Gemeinderat, 3. Sitzung vom 16.12.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 30 von 101
gen, dass es nach wie vor relevant ist, ob man als Mädchen oder als Bursch zur Welt kommt. Das Geschlecht hat den Lebensverlauf und die Gestaltungsmöglichkeiten des Lebens fest im Griff. Welchen Einfluss solche Rollenbilder haben, ich glaube, dass ist hier niemandem wirklich zu 100 Prozent bewusst. Oder wussten Sie zum Beispiel, dass Frauen bei Mathematiktests dann schlechter abschneiden, wenn sie zuvor auf dem Testbogen ihr Geschlecht ankreuzen mussten? Alleine die Tatsache, dass sie ihr Geschlecht bewusst machten und damit das herrschende Rollenverständnis, nämlich dass Frauen nun mal schlechte Naturwissenschaftler sind, wachrufen, führt zu einem schlechteren Testergebnis.
Für den Einfluss solcher Geschlechtsstereotype gibt es zahlreiche weitere Beispiele, ich könnte darüber natürlich ganz, ganz lange sprechen, diese 40 Minuten ausschöpfen. Ich möchte allerdings noch ein weiteres Beispiel bringen: Wird etwa ein Test zum räumlichen Vorstellungsvermögen mit Technik in Verbindung gebracht, schneiden tatsächlich Männer besser ab als Frauen. Wird hingegen derselbe Test in den Kontext von Bekleidungsdesign gestellt, schneiden Frauen bei ein und demselben Test besser ab als ihre männlichen Pendants.
Das ist schon mal, glaube ich, etwas, das wir hinnehmen müssen und ich auch runterschlucken muss. Fast noch erschreckender ist aber die Tatsache, dass das Geschlecht natürlich auch außen Auswirkungen auf die Fremdeinschätzung hat. Bei einer Studie wurden 100 Universitätsprofessoren gebeten, ein und denselben identischen Lebenslauf zu beurteilen. 75 Prozent der Universitätsprofessoren befanden den Mann für kompetent und lediglich 25 Prozent die Frauen.
Was ich damit sagen möchte, ist, und da muss ich meiner Vorrednerin leider widersprechen, dass das keine ideologischen Spielwiesen sind, da geht es um Rollenbilder, die aufgebrochen werden müssen. Ich gebe zu, Rollenbilder sind für unsere Identität wichtig, Sie sind allerdings dann problematisch, wenn sie mit Einschränkungen und Minderbewertung verbunden sind und Ungleichheit legitimieren. Es geht darum, Rollenbilder kritisch zu hinterfragen und darauf hinzuwirken, dass sie offen sind, sodass eine individuelle Entfaltung möglich wird. Es ist mehr Sensibilisierung notwendig für das, was an Bewertung mit dem sozialen Geschlecht verbunden ist. Es ist wichtig, dass die Gesellschaft auf die Geschlechterrollen sensibilisiert wird, und da müssen wir schon bei den kleinen Kindern anfangen, bei Mädchen, natürlich auch später ansetzen, vor allen Dingen bei Teenagern, wenn sie in der Pubertät gerade ihre Rolle suchen und finden wollen. Sie müssen wir begleiten und ihnen auch Alternativmodelle aufzeigen. Das tun auch ganz, ganz viele dieser Vereine, deren Förderanträge wir hier heute verhandeln.
Traditionelle Rollenbilder sind ganz stark auf die Zweigeschlechtlichkeit von Mann und Frau ausgerichtet. Frauen sollen schutzbedürftig, sanft, schwach sein, Männer hingegen dominant, beschützend und die Ernährer. Diese Zuschreibungen geben eine Hierarchie von Stärke und Schwäche vor. Das aufzubrechen und hier Aufklärungsarbeit zu leisten, ist wahnsinnig wichtig und keine ideologische Spielwiese. Stärkung, Perspektivenerweiterung, Bewusstseinsbildung, Entscheidungsfindung, die selbstständig stattfindet, dass es da Anlaufstellen gibt, die genau das tun, das ist wahnsinnig wichtig.
Für Frauen, aber auch für Männer gilt, die Wahl des Lebensentwurfs muss immer eine bewusste Entscheidung vor dem Hintergrund der eigenen individuellen Vorlieben und Fähigkeiten sein, die nicht durch unreflektierte und festgefahrene Rollenbilder in eine bestimmte Richtung gelenkt werden. Hierfür wollen wir das notwendige Bewusstsein schaffen, und um ganz vieles geht es auch bei diesen Förderanträgen.
Zu guter Letzt möchte ich noch vor allen Dingen Richtung Grünen sagen, weil sie hier auch einen Antrag eingebracht haben: Allein die Mädchen- und Frauenvereine, die wir hier heute behandeln, erhalten eine wirklich gute Erhöhung der Fördermittel. Ich möchte das wirklich noch einmal bewusst machen, dass das nicht etwas ist, das wir in irgendeiner Form vernachlässigen. Ich habe in den letzten Tagen auch wirklich sehr, sehr viele E-Mails von Frauen bekommen - mitunter auch von Frauen, die in den letzten Jahren den Wiener Frauenpreis bekommen haben -, die wirklich sehr schockiert darüber waren, welche Falschnachrichten oder Halbwahrheiten von den Grünen in den letzten Tagen in Bezug auf das Frauenbudget passiert sind. Diese sind auch bei der MA 57 sehr gut vernetzt, sie haben dort angerufen und natürlich die richtigen Informationen bekommen. Ich hoffe, da kommt noch eine Richtigstellung.
Ich sage danke schön, auch wenn ich die 40 Minuten nicht ausgeschöpft habe.
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau GRin Spielmann. Ich erteile es ihr.
GRin Viktoria Spielmann, BA (GRÜNE): Sehr geehrte KollegInnen! Liebe Vorsitzende! Liebe ZuhörerInnen!
Ich muss auf jeden Fall gleich einmal mit der Kollegin von der FPÖ, Frau Matiasek, anfangen: Es ist schon erstaunlich, dass Sie selbst den frauenpolitischen Schwerpunkt hier für Ihre rassistische Agitation nützen. Ich sage es ganz deutlich: Es gibt keinen Feminismus ohne Antirassismus und keinen Antirassismus ohne Feminismus, denn Frauenrechte sind unverhandelbar und Frauenrechte sind universell!
Ich freue mich sehr, dass wir heute ein bisschen länger über den frauenpolitischen Schwerpunkt reden können, denn im Unterschied zur Frau Matiasek werde ich meine inhaltliche Kritik auf einige Punkte reduzieren. Ich hatte doch den Eindruck, dass meine Kritik zum Frauenbudget letzte Woche sehr viel Staub aufgewirbelt hat und auch dazu geführt hat, dass es wohl offensichtlich diesen frauenpolitischen Schwerpunkt gibt. Bevor meine Kollegin Barbara Huemer später den frauenpolitischen Antrag einbringen wird, möchte ich noch ein paar Sachen zum Koalitionsabkommen sagen, da ich ja in der letzten Sitzung auf Grund der Redebeschränkungen keine Gelegenheit hatte, etwas dazu zu sagen.
Prinzipiell ist zum Frauenkapitel vom rosa-roten Koalitionsabkommen zu sagen, dass einige Weiterführungen
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