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Gemeinderat, 67. Sitzung vom 29.04.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 39 von 53

 

uns bei dieser Angelegenheit ganz wesentlich irritiert, ist die Art und Weise, wie diese Förderung zustande kommt. Tatsächlich handelt es sich hier nämlich um die nachträgliche Genehmigung einer Verfügung des Wiener Stadtsenates.

 

Die Wiener Stadtverfassung erlaubt in § 98 dem Stadtsenat ausnahmsweise - sozusagen im Notfall - Verfügungen zu treffen, dann, wenn ein erheblicher Nachteil droht, wenn man die demokratisch legitimierten Mittel und Methoden nicht ausschöpfen kann, dann, wenn es sich nicht ausgeht, einen Ausschuss oder den Gemeinderat zu befassen. Konkret heißt es hier in § 98 Abs. 2 der Wiener Stadtverfassung: „Ebenso ist er berechtigt,“ - nämlich der Stadtsenat - „bei dringlichen Fällen in Angelegenheiten, die in den Wirkungsbereich eines Ausschusses fallen, Verfügungen zu treffen, insbesondere Ausgaben zu beschließen, wenn die Entscheidung des Ausschusses ohne Nachteil für die Sache nicht abgewartet werden kann.“

 

Es ist also eine Notfallbestimmung des Wiener Stadtsenates - und genau darauf zielt nun meine Kritik ab -, die hier gleichzeitig die sonstigen demokratischen Mittel und Möglichkeiten ausschließt. Eine Notfallmöglichkeit, die eben verhindert, dass ein demokratisch legitimierter Ausschuss darüber befassen kann, darüber diskutieren kann, und die auch verhindert, dass der Gemeinderat rechtzeitig darüber diskutiert. Es wird wie im Notfall gehandelt. Und bei dieser ganz konkreten Subvention frage ich mich, worin genau denn bitte dieser unaufschiebbare Notfall besteht, wenn wir davon ausgehen, dass wir vor genau einem Monat die letzte Gemeinderatssitzung hatten, wenn wir davon ausgehen, dass der Ausschuss soeben erst getagt hat, und wenn wir davon ausgehen, dass der Stadtrat jederzeit die Möglichkeit hat, innerhalb von einer Woche einen Ausschuss zusammenzurufen, auch dann, wenn er nicht im Jahreskalender drinnensteht. Innerhalb von einer Woche kann der Stadtrat jederzeit einen Ausschuss zusammenrufen und dort demokratische Gremien darüber diskutieren lassen. Worin also besteht dieser Notfall?

 

Und jetzt vergleichen wir das - ich weiß schon, wir haben eine Situation mit Corona -, was bei dem konkreten Aktenstück passiert ist, mit dem, was hier sonst in den letzten Wochen vorgefallen ist: Keine Frage, die Stadt Wien hat rasch und unbürokratisch gehandelt, als es darum gegangen ist, Fördermaßnahmen zu setzen, die viele, zehntausende Gewerbetreibende kurzfristig absichern sollten. Wir haben derzeit eine Situation, wo in ganz Österreich fast 35 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung nicht beschäftigt oder in Kurzarbeit ist, das sind 1,1 Millionen Menschen - mit Stand gestern - in Kurzarbeit, und es sind etwa 580.000 Menschen arbeitslos gemeldet. Das sind in Summe 35 Prozent der sonst erwerbstätigen Bevölkerung in ganz Österreich, einschließlich auch der Selbstständigen, die jetzt ihren Beruf nicht ausüben können. All diese haben jetzt ganz massive Einbußen in ihrem Erwerbsleben hinzunehmen. Und für all diese gibt es die verschiedensten Fördermaßnahmen seitens des Bundes, seitens der Stadt Wien.

 

Daneben hebt die Gemeinde Wien dann bis heute auch noch jede Menge Beiträge von all den Menschen ein, die jetzt deutlich weniger verdienen. Das ist einerseits bei den Kindergärten so, wir haben das heute schon einmal diskutiert. Nicht beim Sockelbeitrag, den übernimmt ja jetzt die Stadt Wien - man möchte fast sagen, es wäre ja noch schöner, wenn Kinder jetzt noch dafür zahlen müssten, dass sie den Kindergarten nicht benutzen können -, aber beispielsweise die Erhöhungsbeiträge für zusätzliche Grünflächen fallen für die Eltern trotzdem an. Das ist auch bei den Musikschulen so. Heute haben wir von Minister Faßmann gehört, dass der Unterricht für Musikinstrumente in den Musikschulen bis zum Semesterende weiterhin eingestellt bleiben soll. So habe ich es gerade vorher auf „orf.at“ gelesen. Die Stadt Wien hat erst letzte Woche an sämtliche Schülerinnen und Schüler von Musikschulen völlig zwanglos den entsprechenden Halbjahresbeitrag für den Instrumentenunterricht ausgeschickt. Warum ich das weiß? Weil ich selbst zwei Kinder habe, die auch Instrumente erlernen, und wir uns einigermaßen überrascht gezeigt haben über die Vorschreibung eines Semesterbeitrages in voller Höhe für einen Unterricht, der gar nicht stattfindet. Die Buchhaltungsabteilung erklärt sich in dieser Frage für unzuständig.

 

Während also auf der einen Seite die Wienerinnen und Wiener, die jetzt zu einem guten Teil deutliche Gehaltseinbußen, Einnahmeneinbußen - wenn wir auch von Selbstständigen reden - hinnehmen müssen, von der Stadt Wien geschröpft werden, die es offenbar nicht für notwendig befindet, hier rechtzeitig irgendwelche Maßnahmen wie etwa die Herabsetzung von Beiträgen in den Musikschulen zu treffen, wird auf der anderen Seite mit einer Notfallermächtigung ein nicht unerheblicher Betrag - immerhin 151.000 EUR - völlig zwanglos an irgendeinen beliebigen Verein Forum Arena Wien ausgeschüttet. Ich spare mir jetzt die ganze inhaltliche und ideologische Debatte, man könnte das auch noch stundenlang fortführen. Wir haben auch viel darüber diskutiert, was denn dieser Verein so Wesentliches leistet.

 

Für mich bleibt am Ende die Frage, wenn ich den Vergleich ziehe zwischen Menschen, die ihr Einkommen nicht mehr in dieser Form bekommen, die massive Einkommenseinbußen haben, aber auf der anderen Seite von der Stadt Wien geschröpft werden, warum da die Maßnahmen ausbleiben, aber wenn es um eine offensichtlich ideologisch motivierte oder notwendige Förderung an einen Verein geht, dann wird unter Ausschaltung von demokratischen Mitteln und Möglichkeiten von der Notfallkompetenz Gebrauch gemacht. Das halte ich persönlich für eine Umgehung der demokratisch legitimierten Verfassung und für eine fast böswillige Umgehung dieser Landesverfassung in Wien. Und aus diesem Grund lehnen wir diesen Antrag kategorisch ab.

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Zu Wort gelangt Herr GR Mag. Gremel. - Bitte, Herr Gemeinderat.

 

13.19.05

GR Mag. Marcus Gremel (SPÖ)|: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Geschätzter Herr Berichterstatter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

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