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Gemeinderat, 19. Sitzung vom 26.01.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 96 von 114

 

diesem Buch gibt es ein dreiseitiges Kapitel mit dem Titel „Überlegene Jugend“. Keine Sorge! Ich werde Ihnen nicht das ganze Kapitel vorlesen. Das erspare ich uns allen hier. Es wurde jedoch im Laufe dieser Debatte auch sehr oft über die Jugend gesprochen. Sie wurde als „faul“ denunziert, es wurde gesagt, sie habe nichts anderes zu tun, als bei diesen Klima-Camps zu protestieren, sie solle doch etwas Gescheites lernen.

 

Ich bringe nur einige Sätze aus diesem Kapitel, nämlich was PsychologInnen hinsichtlich des Zustands von Jugendlichen beobachten und wie sie ihr Engagement im Klimabereich bewerten. PsychologInnen und ExpertInnen beobachten, dass die Jugend nicht in die Opferrolle verfällt, weil sie die erste Generation seit dem Zweiten Weltkrieg ist, der es wahrscheinlich wirtschaftlich schlechter gehen wird als ihren Eltern. Was kann man da machen? - Einerseits kann man sagen: Das Leben ist so schlecht, ich verkrieche mich in eine Ecke und mache nichts. Andererseits können sie etwas tun, nicht jammern, nicht aufgeben, sondern mutig sein und für ihre Zukunft kämpfen.

 

Ich darf meine sehr kurze Rede mit einem Zitat aus diesem Kapitel beenden. Dieses fasst eigentlich eh alles zusammen, was ich sagen möchte - ich zitiere: „Viele ältere Menschen nennen sie“ - also die Jugend - „faul. Aber ist es nicht umgekehrt? Sind nicht eher wir diejenigen, die nach Bequemlichkeit suchen und diese genießen, auf die diese Jugendlichen schon dankend verzichtet haben? Sind es nicht zum Beispiel wir, die noch immer überall mit dem Auto hinfahren, während sie zunehmend auf den Führerschein oder zumindest auf den Besitz eines eigenen Autos verzichtet und öffentliche Verkehrsmittel oder das Fahrrad wählt?“ - In diesem Sinne, sehr geehrte Damen und Herren, sage ich: Hören Sie auf die Jugend und betonieren Sie nicht unsere Zukunft rein aus Bequemlichkeit zu!

 

Investieren Sie in die Zukunft dieser Menschen, die ihre Probleme erkannt haben, die sie erwarten und die sie auch lösen möchten, die nicht aufgeben und nicht jammern. Investieren Sie in Radwege, in Öffis, in mehr konsumfreie öffentliche Orte, in mehr Grünraum in der Stadt und nicht in vierspurige Autobahnen mitten im Herzen der Donaustadt! - Vielen Dank.

 

Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr GR Ellensohn. Sie sind am Wort.

 

19.36.58

GR David Ellensohn (GRÜNE)|: Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren!

 

„Ziel-Märchenbuch“: Erfunden hat dieses Wort der Herr Bürgermeister selber. Ich glaube, seine Presseabteilung ärgert sich mittlerweile darüber. Denn wenn man sagt, dass man kein Ziel-Märchenbuch in der Hand hat, dann klingt das nach: Ich habe ein Ziel-Märchenbuch in der Hand. Deswegen nennen wir das so, wir merken auch, dass das alle ärgert, und ich gehe auch darauf ein, warum.

 

Warum glauben wir der Sozialdemokratie nicht, was sie rund ums Klima sagt? - Da gibt es immer viele Möglichkeiten. Man kann Bücher darüber lesen, was sie früher gesagt haben. Das Leichteste ist aber immer die Erfahrung, die man selber macht. Sie kommen oft hier her und sagen: Wir hatten zehn Jahre Rot-Grün, also sind die GRÜNEN für alles verantwortlich, was nicht gepasst hat und was wir heute kritisieren. Sie sagen natürlich nicht, dass diese zehn Jahre auch zehn Jahre Kompromiss für beide Seiten bedeutet. Die Sozialdemokratie musste den Kompromiss eingehen, ein 365-EUR-Ticket einzuführen. Dagegen haben Sie sich mit Händen und Füßen gewehrt. Ich bin bei mehreren Verhandlungen dabeigesessen: Sie wollten das nicht! Die Position der SPÖ war: Man darf den öffentlichen Verkehr in Wien nicht billiger machen. - Und weil ich weiß, wie es bei den Verhandlungen läuft: Warum soll ich Ihnen jetzt glauben, dass Sie in irgendeinem Bereich beim Klima irgendetwas Gescheiteres machen als die GRÜNEN?

 

Aus Erfahrung weiß ich, wie es gelaufen ist, als wir die Mariahilfer Straße gegen den Widerstand der Sozialdemokratie gemacht haben: Wir haben wirklich bei jeder einzelnen Tür angeläutet und versucht, die Menschen dort zu überzeugen. Sie waren hingegen nirgends, haben dagegen geredet, hinter dem Rücken irgendwas anderes erzählt, auch den JournalistInnen. Und die Mariahilfer Straße schaut heute nicht so aus, weil die SPÖ das wollte. Nein! Die SPÖ wollte das nicht. Das haben wir durchgesetzt. Die Erfahrung mit der Sozialdemokratie ist also: Ganz vorne sind Sie bei den Sachen nicht dabei!

 

Ich bin eh gespannt, was ich wieder über die Radwege lesen werde! Ich lese das sehr gerne, wenn irgendwo etwas über den Ausbau von Radwegen steht. Auch wenn ich selber zu wenig fahre: Ich halte das aber für mehr als notwendig und richtig. Und ich bin immer ganz neidisch, wenn ich mich in Holland herumtreiben darf. Ich lese das, wie gesagt, gerne, ich weiß aber auch, mit welcher Inbrunst gegen jeden Meter Radweg gekämpft wurde. Auf dem Naschmarkt wäre doch noch heute der Lückenschluss für den Radweg nicht fertig, wenn nicht wir das vorangetrieben hätten! Da muss man sich einmal vorstellen! (Zwischenruf.) Herr Taucher! Man hört das durch das Plastik nicht durch, das ist schwierig. (Zwischenruf.) Sei ehrlich? - Das versuche ich immer.

 

Wir haben auf dem Naschmarkt den Radweglückenschluss gemacht. Wisst ihr, was das Gegengeschäft sein sollen hätte? Die Sozialdemokratie hat gesagt: Dafür müsst ihr für die Stadtstraße sein. - Da geht es einerseits um hunderte Millionen Euro, andererseits um ein bisserl Radweg. Und das sollen wir idealerweise gegeneinander abtauschen.

 

Deswegen bringt es auch nichts, wenn man hier immer wieder sagt: Die GRÜNEN haben das und jenes beschlossen. - Ja. In den letzten zehn Jahren sind in Wien auch Dinge beschlossen worden, die ich nicht gut finde. Das geht ja gar nicht anders in einer Koalition. Sonst müsste ja einer zu 100 Prozent alles selber machen und wäre wahrscheinlich hin und wieder auch noch unglücklich darüber. Daher wird hin und wieder ein Kompromiss eingegangen. Es wurde jetzt oft genug gesagt, dass offensichtlich die Stadtstraße beziehungsweise Stadtautobahn deswegen nicht fertig ist, weil die SPÖ das zehn Jahre lang verhindert hat und die GRÜNEN es

 

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