Gemeinderat, 4. Sitzung vom 28.01.2021, Wörtliches Protokoll - Seite 79 von 100
Ein ganz besonders wichtiges Anliegen findet sich ebenfalls im Antrag wieder, was mich ganz persönlich sehr freut, und zwar die Förderung der Errichtung von Steinen der Erinnerung. Mit diesen Steinen kann Gedenkarbeit schon direkt vor der Haustüre beginnen. Diese Steine leisten einen extrem wichtigen Beitrag gegen das Vergessen, indem sie so an die Vertriebenen und Ermordeten erinnern. Alleine in der Landstraße, um ein Beispiel zu nennen, wurden mittlerweile schon 78 dieser Stolpersteine verbaut, die insgesamt an 2.063 ermordete Jüdinnen und Juden erinnern. Also schön, wenn wir es mit unserer Initiative schaffen, dieses Projekt weiter auszubauen.
Abschließend möchte ich noch auf einen wichtigen Punkt eingehen. Gedenken und Erinnern muss bereits in der Schule in jungen Jahren beginnen. Wenn wir in Studien lesen, dass nicht einmal ein Drittel der Wiener AHS-Schüler den Begriff Antisemitismus definieren kann, dann kann uns das nur schockieren. So etwas darf einfach nicht sein. Da braucht es dringend Maßnahmen und neben dem Jüdischen Museum und seinen vielen wichtigen Initiativen gibt es ja auch das Projekt „Likrat“, wo jüdische Jugendliche an Schulen gehen und mehr über sich und das Judentum erzählen. Auch dieses Projekt wollen wir mit unserem Antrag weiter unterstützen und ausbauen. Und eines möchte ich an dieser Stelle noch festhalten: Antisemitismus bekämpfen wir nicht einfach nur mit einzelnen Maßnahmen. Antisemitismus müssen wir jeden Tag, Schritt für Schritt, auf jeder Ebene gemeinsam bekämpfen. Ich freue mich, dass wir mit diesem Antrag einen weiteren Schritt gehen.
Ich freue mich auch, das möchte ich noch extra betonen, dass wir damit heute gemeinsam signalisieren, dass Gedenken und dieser Kampf gegen Antisemitismus keine Frage der Parteipolitik ist und auch nicht sein darf. Es ist ein gemeinsamer Weg, den wir jeden Tag aufs Neue gehen müssen, um unsere demokratischen Grundwerte zu verteidigen. Wirklich danke, dass wir das heute tun. - Danke schön.
Vorsitzende GRin Dr. Jennifer Kickert: Danke für die Desinfektion. - Als Nächster zu Wort gemeldet ist GR Kunrath. Bitte.
GR Nikolaus Kunrath (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Werte Damen und Herren vor dem Livestream! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Gerne unterstützen wir diesen Antrag betreffend nationale Strategie gegen Antisemitismus, der ja auch schon im Regierungsübereinkommen zwischen ÖVP und GRÜNEN vereinbart und nun fertig ausgearbeitet wurde.
„Die Würde des Menschen und ihr Schutz vor Verletzung bilden eine unverzichtbare Grundlage menschlichen Zusammenlebens in unserer Gesellschaft. Zu dieser Grundlage gehört, dass alle Formen der Anfeindung sowie Übergriffe auf Menschen auf Grund ihrer religiösen Zugehörigkeit oder Herkunft eine inakzeptable Verletzung ihrer Würde darstellen. Zu den zentralen Aufgaben jedes demokratischen Rechtsstaates mit seinem obersten Ziel, das gemeinsame Wohl aller sicherzustellen, gehört es deshalb auch, Antisemitismus und die daraus resultierenden Formen von Hassverbrechen zu unterbinden.“
Das ist der erste Absatz der Einleitung der Strategie der Republik Österreich zur Verhütung und Bekämpfung aller Formen von Antisemitismus. Das ist der erste Absatz eines Strategieplanes, den wir hier heute einstimmig beschließen wollen.
Ich möchte alle, und zwar meine ich damit auch wirklich alle, dazu auffordern, sich einmal selbst zu besinnen, ob Sie diese Punkte tatsächlich überall für sich selbst sehen und tatsächlich in Ihrer Arbeit auch so sehen würden. Ich bin nicht Theologe, um hier exegetisch zu predigen, sondern ich bin Politiker, um hier daran zu arbeiten, dass genau das passiert. Mir genügt es nicht, wenn schnell mal die Hand gehoben wird, weil das Thema in Wien heikel ist, sondern man muss sich auch damit auseinandersetzen. Vielleicht fällt es dem einen oder anderen einfacher oder schwerer.
Wenn ich so manche diskriminierenden Worte und Verharmlosungen sehe, wie spezifisch gegen religiöse Gruppen in Wahlkämpfen gehetzt wurde oder gehetzt wird, wenn ich mir regelmäßig den Antirassismusbericht von der Organisation ZARA und den Jahresbericht von „Helping Hands“ - diese Organisation wurde ja heute schon einmal sehr scharf kritisiert, ich verstehe diese Kritik überhaupt nicht - anschaue und wenn ich mir den Bericht der Antisemitismusmeldestelle ansehe, erschreckt, welcher Zahlen zu Rassismus und welcher Zahlen zu Antisemitismus wir jedes Jahr in Wien gewahr werden. Rechtsextremismus geht nicht und Rechtsextremismus muss verhindert werden.
Meine Vorgängerin hat das heute schon angesprochen: Wenn bei Anti-Covid-Demonstrationen rechtsnationales Gedankengut, antisemitische Äußerungen und Ähnliches passiert, dann haben wir alle darauf zu achten, jeder Einzelne darauf einzugehen und nicht nur die, die eh darauf eingehen. Wenn ich mir anschaue, welche Anzahl an antisemitischen Vorfällen alleine im 1. Halbjahr 2020 waren, das ist jetzt die Zahl der Meldestelle zu Antisemitismus: 257 Angriffe im 1. Halbjahr - davon 3 physische Angriffe, 8 Bedrohungen, 26 Sachbeschädigungen -, dann hört sich für mich der Spaß mehr als auf. Wir haben zu diesen Verbreitern der Corona-Verschwörungen und -mythen endlich einmal auch klar zu sagen: Bleibt dort, wo ihr hingehört, nämlich zu Hause, und schützt dabei bitte alle anderen. Wien ist bei all diesen Vorfällen leider auch keine Insel der Seligen, sondern in vielen Fällen immer wieder ganz vorne. Umso bedeutsamer sind vor diesem Hintergrund die umgesetzten Maßnahmen der Bundesregierung, nämlich eine solche Nationale Strategie gegen Antisemitismus durchzuführen, aber es braucht auch Best-Practice-Modelle.
Diese hat Wien als Menschenrechtsstadt auch vorzuweisen, wir müssen sie verbessern und erweitern, so gibt es Förderungen für „Helping Hands“ oder ZARA und so gibt es auch das Jüdische Museum Wien. Ich bin froh, dass das Jüdische Museum von der Stadt Wien unterstützt wird, gleichzeitig sehen wir, dass diese Förderung laut Antrag nun 3,9 Millionen EUR sind. Das mag im ersten Moment viel klingen, abgesehen davon, dass das
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