Gemeinderat, 19. Sitzung vom 26.01.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 95 von 114
gung, Verständnis oder gar Entgegenkommen. Ich meine, das ist keine Antwort auf sehr große Fragen, die die AktivistInnen, die die Jugendlichen gerade stellen. Das ist keine Antwort auch im Hinblick auf eine sehr große Hoffnung, die die Menschen, die für eine Verkehrswende kämpfen, gerade hegen.
Das ist traurig, und das ist wirklich sehr, sehr schade, weil es meiner Meinung nach möglich ist, diese Frage zu beantworten. Es ist möglich, diese Fragen zu beantworten, weil es einfach ist, diesen Hoffnungen auch Raum zu geben. Warum? - Weil in Wien in Wirklichkeit schon oft bewiesen wurde, dass man das kann. Die Stadt und die Stadtpolitik haben schon bei vielen anderen Konfliktthemen bewiesen, dass sie in Alternativen denken kann und dass sie fähig ist, mit der Zivilgesellschaft gemeinsam an Kompromissen zu arbeiten. Denken Sie etwa an die Steinhof-Gründe! Oder denken Sie an den größten und international sogar ausgezeichneten Jugendbeteiligungsprozess „Werkstadt Junges Wien“, bei dem über 22.500 Kinder und Jugendliche Ideen und Vorschläge für die Zukunft der Stadt eingebracht haben! Diese Kinder- und Jugendstrategie wurde hier im Gemeinderat beschlossen, und zu den größten Anliegen der Kinder und Jugendlichen, die sich an diesem Prozess beteiligt haben, zählen der Schutz des Klimas, mehr Platz im öffentlichen Raum und weniger Verkehr. - Das heißt: Wien kann das, Wien hat das Instrumentarium, Wien hat die notwendigen Instrumente für Einbindung, für Mediation, für Konfliktlösung und auch für Kompromiss.
Wien hat auch das Mindset dafür, zu wissen, dass es immer eine Alternative gibt. Immer! Alle wissen, dass es Möglichkeiten der Redimensionierung gibt, etwa der der Redimensionierung der Stadtstraße. Es gibt immer eine Alternative: Das ist auch eine wichtige und lebensbegleitende Botschaft, die ich aus meiner Zeit in einer Jugendorganisation mitgenommen habe und die Sie, glaube ich, alle mitgenommen haben, die Sie schon einmal in einer solchen Organisation waren, und ich glaube, das sind viele von uns.
Noch einmal ganz konkret: Welche sind denn gerade Ihre Argumente, warum wir in einer mittlerweile anscheinend so langweiligen Debatte sind und warum wir jetzt in Bezug auf die Stadtstraße in einer anscheinend so alternativlosen Situation sind? - Ein Argument, das immer wieder kommt, ist, dass die neue UVP und eine Umplanung das Projekt um Jahre verzögern würden. Die gute Nachricht ist, dass viele ExpertInnen sagen, dass ein Verfahren zur Verkleinerung wohl nicht sehr lange dauern würde. Die Seestadt braucht einen Anschluss, aber sie braucht keine Autobahn, und es ist auch sehr realistisch, in einem schlüssigen Verkehrskonzept darzustellen, dass die AnrainerInnen nicht übergebührlich belastet werden. Es gibt aber auch viele Änderungsmöglichkeiten beim bestehenden Projekt, zum Beispiel, eine Busspur für die zweite Spur in jeder Richtung zu planen.
Das zweite Argument: Der Bürgermeister sagt: Pakttreue ist mir wichtig. - Auch das verstehe ich. Wir müssen aber auch verstehen, dass sich die Rahmenbedingungen verändert haben. Bundesministerin Leonore Gewessler hat eine Zukunftsentscheidung getroffen, hat einen Klima-Check machen lassen, hat im Sinne der Menschen gehandelt. Gleichzeitig haben sich die Anforderungen an eine zeitgemäße klimagerechte Verkehrsplanung geändert, und daher ist es gut und wichtig, die bestehenden Pläne anzupassen, und zwar auch und gerade im Sinn der Bevölkerung in der Donaustadt.
Ein drittes Argument, das ich auch immer wieder höre, ist: Man darf sich nicht von einer kleinen Gruppe von Aktivisten erpressen lassen. - Das wichtige Argument dabei ist: Es handelt sich nicht um eine kleine Gruppe von AktivistInnen, sondern das ist in Wirklichkeit eine breite Bewegung, die auch nicht einer einzelnen Partei zuzurechnen ist. Es ist dies eine breite Bewegung, in deren Rahmen erkannt wurde, dass es gerade in der Verkehrspolitik ein Umdenken braucht und wir mit altem Denken einfach nicht mehr weiterkommen. Die KlimaaktivistInnen sind mutige, meist junge Menschen, die Verantwortung übernehmen, einander gegenseitig unterstützen und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nicht aufgeben, trotz ihrer Angst vor der Zukunft. Diese Angst haben sie nämlich.
Meine Damen und Herren! Hier liegt auch meine ganz persönliche Hoffnung: Die KlimaaktivistInnen geben die Hoffnung in die Politik und damit in uns alle noch nicht auf. Sie appellieren in Wirklichkeit an uns. Sie wünschen sich etwas von uns. Sie glauben daran, dass Politik etwas verändern kann. Wir aber beginnen gerade, diese Hoffnung zu zerstören. Diese Menschen haben sich jedoch wirklich einen anderen Umgang verdient, und in diesem Sinne lade ich noch einmal alle ein, innezuhalten und genau hinzuschauen. Da, wo wir jetzt stehen, wird es nämlich nur Verliererinnen und Verlierer geben, und zwar auf beiden Seiten beziehungsweise auf allen Seiten. Das haben sich die AktivistInnen nicht verdient, und das haben sich die DonaustädterInnen nicht verdient. Liebe KollegInnen von der SPÖ! Liebe KollegInnen von den NEOS! Wenn Sie die selbstgesteckten Klimaziele in Ihrem Klimafahrplan ernst nehmen, dann müssen Sie auch beim Individualverkehr beginnen, und eine Redimensionierung der Stadtstraße ist das Gebot der Stunde.
Wenn Sie die erst vor Kurzem in diesem Haus beschlossene Kinder- und Jugendstrategie ernst nehmen, dann zeigen Sie den jungen AktivistInnen, dass Lösungen im Sinne aller und Alternativen immer möglich sind. Wir sind bereit, unseren Beitrag dazu zu leisten. Setzen wir uns zusammen! Reden wir miteinander! Suchen wir einen Kompromiss, bei dem es am Ende nicht lauter Verliererinnen und Verlierer gibt, sondern bei dem am Ende alle gewonnen haben werden. - Vielen Dank.
Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr GR Öztas. Sie sind am Wort.
GR Ömer Öztas (GRÜNE): Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich habe Ihnen bereits vorher dieses wunderbare Buch präsentiert, dessen Lektüre ich Ihnen wieder ans Herz lege. Darin stehen nämlich sehr viele wichtige Sachen, auf die wir als PolitikerInnen achten sollten. In
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