Gemeinderat, 18. Sitzung vom 13.01.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 4 von 28
Stadtautobahn, Stadtstraße, und ich stelle in diesem Zusammenhang die Frage: Wo sind wir hier gestartet?
Vor ungefähr 20 Jahren hat sich die Stadt das Ganze angeschaut, hat eine Strategische Umweltprüfung gemacht und die Varianten geprüft, und dann hat man sich für die schlechteste Variante mit der höchsten Versiegelung und einer Zerstörung der Urbanität in Wien entschieden. Es wurde geplant, zum Glück wurde aber in unserer Regierungszeit nichts gebaut. Viel ist in der Zwischenzeit passiert. Das Pariser Klimaschutzabkommen wurde beschlossen und ratifiziert, und zwar auch in Österreich. „Fridays for Future“ haben auch in Österreich Platz gegriffen. Es gab einige IPCC-Berichte, der letzte, dramatische Bericht besagt, dass wir leider Gottes noch in diesem Jahrzehnt die 1,5-Grad-Marke knacken werden.
Auf Grund all dieser Ereignisse hat die Klimaschutzministerin voriges Jahr eine Evaluierung der Straßenbauprojekte der Asfinag verkündet, durchführen lassen und konsequenterweise auf Grund der Fakten und der klimapolitischen Herausforderungen den Bau des Lobau-Tunnels abgesagt.
Wo sind wir jetzt? Und was haben Sie gemacht? - Sie wollen vor Gericht den Bau dieses klimaschädlichen Projektes erzwingen. Sie wollen die KlimaschützerInnen kriminalisieren und bedrohen, und jetzt werden sie körperlich angegriffen. - Ich sage es ganz ehrlich: Mir fehlt eindeutig noch die klare Kante gegen diese Gewalteskalation von Seiten der Stadtregierung.
Ein System, mit dem klimaschädliche Projekte weiterhin erzwungen werden sollen und das Klimaschutz kriminalisiert, kann nicht gerecht sein. Dieses System muss verändert werden, und dafür, dieses System zu verändern, treten wir ein und treten wir an.
Sie kennen die Fakten: Wien ist besonders betroffen vom Klimawandel: Von allen Hauptstädten Europas hat Wien den größten Temperaturanstieg zu verzeichnen und weiterhin zu befürchten. Es gibt Waldbrände im Umland, aber es brennt nicht nur im Umland, sondern jetzt brennt es auch in Wien. Zuerst wird juristisch gezündelt, dann verbal, und zuletzt brennt es tatsächlich. - Da muss man ganz klar sagen, wie es ist: Wenn man mit Worten zündelt, dann beginnt es irgendwann auch tatsächlich zu brennen. Hier geraten Entwicklungen aus dem Ruder. Dass Wien eine Menschenrechtsstadt ist, darauf sind ja auch Sie immer sehr stolz. Wien soll Klimamusterstadt werden. Aber die Grenzen dessen, was möglich ist, werden hier immer weiter verschoben, und dem wollen wir heute gemeinsam ein Ende setzen.
Als Gemeinderat und als demokratische Parteien müssen wir gemeinsam sagen: Stopp! Wir müssen diese Eskalationsspirale beenden. Wenn hier die Gesundheit und das Leben von KlimaschützerInnen, von jungen Menschen, die sich um die Zukunft unseres Planeten und unserer Stadt Sorgen machen, gefährdet sind, dann müssen wir klare Kante zeigen und deutlich sagen: Stopp! Das gilt für alle, egal, auf welcher Seite man steht. Das gilt für alle, egal, ob sie für diese Straßenprojekte oder gegen diese Straßenprojekte sind. Gewalt darf nie ein legitimes Mittel oder Teil einer demokratischen Diskussion sein. - Daher rufe ich Sie auf: Die Abrüstung der Worte und Taten kann und muss hier und heute beginnen!
Wir rufen Sie auf: Gehen Sie auf die jungen Menschen zu! Und es gehört natürlich zu einem Dialog auch dazu, dass man eine Drohung zurücknimmt. Es bestehen weiterhin Klagsdrohungen. Gegen zwei Menschen haben Sie sie zurückgezogen, aber gegen AktivistInnen, gegen sogenannte mentale UnterstützerInnen, halten Sie sie weiterhin aufrecht. Nehmen Sie diese Drohungen zurück, setzen Sie sich an einen Tisch und treten Sie in einen Dialog!
Wir sind heute hier, um von der Klimaschutzbewegung zu lernen. „You are never too small to make a difference!” - Dieser berühmte Satz der prominentesten Vertreterin weltweit, Greta Thunberg, soll und muss auch für Wien gelten, und selbstverständlich ist auch die Frage, ob diese Autobahn gebaut wird oder nicht, eine Frage des Klimaschutzes. Weiters sagt Thunberg, dass wir, wenn wir den Fokus immer mehr auf das legen, was politisch leicht umzusetzen ist, und nicht auf das, was klimapolitisch geboten und notwendig ist, die Hoffnung auf eine lebenswerte Zukunft verlieren werden.
Genau deshalb bin ich extrem froh, dass wir mit Klimaschutzministerin Gewessler eine wirkliche Leaderin im Klimaschutz haben, die sich nicht auf die einfachen Entscheidungen zurückzieht, die keinen Widerstand erzeugen, sondern die sich konsequent die Frage stellt: Wie können wir den zukünftigen Generationen noch in die Augen schauen, und wie werden sie einmal unsere Entscheidungen, die wir hier und heute treffen, beurteilen? Mit ihr sitzt der Klimaschutz mit einer starken Stimme am Tisch. Das hat sie angekündigt, und das setzt sie um. Und eine solche starke Stimme vermissen wir leider Gottes in der Wiener Stadtregierung allzu oft. Das ist der Grund, warum die Aktivistinnen und Aktivisten mit ihrer Stimme auf der Straße stehen, und das ist der Grund, warum die Grünen in Wien im Gemeinderat diese starke Stimme für das Klima und für die Zukunft laut und deutlich ins Rathaus bringen.
Ihr stärkstes Argument für diese Autobahnen ist: Das ist schon so lange geplant! - Und genau das ist es, was Ihnen die Klimaschutzbewegung und wir vorwerfen. Sie wollen weiter machen wie bisher, sie wollen weiter machen mit einer Politik, die uns in diese Klimakrise geführt hat, und sie wollen weiterhin mit Beton und Asphalt agieren. Und wenn wir nicht umkehren, dann wird uns diese Politik nicht nur in Wien, sondern international in die Klimakatastrophe führen.
Sie sagen, dass man Ihnen den Klimaschutz nicht erklären muss. Sie hätten bereits vor 20 Jahren das erste Klimaschutzprogramm aufgelegt. - Wie man sieht, hat dieses offensichtlich nicht funktioniert. Wir haben auch in Wien immer weiter steigende Emissionen. Weltweit bleiben uns noch 300 Gigatonnen, und der Magistrat hat ausgerechnet, was das für Wien bedeutet. Dies bedeutet, dass wir für die ganze Periode 2021 bis 2040 noch rund 60 Millionen Tonnen an CO2-Budget ausstoßen dürfen, um das Pariser Klimaziel erreichen zu können, und wenn wir mit den Emissionen, wie wir sie heute
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