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Gemeinderat, 18. Sitzung vom 13.01.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 15 von 28

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr StR Peter Kraus. Ich erteile es ihm. Bitte, Herr Stadtrat.

 

10.30.37

StR Peter Kraus, BSc|: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

 

Weil GR Valentin auch heute wieder Maria Vassilakou hier zitiert und aufgerufen hat, mache ich das auch sehr gerne: Es war nämlich Maria Vassilakou, die 2015 - auch im Dezember, glaube ich - gesagt hat: „Der Lobau-Tunnel ist de facto abgesagt.“ Damals gab es, es war wenige Tage oder Wochen nach der Unterzeichnung des rot-grünen Regierungsübereinkommens 2015, eine riesige Aufregung, auch öffentlich, in der SPÖ, weil sie den Satz gesagt hat: „Der Lobau-Tunnel ist de facto abgesagt.“ - Heute, im Jahr 2022, sind wir alle froh, dass Maria Vassilakou recht haben sollte: Der Lobau-Tunnel und die Lobau-Autobahn sind abgesagt, sehr geehrte Damen und Herren!

 

Ich glaube, dass es wirklich wichtig ist, dass wir irgendwann einmal beginnen, in dieser Debatte auch die Vergangenheit ein bisschen sein zu lassen. Es ist nämlich vollkommen egal, es ist wirklich vollkommen egal, wer welche Pläne wann wie vor wie vielen Jahren oder Jahrzehnten gemacht hat, wenn sich heute herausstellt, dass die Pläne angesichts der heutigen Rahmenbedingungen nicht mehr gut genug sind. Wir haben in dieser Stadt ganz viele Beispiele dafür. Und wenn wir jetzt sagen würden, so wie das von der SPÖ immer wieder gesagt wird: Diese Pläne müssen jetzt umgesetzt werden, und wir setzen die Scheuklappen auf und schauen nicht, was die neuen Rahmenbedingungen sind, wenn das ausschlaggebend wäre, dann würde die Stadt heute anders aussehen. Dann hätten wir nämlich eine Autobahn bis zum Karlsplatz - da war einmal ein Plan in dieser Stadt! -, dann hätten wir eine Stelzenautobahn am Flötzersteig, und dann hätten wir keinen Donaukanal, sondern eine Schnellstraße entlang des Donaukanals. Alles das waren Pläne, und heute sind wir froh, dass sie nicht umgesetzt wurden, sehr geehrte Damen und Herren.

 

Die relevante Frage an dieser Stelle ist ja: Sind die Pläne, die auf dem Tisch liegen, heute noch - mit den aktualisierten Rahmenbedingungen - die beste Variante? Und darum sind wir der Meinung, diese Frage muss man auch hinsichtlich der als Verbindungsstück zwischen zwei Autobahnen - von denen es eine Autobahn nicht mehr gibt - geplanten Stadtstraße stellen. Es haben sich die Rahmenbedingungen nämlich deutlich geändert, und ich bringe Ihnen jetzt drei Beispiele, die heute noch nicht genannt wurden oder noch nicht so ausführlich erörtert wurden.

 

Erstens - ich habe es schon erwähnt -: Die Stadtstraße wurde ursprünglich als Verbindung von S1 und Südosttangente geplant. Dieser Teil war ja ursprünglich auch ein Asfinag-Projekt. Jetzt gibt es die S1 nicht mehr. Die S1, die Lobau-Autobahn, ist abgesagt, und auch der Lobau-Tunnel kommt nicht. Das heißt, all diese verkehrlichen Rahmenbedingungen für die Stadtstraße haben sich geändert.

 

Zweitens: Es gibt auch im öffentlichen Verkehr vollkommen neue und andere Rahmenbedingungen. Bei den Planungen der S1 beispielsweise hat man damals die 365-EUR-Jahreskarte nicht berücksichtigt. Man hat damals die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung nicht berücksichtigt. Man ist in der Planung der S1 davon ausgegangen, dass die Parkraumbewirtschaftung vom Stand 2011 weiterhin bleibt. Man hat die Ausweitung im Westen nicht berücksichtigt, man hat die Ausweitung, die jetzt im März kommen wird, damals nicht berücksichtigt. Und man hat das Klima-Ticket und die jetzt billigeren Tarife für die vielen PendlerInnen, die einen großen Teil des Verkehrsaufkommens in der Donaustadt ausmachen, nicht berücksichtigt. All diese Dinge haben sich verändert.

 

Und der dritte Punkt: der Motorisierungsgrad in Wien. Ich habe das im Dezember schon erwähnt: Lange Zeit hat man angenommen, dass der Motorisierungsgrad in Wien steigen wird. Man hat das auch bei der Planung und bei der UVP der S1 beispielsweise angenommen. Man hat damals die Annahme getroffen, dass in Wien der Motorisierungsgrad von 406 PKW pro 1.000 EinwohnerInnen im Jahr 2005 auf 440 PKW pro 1.000 EinwohnerInnen im Jahr 2025 steigen wird. Die Annahme war: von 406 auf 440. Fakt ist: 2019 gab es in Wien nur mehr 365 PKW pro 1.000 EinwohnerInnen. Das heißt, es gab, ausgehend von 406, einen deutlichen Rückgang auf 365 PKW pro 1.000 EinwohnerInnen, was die Motorisierung betrifft. Wir sehen also, die Grundlagen, auf denen die Planungen fußen, haben sich alle überholt, sie sind nicht mehr aktuell. Darum ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt und der richtige Moment, um auch die Stadtstraße einem Klima-Check zu unterziehen. Es ist gescheit, dass wir noch einmal nachdenken, ob das die beste Variante ist, bevor wir knapp 500 Millionen EUR für eine Straße ausgeben, sehr geehrte Damen und Herren.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gehen ja weltweit seit Jahren viele junge Menschen für Klimaschutz und für echte Klimamaßnahmen auf die Straße. Es ist die „Fridays for Future“-Bewegung, es ist in Wien auch die Bewegung rund um die Lobau, die jetzt in den letzten Wochen und Monaten entstanden ist, und wir haben zum Jahreswechsel etwas sehr Dramatisches, etwas auch sehr Erschütterndes sehen müssen, nämlich den Brandanschlag auf acht junge KlimaaktivistInnen in Hirschstetten. Und wenn wir davon sprechen, dass, wer mit Worten zündelt, auch eine Mitverantwortung dafür hat, wenn es tatsächlich brennt, dann meinen wir damit diese unglaublich erschütternden Hassnachrichten, die in den letzten Tagen auch öffentlich und medial bekannt geworden sind. Das sind Hassnachrichten in Facebook-Gruppen, in denen zuerst gehetzt wurde, dann kam es zu dem Brand, dann wurde dieser Brand bejubelt, und ganz viele Mitglieder in dieser Facebook-Gruppe haben dazu nichts gesagt, sind nicht eingeschritten, sind nicht im virtuellen Raum aufgestanden, um zu sagen: Stopp, das reicht, was hier abgeht, hört auf! - Bei allen inhaltlichen Meinungsverschiedenheiten, die wir hier in diesem Haus bei den Themen Straßen, Autobahnbau, Verkehrsplanung, bei whatever haben, ist es, glaube ich, unsere gemein

 

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