Gemeinderat, 68. Sitzung vom 26.05.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 66 von 73
die Masken gekommen. Das war ganz schwierig, gerade um den Nestroyplatz herum. Und dann war es natürlich auch auf dem Radweg, auf dem ich fahre, der ja auf jeder Seite nicht wahnsinnig breit ist, so: Wenn dann die zwei Meter oder eineinhalb Meter Abstand einzuhalten sind, dann stehen vor mir zehn Radlfahrer. Zehn Radlfahrer mal zwei Meter, samt dem Fahrrad, das macht schon ein schönes Stück aus. Das heißt, da waren einfach Kolonnen von Radlfahrern angestellt. Es waren damals eine Zeitlang sogar mehr Radfahrer unterwegs - also der Stau vom Kollegen von DAÖ, vom Kollegen Baron, der war eigentlich am Radweg zuerst, bevor er angeblich auf der einen Stadtauswärtsspur war.
Und da denke ich mir, das ist eine Geschichte, die plötzlich ganz anders war. Dort habe ich heute geschaut: Es sind seit Jahresbeginn über 400.000 Fahrten gewesen, und es hat Zeiten gegeben, wo mehr Radlfahrer unterwegs waren als Autofahrer und Autofahrerinnen - auf einem viel, viel kleineren Platz. Kollegin Emmerling hat dankenswerterweise die Prozentzahlen genannt, und diese Prozentzahlen sind schon interessant. Wie viel hat in Wirklichkeit der Autofahrer, die Autofahrerin, stehend und fahrend beim Straßenquerschnitt? - Man weiß es eh: Zwei Drittel, das sind 65, 66, 67 Prozent, gehören dem Autofahrer.
So, die Praterstraße: 67 Prozent gehören dem Autofahrer - da hätte man Fußball spielen können, es wäre niemand zu Schaden gekommen, nur hie und da fuhr einmal ein Auto -, gleichzeitig macht der Platz für die Fahrradwege relativ wenig aus. Das heißt also, der öffentliche Verkehr, der Fahrradverkehr und die Zufußgeherei haben in Wirklichkeit ein Drittel des Straßenquerschnittes zur Verfügung. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen! Schauen wir uns jetzt aber an, wie es in Wien mit dem Modal-Split aussieht: 27 Prozent der Wege werden mit dem Auto erledigt, rund 38 Prozent mit dem öffentlichen Verkehr, 7 Prozent mit dem Fahrrad und 28 Prozent - also mehr als mit dem Auto - mit dem Zufußgehen. So, das heißt: 27 Prozent der Fahrten haben 67 Prozent des Straßenraumes zur Verfügung.
Jetzt hat Kollege Mahdalik einmal hier gesagt: Ja, aber die Autos sind größer! - Ja, das ist wahr, die Autos sind schon größer, aber in Wirklichkeit sitzt in jedem Auto trotzdem nur einer oder eine drinnen, meistens nur einer, weil hauptsächlich Männer mit dem Auto fahren, eher weniger Frauen.
Und in dieser Situation war die Antwort international - und zwar in Paris, Berlin, London und auch noch sonst wo -, Pop-up-Radwege zu schaffen, weil man Platz für die Fahrradfahrer braucht und die Autofahrer eh nicht so viel Platz brauchen.
So, wenn man sich anschaut, was Menschen machen, wenn sie zu Hause in Quarantäne sitzen, dann sieht man - sie dürfen ja Sport betreiben -, dass auf der Donauinsel - ich wohne übrigens auch im 22. Bezirk, nicht nur der Herr Mahdalik wohnt dort -, rund um die Alte Donau ganz viel los war. Und rund um die Alte Donau hat es drüben auf der Kagraner Brücke eine Baustelle gegeben, und zwar auf der flussaufwärts gelegenen Seite, und alle Radlfahrer mussten auf den Fußweg runter. Dann war ein Rollifahrer da drinnen, es waren Menschen mit Kinderwägen da drinnen - es war einfach ein Stau! Und auf der Kagraner Brücke: sechs Streifen, dreieinhalb Autos. - Das ist eine Ungerechtigkeit unglaublicherweise! Es schreit also danach - ich habe auch mit dem Bezirksvorsteher einmal eine schärfere Telefondebatte dazu gehabt -, dass da etwas passiert.
So, jetzt gibt es dort einen Pop-up-Radweg - gegen den übrigens beim Behördenverfahren niemand, auch nicht die Wirtschaftskammer, einen Einspruch erhoben hat, aber über diese zwei Pop-up-Radwege auf der Praterstraße und auf der Kagraner Brücke - nicht einmal ganz auf der Brücke, sondern auf dem Vorfeld der Brücke - gibt es jetzt eine irrsinnige Aufregung: Wahnsinn, die Autofahrer! - Noch einmal: 27 Prozent der Menschen fahren mit dem Auto und haben 67 Prozent des Platzes, sind also ausreichend ausgestattet mit Platz, aber regen sich irrsinnig auf - und zwar nicht einmal so sehr die Autofahrer, nicht einmal der ÖAMTC, sondern vor allem die FPÖ.
So, jetzt fahre ich dort manchmal mit dem Fahrrad, und auf einmal sehe ich, dass eine bekannte Gestalt dort auf der Brücke im Rad-Outfit steht und telefoniert. Wer war das? - Der Kollege Mahdalik. Er telefonierte! Er ist nicht mit dem Radl gefahren - zumindest ist er, als er telefoniert hat, dort gestanden. Aber er hat den Pop-up-Radweg, der doch so schlecht ist, ja benutzt. Wahrscheinlich war er nur auf Factfinding-Mission, aber er fährt sonst auch mit dem Fahrrad und erklärt vollmundig, wir sollen uns alle ein Beispiel nehmen. Er fährt, was hat er gesagt, 2.500 km im Jahr mit dem Fahrrad. Also ich fahre 7.000 km und mache nicht so einen Wind wie er. - Wurscht.
Noch einmal, ich weiß jetzt: Was wir hier nicht haben, ist Gerechtigkeit im öffentlichen Raum. Wenn in Wirklichkeit fast drei Viertel der Bevölkerung nur ein Drittel des Straßenraums zur Verfügung haben, so ist das einfach ungerecht. Und da ist das bisschen Pop-up-Radweg da oder dort oder das bisschen an temporärer Begegnungszone einfach ganz etwas Normales. Eigentlich müssten die Verhältnisse, wenn es wirklich gerecht zuginge, ganz anders aussehen.
Also: Das Konzept der Begegnungszone heißt Shared Space, kommt aus Holland, und in der Schweiz ist das gang und gäbe. Dort ist es so, dass es dazu überhaupt kein Herumgekrähe mehr gibt, sondern das ist so.
Jetzt sind manche Begegnungszonen temporärer Art nicht angenommen worden, das stimmt. Warum sind sie nicht angenommen worden? - Weil die Menschen dort in Wirklichkeit zwischen den Autos, falls doch ein Auto gekommen wäre oder gekommen ist, einfach nicht ausweichen können. Jetzt sind wir oder ist die Frau Vizebürgermeisterin nicht hergegangen und hat gesagt, die Autos müssen alle weg - in Paris hingegen ist das gang und gäbe. Dort fährt kein Mensch mehr auf den Champs-Élysées, dort ist die Stadtautobahn geschlossen worden! Das kann man sich bei uns gar nicht vorstellen. Und die Frau Bürgermeisterin ist in Paris wiedergewählt worden,
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