen, und ehrlich, das ist eine Symbolik, die ich höchst bedenklich finde. Sind das tatsächlich unsere Werte, die Sie, liebe Kollegen, in der Ukraine-Debatte vorhin so beschworen haben?

 

Es gibt vier Gründe, warum diese Figur und diese Inszenierung mitten im Zentrum von Wien untragbar geworden ist. Erstens, der Politiker und die Person Karl Lueger selbst. Zweitens, der Bildhauer Josef Müllner, der das Opus geschaffen hat und später auf der gottbegnadeten Liste des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda unter Hitler stand. Drittens, der ansteigende Antisemitismus in Wien, und viertens, unser Anspruch als demokratische Gesellschaft im 21. Jahrhundert, eine kritische und selbstreflexive Erinnerungskultur zu leben, die in der Lage ist, auch eigene Traditionen zu hinterfragen und im Fall, dass es notwendig ist, überkommene Helden vom Sockel zu stoßen.

 

Irgendwie ist das einerseits allen klar, und andererseits versucht die Kulturpolitik ... Warum dreht ihr ab?

 

Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc (unterbrechend): Ich habe nur gesäubert, und dabei ist es leider passiert. Es tut mir leid. Sie sind am Wort.

 

GRin Mag. Ursula Berner, MA (fortsetzend): Man könnte das anders verstehen, aber gut, ich werde wieder gehört. Es ging nur um die Reflexion und die Helden vom Sockel zu stoßen, es ging nicht darum, die Mikros abzudrehen. Aber bitte, es macht nichts.

 

Irgendwie ist das einerseits allen klar, aber andererseits versucht die Kulturpolitik in Wien, zum Teil das Problem zu umgehen und mit kleinen Initiativen das nicht an den Wurzeln zu packen. Was meine ich damit konkret? - Konkret meine ich damit: Wie kann man den Ort so verändern, dass tatsächlich die Tradition des unantastbaren Helden, selbst wenn sich dieser Held im Nachhinein als falscher Held herausgestellt hat, gebrochen wird? Bisher ist es so: Held bleibt Held, und irgendwo in einer kleinen Fußnote am Rand quasi ein kleines Schild: So haben wir das aber nicht gemeint, inzwischen meinen wir das ein bisschen anders.

 

Dazu ein Zitat vom Historiker und Kurator Werner Michael Schwarz vom Wien Museum: „Der Mythos um Lueger und seine bis heute andauernde Mythologisierung erzählt jedenfalls viel über die Geschichte der Stadt und gibt Stoff zur Reflexion grundlegender Fragen über Politik, Demokratie und nicht zuletzt über Formen von Wiener Mentalitäten. Wenn man aber auf einer öffentlichen Ehrung im konventionellen Sinn besteht, ehrt man eine tief antisemitische, ausgrenzende, unsoziale und undemokratische Politik und die atemberaubende Selbstdarstellung eines einzelnen Politikers.“ Das war ein Zitat. Diese Inszenierung, diese öffentliche Ehrung der fragwürdigen Figur Karl Lueger entspricht in keiner Weise einem zeitgemäßen Umgang mit Erinnerungskultur. Das wissen alle, aber es mangelt an Mut, etwas Grundlegendes zu verändern.

 

2010 war da schon ein erster Wettbewerb zur Umgestaltung der Kontextualisierung der Stadt von der Angewandten ausgeschrieben worden, wir haben das schon vorher kurz gehört. Gewonnen hat damals der Wiener Klemens Wihlidal. Er und sein Team wollten die Statue um 3,5 Grad kippen. Geschehen ist seither nichts. Die Umsetzung dieses Projekts wurde nicht nur, aber auch von der Stadtpolitik verhindert. Und jetzt wird die KÖR aufgefordert, wieder einen Wettbewerb auszuschreiben, wieder wird eine neue Kontextualisierung gefördert. Aber die eigentliche Figur, die 5 m hohe Bronzefigur, die seit 100 Jahren auf uns herabblickt, soll nicht angetastet werden. Das halte ich für falsch. Internationale HistorikerInnen und KunstexpertInnen sind sich einig, dass die 1926 errichtete Statue so nicht mehr stehen bleiben kann angesichts der Geschichte, die inzwischen passiert ist. Wir haben zwei Weltkriege erlebt seit Lueger weg ist. Die Statue besteht natürlich nur ... Ein zeitgemäßer demokratischer Zugang zur Geschichte der Stadt braucht weiter einen öffentlichen Diskurs. Es ist eine politische Entscheidung, ob eine Statue besteht, und nicht eine Entscheidung des Denkmalamtes. Steinerne, bronzene Menschenfiguren, reale Personen sind insgesamt nicht mehr besonders zeitgemäß. Sie stehen eher für ein patriarchales Geschichtsbild. Das heißt, mächtige, weiße Männer erzählen die Geschichte möglichst aus einer adeligen Position. Auch bürgerliche Figuren wie der Dr. Karl Lueger brechen dieses Bild nicht, sondern versuchen, die gleiche Heldenpose des alten weißen Mannes weiterzuschreiben. Ihre Revolution war es, den Adel zu stürzen.

 

Heute braucht es eine neue Revolution, eine demokratische Revolution im Umgang mit unserer Erinnerung, weil die Geschichte der Stadt mehr ist. Männer und Frauen aus allen Schichten haben die Geschichte der Stadt geprägt, haben die Stadt geprägt, und im 21. Jahrhundert ist es Zeit, endlich neue Wege zur Erinnerung zu finden, die diskursiver sind. Es gilt, die Helden vom Podest zu stoßen, sie menschlich und vielschichtig darzustellen und auch ihre Schwächen und Fehler darzustellen. Statt statischer Denkmäler braucht es Orte der öffentlichen Auseinandersetzung, die Themen wie Antise

 

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