Gemeinderat, 12. Sitzung vom 29.06.2021, Wörtliches Protokoll - Seite 69 von 103
unter ganz, ganz furchtbaren Umständen ein 13-jähriges junges Mädchen umkommt, stellen Sie sich hier her und verwenden Gott sei Dank nur vier Minuten Zeit zum Thema Kriminalität in dieser Stadt und zum Thema Graffitis im Gemeindebau. Ihre Sorgen möchte ich haben!
Ich möchte schon über das Thema Corona reden. Also ich weiß nicht, ob die Rechnungsabschlussdebatte über das Jahr 2020 in ein paar Jahren in Erinnerung bleiben wird, aber das Jahr 2020 und unser Thema heute werden auf jeden Fall jeder und jedem von uns in vielen, vielen Jahren, glaube ich, noch in sehr, sehr guter Erinnerung bleiben, denn es war eine hoffentlich einmalige Situation, eine Wahnsinnsherausforderung für alle Menschen und natürlich auch für alle Ebenen der Politik. Es hat sehr, sehr viele und auch darüber wurde heute hier schon gesprochen, an die psychischen und physischen Belastungsgrenzen gebracht. Insgesamt, glaube ich, können wir aber beurteilen, das haben wir - auch gestern - in den Reden, vor allem am Anfang vom Herrn Finanzstadtrat, gehört, dass wir diese Krise als Stadt bisher relativ gut überstanden haben, was leider nicht für jeden Menschen, der in unserer Stadt lebt, zutrifft und gilt.
Krisen wie diese machen aber immer die Schwächen, aber natürlich auch die Stärken einer Gesellschaft besonders sichtbar. Ich weiß, es ist schon sehr oft von dieser Stelle in der einen oder anderen Form getan worden, ich möchte mich am Anfang meiner Ausführungen beim Rechnungsabschluss 2020 aber wirklich vor zig Tausenden Menschen verneigen, vor allem aber auch vor den Frauen, die in unserer Stadt, in unserem Land leben, die im letzten Jahr eben Mehrfachbelastungen hinnehmen mussten, mehr zu tragen hatten, als sie ohnedies schon in den sogenannten normalen Zeiten zu schultern haben. Das wurde heute hier schon gesagt, aber ich möchte es auch noch einmal sagen, möchte es dann nachher noch ein bisschen ausführen, weil ich manchmal glaube, es geht an uns vorüber. Man sagt so die Doppel-, Dreifach-, Mehrfachbelastung, und das war es dann auch schon wieder. Ich verneige mich vor diesen Frauen. Es ist unglaublich und in Wirklichkeit unvorstellbar, was sie letztes Jahr geleistet haben, das verdient nicht nur absolut großen Applaus und meine Verneigung, sondern meinen Respekt. Ich hoffe, wir haben auch als Stadt im letzten Jahr so viel Unterstützung zur Verfügung stellen können, wie es uns möglich war. - Ganz herzlichen Dank.
Diese Frauen und natürlich auch Männer - aber es sind halt in erster Linie Frauen - mussten, und zwar täglich über mehrere Monate hinweg, einkaufen - das ist nicht so schlimm, wobei, ich sage einmal, die eine oder andere erinnert sich wahrscheinlich daran, wie einkaufen in den ersten Monaten der Krise im letzten Jahr war -, putzen, mehrmals am Tag kochen, unterrichten, ihrer Arbeit nachgehen - daheim oder anderswo -, motivieren, pflegen, spielen, waschen, bügeln, und so weiter, und so fort. Und das ohne Pause, jeden Tag, über Monate hinweg und ohne Zeit, irgendwann einmal dazwischen runterzukommen, sich irgendwann einmal dazwischen auszuruhen. Was das für die Psyche, aber auch für die physische Belastung bedeutet - hat uns Kollegin Matiasek heute hier von dieser Stelle schon gesagt -, das alles gepaart vor allem mit den Ängsten - auch darüber hat sie gesprochen -, die wir alle nicht nur vor dieser schrecklichen Krankheit hatten, sondern vor allem, was die Existenz betrifft, Sorgen und Ängste, die aber vor allem viele Frauen und vor allem Alleinerzieherinnen hatten.
Für alle Menschen, aber auch vor allem für Frauen, die nicht von Kurzarbeit betroffen waren oder durch Homeoffice oder sogar Arbeitslosigkeit zu Hause bleiben mussten, sondern auch noch in die Arbeit gehen mussten, weil sie eben in Gesundheitsberufen, im Pflegebereich tätig sind, oder vor allem auch für die vielen weiblichen Supermarktmitarbeiterinnen oder auch Kinderbetreuerinnen war es eine ganz, ganz besondere Herausforderung, all das über Wochen und Monate hinweg unter den berühmten Hut zu bringen.
Was mich dann allerdings umso mehr erstaunt hat, ist, dass ich rund um den Frauentag, das war dann am Beginn der Krise, wo all das plötzlich wie ein Wahnsinn auf uns zugerollt ist, von unserer Frauenministerin folgenden Satz gelesen habe: Feminismus trennt Frauen mehr, als dass er sie eint. Angesprochen auf diese Aussage, auf die Nachfrage in einem ZIB 2 Interview hat sie sich dann auch vehementest geweigert, und das alles im Jahr 2020, sich als Feministin zu bezeichnen. Ich kann es Ihnen nicht ersparen, auch liebe Grüne: Wie ist es eigentlich, einer Regierung anzugehören, in der sich gerade die Frauenministerin vehement weigert, sich als Feministin zu bezeichnen? (Zwischenruf.) Wenn sie von Frauenpolitik gesprochen hat, dann frage ich mich, wo denn eigentlich diese Frauenpolitik ist.
Herr Juraczka, dass Sie es so machen, verstehe ich, Sie bezeichnen sich wahrscheinlich auch nicht als Feministin, das verstehe ich. Ich rede von einer Frauenministerin, von einer Frauenministerin in Europa, die sich im Jahre 2020 standhaft weigert, sich als Feministin zu bezeichnen und sagt, das sei nur ein Begriff. (Zwischenruf.) Auch bei Ihnen, Herr Kollege, verstehe ich diese Handdeutung, und genauso deshalb, weil Sie jetzt alle da diese Handbewegung machen, liebe männliche Kollegen, ist es so wichtig, dass es Feministinnen in Regierungen gibt, und dass wir auch eine Frauenministerin in diesem Land haben sollten, die sich als Feministin bezeichnet. Es ist eben nicht wurscht, aber das haben auch Sie, Herr Kollege, eben noch nicht verstanden. Interessant, dass ich da immer nur in die - nicht von mir aus gesehen, aber von Ihnen aus gesehen - rechte Hälfte schauen muss, wenn es um Feminismus im Jahr 2020 geht. Das muss man sich vorstellen, mittlerweile leuchtet es sogar schon von Hochglanzzeitschriften auf der ganzen Welt, aber die ÖVP und die FPÖ weigern sich nach wie vor.
Ich kann Ihnen nur sagen, ich bin sehr froh und sehr stolz darauf, dass ich in einer Stadt Politik mache, in der sich die Frauenstadträtin, ja, überhaupt viele Politikerinnen und Mitglieder der Regierung nicht weigern, sich als Feministin zu bezeichnen, sondern mit aller Kraft für die Rechte und die Förderung von Frauen einsetzen. Das
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