Gemeinderat, 9. Sitzung vom 28.04.2021, Wörtliches Protokoll - Seite 71 von 114
Gleich einmal zum Anfang möchte ich sagen, dass wir dem Poststück zur Diakonie, der Förderung, natürlich zustimmen und auch kurz erklären, warum das für uns wichtig ist. Gerade in der Arbeit beim AMS hab‘ ich gesehen, wie wichtig es ist, dass es Schutzräume von Frauen für Frauen gibt und eben gerade insbesondere für geflüchtete Frauen. Geflüchtete Frauen sind besonders von Diskriminierung betroffen und brauchen auch besondere Unterstützung bei den massiven strukturellen Hürden, mit denen sie konfrontiert sind, Stichwort „Diskriminierung am Arbeitsplatz“, Stichwort „Kopftuch“, Stichwort „Häusliche familiäre Gewalt“. Rein weibliche Teams und kulturelle Vermittlerinnen schaffen bei der Diakonie eine vertrauensvolle Atmosphäre, in der eben diese sensiblen Themen wie Familienplanung, häusliche und sexualisierte Gewalt und weibliche Genitalverstümmelung besprochen werden können. Es gibt da eben die Einzelfallhilfe. Es gibt aber auch Gruppenangebote, wo die Frauen über ihre Rechte aufgeklärt werden und wo sie bei der Durchsetzung unterstützt werden. Das finden wir natürlich sehr gut. Über Empowerment und Partizipation wird diese Beratungsstelle unterstützt, eben diese geflüchteten Frauen vor allen Dingen bei einem selbstbestimmten Leben in Österreich. Geflüchtete Frauen nicht im Stich zu lassen, ist eine sehr wichtige Aufgabe, und ich bin auch wirklich sehr stolz darauf, dass Wien diesen Weg immer schon so gegangen ist und diese Frauen eben nicht im Stich lässt.
Ich möchte jetzt aber noch auf ein anderes Thema beziehungsweise auf eine Erweiterung des vorhergehenden Themas aufmerksam machen, weil es gerade sehr aktuell ist. Die Anlassfälle haben Sie vielleicht aus den Medien schon mitbekommen. Es geht um Männergewalt gegen Frauen und ich denke, es ist wichtig, dieses Thema auf allen Ebenen immer wieder zu thematisieren und zu bekämpfen. Deswegen werden wir heute auch einen Antrag einbringen.
Auch wenn die ÖVP und die FPÖ es immer wieder behaupten, Männergewalt gegen Frauen ist kein importiertes Problem oder ein reines Problem der Einwanderungsgesellschaft, sondern ein zutiefst österreichisches und ein zutiefst strukturelles und universelles Problem. Um es ein für alle Mal festzuhalten: Der gefährlichste Ort für Frauen ist das eigene Zuhause. Die Gewalt an Frauen geht in den meisten Fällen von nahestehenden Männern aus. Wovon reden wir hier? Von Ex-Partnern, von Partnern, Lebensgefährten, Vätern, Ehemännern, Söhnen, männlichen Verwandten. Die Statistik spricht hier eine sehr klare und erschreckende Sprache. Fast jede 5. Frau erlebt ab ihrem 15. Lebensjahr psychische und oder sexualisierte Männergewalt. Jede 3. Frau wird ab dem 15. Lebensjahr sexuell belästigt. Ich weiß, wir hören diese Zahlen immer wieder, aber es ist dennoch immer wieder wichtig, darauf hinzuweisen.
Ja, die extremste Form der Männergewalt stellen die Femizide dar, also sogenannte Frauenmorde. Frauen werden ermordet, weil sie Frauen sind. Frauen werden ermordet, weil Männer glauben, sie könnten über ihre Körper verfügen. Und sie werden ermordet, weil Männer glauben, dass Frauenkörper Besitz sind. Das Problem ist sozusagen eine toxische Vorstellung von Männlichkeit. Das Problem ist sozusagen nicht nur auf die Herkunft oder nicht auf die Herkunft zurückzuführen, sondern das Problem heißt Patriarchat. Nicht die Herkunft der Täter bestimmt ihr Handeln, sondern ihre patriarchale, sexistische und toxisch männliche Denkweise. Ja, die Pandemie hat diese Situation für die Frauen massiv verschlimmert, wir wissen es. Die Covid-19-Schutzmaßnahmen, Homeoffice und Homeschooling gibt den Frauen weniger Ausweichmöglichkeiten gegenüber ihren gewalttätigen Partnern. Wir sehen, dass es 2020 einen deutlichen Anstieg der Anrufe bei der Frauen-Helpline gegen Gewalt gegeben hat, auch wenn die Frauenministerin das immer wieder versucht kleinzureden. Im Zeitraum von März bis Juni 2020 gab es bei der Frauen-Hotline einen Anstieg um 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, und im Dezember 2020 waren es im Vergleich zum Vorjahr um 33 Prozent mehr. Die Männergewalt an Frauen reißt eben nicht ab, das Gegenteil ist leider der Fall und die Femizide stellen eben diese sehr traurige misogyne Spitze des Eisbergs dar.
Was kann die Stadt Wien jetzt tun? - Die Stadt tut eh viel. Die Stadt Wien tut sicherlich sehr viel mehr als alle anderen Bundesländer, das ist unbestritten. Es gibt ein breites Gewaltschutznetz, auf das wir zu Recht stolz sein können. Es gibt eine Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie und viele Frauenberatungsstellen und Einrichtungen, die von Gewalt betroffene Frauen dabei unterstützen, sich dagegen zu wehren, und auch Schutzräume ermöglichen. In Wien gibt es einen eigenen Frauennotruf, der 24 Stunden erreichbar ist, wobei ich auch sehr stolz darauf bin, dass dieser mehrsprachig ist.
Es braucht aber angesichts dieser verschärften Situation der Covid-19-Pandemie eine Art Direkthilfe im Grätzl, denn durch Lockdown und Quarantäne wird die ständige Anwesenheit des Gewalttäters zu einem - drücken wir es einmal so aus - permanenten Bedrohungszustand. Viele Frauen haben keine Möglichkeit, sich da schnell Hilfe zu suchen, bis es vielleicht zu spät ist. In einer solchen Lage in der Quarantäne ist es auch relativ schwierig, den Notruf zu wählen, wenn der Täter sich im gleichen Raum beziehungsweise im Nebenraum aufhält und vielleicht mitbekommt, dass dieser Notruf gewählt wird.
In Frankreich wird auf dieses Problem mit einem neuen Angebot der Direkthilfe mit dem Codewort „Maske 19“ reagiert. Das ist eine Initiative der überparteilichen Initiative ZONTA: Frauen können den MitarbeiterInnen in Apotheken signalisieren, dass ihnen Gewalt droht und sie Hilfe brauchen. Das ist sehr direkt, einfach und niederschwellig. Wird dieser Code genannt, dann wird die Polizei seitens der Apothekenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter informiert. Nicht nur Frankreich hat diese sinnvolle Hilfeleistung eingeführt, auch Belgien und viele Provinzen Spaniens bieten diesen Schutz an. Warum Apotheken? - Apotheken sind auch deshalb so gut geeignet, weil sie im eigenen Grätzl sehr leicht erreichbar sind und weil der Besuch von Apotheken von Tätern wohl eher nicht als etwas Verdächtiges erachtet wird.
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