Gemeinderat, 2. Sitzung vom 11.12.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 47 von 101
es gibt Missstände, und da ist es Aufgabe der Opposition, diese Missstände aufzuzeigen und konstruktive Lösungsvorschläge anzubieten - und das ist genau das, was wir als neue Volkspartei tun.
Ich selber bin ein Vertreter eines Flächenbezirks, ich komme aus dem wunderschönen Liesing. Ich habe dort gerade auch während des Wahlkampfs sehr viele Gespräche mit Bürgern geführt und kann deswegen direkt von den Missständen dort berichten, die es ganz eindeutig gibt. Die Bautätigkeit in Wien ist rasant, Wien wächst, und wir bekennen uns zu diesem Wachstum, zu diesem Fortschritt. Wozu wir uns allerdings nicht bekennen, ist, dass dieses Wachstum großteils sehr planlos vollzogen wird, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Um zu Beginn meiner Ausführungen zu diesem Thema auch darauf einzugehen, was die Bedeutung der Stadterneuerung ist, habe ich mir ein bisschen die Homepage der Gebietsbetreuung Stadtteilmanagement, die Teil dieses Ressorts ist, durchgelesen, und dort ist Folgendes zu lesen: „Entwicklungen in den neu entstehenden Stadtteilen werden begleitet. Dabei werden auch die angrenzenden Wohngegenden und Stadtteile mitbetrachtet und in Aktivitäten miteinbezogen. Denn von den Entwicklungen sollen alle profitieren, die vor Ort leben. Egal, ob neu hinzugezogen oder schon länger hier lebend.“
Das heißt, die entscheidenden Kriterien sind: Die Handlungen sollen zielgerichtet sein, es sollen alle davon profitieren, und es braucht einen gesamthaften Blick. - Sehr geehrte Damen und Herren, diese Kriterien werden momentan einfach nicht erfüllt.
Ich kann dafür wieder meinen Heimatbezirk Liesing als Beispiel anführen. Dort wird jeder freie Fleck zubetoniert. Gleichzeitig ist es aber so, dass die Bewohnerinnen und Bewohner keinen Termin beim Hausarzt bekommen, dass die Öffis schwerst überfordert sind, und Kinder muss man in andere Bezirke in die Schule schicken, weil es einfach keine Plätze in öffentlichen Gymnasien in Liesing gibt. Und ja, es handelt sich da um eine Querschnittsmaterie (Zwischenruf.) - ja, das ist eine längere Diskussion, Frau Kollegin, die können wir gerne ein anderes Mal führen, das ist kein Problem -, die Stadterneuerung darf sich nicht nur um die Forcierung des Wohnbaus kümmern, es muss die Gesamtsituation im Blick behalten werden. Das muss ressortübergreifend geschehen, und in diesem Fall sehe ich natürlich auch die Verantwortung bei der Frau Stadträtin, insbesondere in ihrer Funktion als Vizebürgermeisterin, die diese Verantwortung auch wahrnehmen muss.
Spannend ist, dass die NEOS - weil mich Kollege Gara schon während der ganzen Rede so nett ansieht - die Stärkung der Außenbezirke als eine Koalitionsbedingung genannt haben. Das Problem ist aber: Wenn ich mir das Regierungsprogramm ansehe - und du wirst das auch wissen, Kollege Gara -, dann findet sich das Wort Außenbezirke dort nur zehn Mal wieder, das ist eigentlich nicht besonders oft, und nachhaltige und konkrete Maßnahmen und Forderungen findet man darin leider auch nicht. Um dem entgegenzuwirken, fordere ich mit meinen Kollegen in einem Beschlussantrag die rasche Ausarbeitung eines Gesamtplans der Stadterneuerung mit besonderer Berücksichtigung der Wiener Außenbezirke, und wir fordern darüber die sofortige Abstimmung.
Es handelt sich hier um eines der Hauptanliegen der Anwohnerinnen und Anwohner der Außenbezirke in Wien, und hier bestehen natürlich auch große Sorgen - und diese Sorgen teile ich -, und zwar einerseits, dass wir in einigen Jahren in unseren Außenbezirken und Flächenbezirken quasi leblose und lieblose Schlafkasernen vorfinden werden, und andererseits insbesondere eine große Sorge, dass sich Wohnlandschaften entwickeln, die von der Lebensqualität her deutlich schlechter sind als jene von heutzutage und die eher an Vorstädte von anderen Großstädten in Europa erinnern, aber nicht mehr an das Wien, so wie wir es heute kennen. Genau das ist das, was wir jetzt verhindern wollen und müssen. Ich will, dass diese Stadt, ich will, dass mein Bezirk, ich will, dass alle Flächenbezirke in Wien genauso lebenswert sind, heute und genauso auch in 10, 15 und 20 Jahren, und dafür muss jetzt gehandelt werden!
Abschließend möchte ich mich nur kurz noch bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Geschäftsgruppe für die Arbeit in einer mit Corona sehr herausfordernden Situation bedanken. - Vielen Dank.
Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Danke sehr. Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr GR Ellensohn. Ihre selbstgewählte Redezeit entspricht auch der fraktionellen Restredezeit von fünf Minuten. Ich stelle Ihnen diese ein und erteile Ihnen das Wort.
GR David Ellensohn (GRÜNE): Frau Vorsitzende! Frau Stadträtin! Meine Damen und Herren!
Die Anträge der GRÜNEN sind offensichtlich kräftig aufgeschlagen, denn die Kritik der größeren Regierungspartei haben wir vernommen. Wenn ich es kurz zusammenfasse: Im Wohnbau: 100 Jahre Gemeindebau, also gusch!, und was Frauenpolitik betrifft: Johanna Dohnal, also gusch! - Das war die Antwort.
Ich finde, dass die Sozialistische Partei tatsächlich vor 100 Jahren rund um den Bau von Gemeindewohnungen Hervorragendes geleistet hat und das auch sehr lange richtig gemacht hat, und ich finde, dass Johanna Dohnal eine ganz hervorragende Politikerin war, die Hervorragendes geleistet hat. Das Problem ist nur: Warum sind so viele junge Linke in den 1980er Jahren nicht zur Sozialdemokratie gegangen und junge Linke heute nicht bei der Sozialdemokratie? - Weil wir keine Zeitreisen machen können! Diejenigen, denen wir die Errichtung der Gemeindebauten vor 100 Jahren verdanken, das waren nicht wir, die wir hier sind. Zum Glück haben das andere Leute gemacht, aber darauf kann man sich nicht ewig ausruhen. Wer macht das jetzt?
Ich erinnere mich ein bisschen daran, wie ich hier angefangen habe. Als ich hier angefangen habe, hat man gesagt: Wir machen keine Gemeindewohnungen mehr! - Das war 2004. Schluss war mit dem Bauen von Gemeindewohnungen. Fertig, eingestellt! Null! 2005, 2006, 2007, 2008, 2009, 2010: Null! Keine mehr! Keine einzige auf den Weg gebracht! Dann kommen wir in die Regierung und können endlich sagen: Leute, könnten wir vielleicht wieder Gemeindewohnungen bauen? - Nein!,
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