Gemeinderat, 13. Sitzung vom 22.09.2021, Wörtliches Protokoll - Seite 92 von 118
zum Finanzminister gegangen sind und gesagt haben: Bitte, ich brauche Geld, ich brauche Haftungen für die Autobahn.
Jetzt geht es zum ersten Mal um eine Evaluierung: Brauchen wir diese Straße? Worum geht es bei dieser Evaluierung? Es sollen die Auswirkungen auf den Klimaschutz und auf den rasant steigenden Bodenverbrauch geprüft werden, beides Anliegen, die Sie sich auf die Fahne heften. Die zentrale Frage dabei ist: Sind die Planungen und Entscheidungen, die teilweise vor 20 oder 30 Jahren getroffen wurden, für ein klimafreundliches Verkehrssystem noch vernünftig?
Wenn ich jetzt hier der SPÖ zuhöre und höre, sie kämpft seit über 20 Jahren für diese Straße - ich nehme einmal den Zeitraum seit 2003, seit diese Variante unter Gorbach, Häupl und Pröll festgelegt wurde, die sogenannte Speckgürtelvariante, die die maximale Zersiedelung für die Stadt bringt -, dann muss man sich einmal überlegen, was in diesem Zeitraum alles passiert ist.
Schwarz-Blau I wurde gesprengt, Schwarz-Blau II wurde gesprengt, Heinz Fischer wurde zum Bundespräsidenten gewählt und von Alexander Van der Bellen abgelöst, es hat mehrere EU- und Euro-Erweiterungen gegeben, das Pariser Klimaabkommen wurde beschlossen, in Folgekonferenzen wurde diskutiert, wie man diesen Zielpfad runterbricht, wie wir es wirklich schaffen, unsere Lebensgrundlagen zu erhalten. Auch in den USA hat sich einiges getan: Bush, Obama, Trump, Biden, die USA sind wieder dem Klimaabkommen beigetreten.
Und bei all dieser Zeit wollen Sie sagen: Na, es ist so lange geplant, wir müssen an diesen Projekten festhalten, die entstanden sind, bevor wir überhaupt ein Pariser Klimaabkommen hatten. Das ist grotesk, das ist eine Zukunftsvergessenheit, die den Herausforderungen der Zukunft nicht gerecht wird.
Klimastadtrat Czernohorszky, der in meinem Antrag auch adressiert wird - jetzt leider Gottes nicht da -, setzt sich mit einem Klimaökonomen, dem sehr geschätzten Gernot Wagner hin, der über den Sommer in Österreich war. Und der ein Buch geschrieben hat mit dem Titel „Stadt, Land, Klima“ und betrachtet genau die Frage, bei der Sie behaupten, dass Sie in die richtige Richtung gehen, während Sie betonieren. Wagner sagt: „Wir müssen endlich aufhören, Straßen zu bauen. Wir brauchen eine City-Maut für Wien. Öffis müssen ausgebaut werden. Österreich hat doppelt so viele Straßenkilometer pro Person wie Deutschland und die Schweiz.“ Was Sie machen wollen und womit Sie behaupten, in Wirklichkeit die Stadtentwicklung in Wien zu fördern, ist genau das, was er kritisiert. Sie wollen die Zersiedelung anheizen, und der Autobahnausbau ist Zunder für diesen Flächenbrand.
Im aktuellen Wiener Regierungsprogramm gibt es einen Klima-Check, so wie die Klimaschutzministerin ihn jetzt ankündigt, und da heißt es: „Damit“ - mit diesem Klima-Check - „können bei der Entscheidungsfindung über die Realisierung eines Vorhabens auch die Auswirkungen auf das Klima berücksichtigt und optimiert werden.“, also eine Frage beantwortet werden, die für diese Stadtautobahn noch nicht untersucht wurde, jedenfalls nicht vom Magistrat.
Was Sie in dieser Koalition jetzt als Erstes machen: Sie gehen ohne Rücksicht auf das Pariser Klimaabkommen und damit auf die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen, ohne Überprüfung, ob die Realisierung überhaupt mit Ihren eigenen Zielen, die Sie sich für die Stadt Wien setzen, kompatibel ist und ohne, dass Sie irgendwelche Alternativen geprüft haben. StRin Sima hat es heute wieder gesagt, sie schaut sich Alternativen einfach überhaupt nicht an: „There is no alternative.“ - ich habe Maggie Thatcher im Ohr -, „There is no alternative.“ zum Betonieren der SPÖ. Weit haben wir es gebracht.
Man muss sich schon überlegen, was passiert, wenn wir aus dem Fenster schauen: Wir haben eine Zunahme von Hitzewellen, von Dürren, von Überschwemmungen und Wetterextremen. Gleichzeitig gibt es, in diesen letzten Jahren seit 2003, auch immer weiter ansteigende Emissionen, und mit 42 Prozent und immer weiteren Zunahmen ist der Verkehr immer noch das Sorgenkind in der Wiener Klimapolitik. Und was wollen Sie jetzt machen? Eine Autobahn bauen. Gratulation.
Genau wegen dieser Politik, wegen dieses „Immer weiter wie bisher“-Gehens seit drei Jahren junge Menschen auf die Straße und fordern eine zukunftsgerechte Klimapolitik. Sie fordern dazu auf, dass wir endlich handeln, weil es sonst zu spät ist. Wir haben den neuesten IPCC-Bericht, der sagt, wenn es so weitergeht wie bisher, reißen wir die 1,5 Grad-Marke am Ende dieses Jahrzehntes. Ich hoffe, dass Sie alle wissen, was das bedeutet: nämlich unkontrollierbare Auswirkungen auf das Klimasystem.
Es sind die jungen Menschen, die über ihre Zukunft mitbestimmen wollen, die keine Stimme haben und die sich nicht mehr anders zu helfen wissen, als zuerst die Schule zu bestreiken und in weiterer Folge jetzt die Autobahn zu besetzen. Sie haben die Bagger auffahren lassen, die jungen Menschen haben gesagt, nein, so geht es nicht, wir haben noch nicht einmal eine Überprüfung, ob das mit den Klimazielen in Einklang zu bringen ist. Seither stehen die Baumaschinen still.
Diese Pause bei den Baumaßnahmen wäre doch eine gute Gelegenheit, einen Schritt zurück zu machen und sich zu überlegen, ob die Entscheidungen der Vergangenheit - und da können Sie jetzt noch so oft kritisieren, dass die GRÜNEN die Koalitionsbedingungen der SPÖ mitgetragen haben oder nicht -, ob dieses SPÖ-Projekt, für das Sie seit 20 Jahren kämpfen, noch mit den Herausforderungen der Zukunft in Einklang zu bringen ist, und eine Nachdenkpause zu machen und einen Klima-Check für die Stadtstraße nachzuholen.
Sie tun ja so, als ob der Klimaschutz eine grüne Alleinunterhaltung wäre. Also, weil die GRÜNEN ja eh dafür waren, deshalb ist es okay - abgesehen davon, dass wir nicht dafür waren, wie gesagt, es ist seit über 20 Jahren ein SPÖ-Projekt -: Nein, Sie alle tragen da eine Mitverantwortung. Auch wenn Sie bei Petitionen wie „Platz für Wien“ sagen, Sie sind für den Klimaschutz nicht zuständig, Sie alle tragen eine Mitverantwortung für
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