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Gemeinderat, 5. Sitzung vom 25.02.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 115 von 127

 

Eigentum in Wien gefördert werden. Wie sagte Bgm Ludwig noch als Wohnbaustadtrat am 26. Jänner 2011 hier im Gemeinderat? - „Ich bin ein großer Freund der Kleingartenbewegung. Ich glaube, es ist gut so, dass die Kleingärtnerinnen und Kleingärtner günstigere Rahmenbedingungen haben als alle anderen, die in unserer Stadt bauen.“ - Womöglich bezieht sich das aber auf seinen eigenen Kleingarten, den er wahrscheinlich noch rechtzeitig gekauft hat.

 

Der Rechnungshofbericht aus dem Jahr 2017 wird immer wieder - wir haben das vorher auch schon gehabt - im Zusammenhang mit Kleingärtnern als Grund für den abrupten Meinungsschwenk der SPÖ genannt, und es geht in dem Bericht um drei wesentliche Punkte: Der erste ist die mögliche Entwicklung der Grundreserven. Auf Grund des Kündigungsverzichts bis 2043 wären eine strategische Entwicklung, Bewirtschaftung und Verwertung dieser Gebiete langfristig erschwert. Da ändert aber ein Verkaufsverbot nicht wesentlich etwas daran, weil die Rechte der bisherigen Pächterinnen und Pächter ja weiterhin bestehen bleiben. Da ist die Frau Stadträtin gefordert, dass die Rechte der Pächterinnen und Pächter auch weitergehen und dass Kleingärten auch weiterhin erhalten bleiben, denn wir wollen ja nicht, dass die Kleingärten überhaupt irgendwie abgeschafft werden. Ich nehme an, das will die Frau Stadträtin auch nicht.

 

Es wird zweitens der finanzielle Entgang durch Reduktionen des Kaufpreises erwähnt, mit festgelegten Abschlägen vom Wert des Gutachtens. Das wird bemängelt. Wer einen Kleingarten gekauft hat, konnte mit Abschlägen von 10 bis 45 Prozent rechnen beziehungsweise geltend machen. Auch das ließe sich leicht mit neuen Regeln ändern, statt den Eigentumserwerb komplett abzuschaffen.

 

Drittens wird die intransparente und nicht nachvollziehbare Bewertung kritisiert. Hier gilt, dass die Immobilienbewertung den Verkehrswert ermitteln sollte, also jenen Preis, der bei einer Veräußerung der Sache üblicherweise im redlichen Geschäftsverkehr für sie erzielt werden kann. Auch diese Kritik des Rechnungshofes wäre leicht umsetzbar gewesen, wenn die Bewertungen genauer und ausführlicher erstellt worden wären, um den Verkehrswert präzise abdecken zu können.

 

Ein Argument, das wir im Ausschuss gehört haben, ist: Es ist ja der SPÖ und der Koalition so wichtig und immer schon so wichtig gewesen, dass die Kleingärten erhalten werden und dass das Verkaufen nicht mehr stattfinden kann, dass die Pächterinnen und Pächter nicht mehr kaufen können. - Ja, warum ist denn das so? Ich habe mir das angeschaut und wir haben das im Ausschuss schon diskutiert: Schaut man sich das Wahlprogramm der SPÖ an, dann findet sich das Wort Kleingärten oder Kleingarten exakt ein Mal darin, nämlich auf der Seite 60, wo es um thermisch-energetische Sanierung von Einfamilienhäusern geht. Das hat jetzt mit kaufen können oder verkaufen können nicht wirklich etwas zu tun. Schaut man sich das Koalitionspapier an, findet sich das Wort Kleingärten oder Kleingarten auch ein Mal drinnen, nämlich auf der Seite 153, wo es um Stadtbildung, Grünraum und um eine Strategie geht, wie mit diesem Grünraum dauerhaft umzugehen ist. Wenn man also sagt, das sei immer das Thema gewesen, dann hätte ich mir schon erwartet oder gedacht, dass das dann in einem Wahlprogramm steht, denn wenn es einem so wichtig ist, dann sollte man das auch reinschreiben. Ich hätte es nicht gefunden, es war aber anscheinend immer schon so wichtig und darum hat man das jetzt gemacht.

 

Aber auch auf den Koalitionspartner NEOS ist da nicht wirklich Verlass beziehungsweise gibt es ein Glaubwürdigkeitsproblem in Bezug auf die Kleingärten. Die NEOS waren seit Jahren die Einzigen, die gegen den Verkauf von Kleingärten gestimmt haben. Kollege Gara schaut mich jetzt an, er hat am 29. März 2019 im Rathaus gesagt: „Deswegen stimmen wir auch immer gegen den Verkauf von Kleingärten.“ - Herr Kollege, diese Überzeugung hat nicht ganz zwei Jahre gehalten. Die NEOS haben seit Beginn der Koalition exakt 105 Mal für den Verkauf von Kleingärten gestimmt, seitdem ich im Ausschuss bin. Ich dachte, Sie stimmen immer dagegen, aber die Prinzipien sind da anscheinend koalitionsbedingt abhandengekommen. Abseits des Meinungsumschwungs bleibt es doch verstörend, dass gerade eine angeblich liberale Partei wie die NEOS der Eigentumsbildung einen Riegel vorschieben wollen. Das fügt sich aber gut in das Bild des kleinen geduldeten Koalitionspartners einer übermächtigen roten SPÖ ein.

 

Wir werden also von der angeblichen Fortschrittskoalition vor vollendete Tatsachen gestellt, und über die Pächterinnen und Pächter in den diversen Kleingartenanlagen wird einfach drübergefahren. Es soll zwei Ausnahmen für den Erwerb von Kleingärten noch bis Ende des Jahres geben: Wenn innerhalb einer Kleingartenanlage bereits mehr als 80 Prozent der Kleingärten verkauft wurden, dann besteht für die verbleibenden Pächterinnen und Pächter noch bis Jahresende 2021 eine Ankaufsmöglichkeit, auch das ist schon erwähnt worden. Die bisherige Regelung galt bis zum Stichtag 31. Jänner 2021. Wir erinnern uns, genau da war die Ankündigung via Medien - nicht via die Gremien, sondern via Medien -, dass der Verkauf von Kleingärten ab nun gestoppt ist. Die Kollegen von der FPÖ haben das auch schon gesagt, man hatte keine Chance, sich dann nachher noch für den Kauf eines Kleingartens zu entscheiden. Wer bis zu diesem Tag Ausgaben im Zusammenhang mit dem Kleingarten getätigt hat, kann auch noch bis Ende 2021 einen Antrag auf Ankauf des Kleingartens stellen. Man fragt sich ein bisschen, ob das der Gummiparagraph ist, damit die überraschten Genossinnen und Genossen, die ihren Kleingarten doch noch nicht gekauft haben, da noch ein Schlupfloch haben. Faktum bleibt, dass da ohne Vorwarnung massive Eingriffe in die bisherigen Rechte der Pächterinnen und Pächter vorgenommen wurden.

 

Ich wollte es eigentlich nicht, aber Kollege Prack hat gesagt, wir diskutieren ja nachher noch darüber. Er hat heute in Online-Medien, nämlich auf Instagram, ein Sujet gepostet, das Marie Antoinette mit dem ihr fälschlich zugeschriebenen Spruch „Wenn das Volk kein Brot hat, dann soll es doch Kuchen essen.“ verwendet. Der

 

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