Gemeinderat, 60. Sitzung vom 26.11.2019, Wörtliches Protokoll - Seite 30 von 102
für viele Menschen eines der größten Ziele im Leben sind, so gehört die Förderung von Eigentum auch für uns im Land Niederösterreich zu unseren wichtigsten Aufgaben. Und da jeder Schritt zum Ziel ein wichtiger ist, möchten wir Sie über den Stand Ihres Wohnbaudarlehens, das wieder abgezahlt worden ist, informieren.“ - So ein Brieferl hätten auch die Wiener ganz gerne. Solche Brieferl würden sie gerne bekommen, leider Gottes haben sie durch Ihre Politik in Wien keine Chance darauf. (Beifall bei der ÖVP und Bravo-Ruf von StR Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM.)
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Zu Wort gemeldet ist GR Peter Kraus, ich erteile es ihm.
GR Peter Kraus, BSc (GRÜNE): Vielen Dank. Herr Vorsitzender! Liebe Frau Stadträtin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher!
Ich möchte nur kurz auf die Debatte von vorhin eingehen, ich glaube nämlich tatsächlich, Reichtum anhand von Besitz alleine zu messen, ist ein bisschen aus der Zeit gefallen. Wir reden in allen Bereichen - und jetzt rede ich gar nicht übers Wohnen -, wir reden in der Mobilität, wir reden bei diversen Dingen des Lebens - und Kollege Weber hat zu Recht angesprochen, dass auch im Bereich Wohnen Flexibilität ein zunehmend wichtigeres Thema wird - eigentlich über benutzen statt besitzen. Das ist also einer der großen Trends (Zwischenruf von Dkfm. Dr. Fritz Aichinger) - nur mal zuhören! -, ist einer der großen Trends überhaupt, und es wirkt dann wirklich aus der Zeit gefallen, wenn man sich dann herausstellt und sagt, die Wiener sind ärmer, weil sie eine geringere Besitzquote haben. Das ist der Statistik nach logisch, denn wenn im Vergleich zu anderen Bundesländern 80 Prozent der Wienerinnen und Wiener in Mietverhältnissen leben, dann ist klar, dass diese Quote anders ausschaut. Ich glaube nur, dass vor allem in einem urbanen Kontext Flexibilität und Nutzen statt Besitz ein viel wichtigerer Ansatz ist, als Reichtum oder Armut ausschließlich durch Besitz zu messen.
Ich möchte aber einleitend ganz woanders beginnen, ich bin nämlich diesen Freitag in Dortmund beim deutschen Stadtplanertag zum Thema „Eigentum verpflichtet und die Bodenfrage“ eingeladen. Ich glaube, das ist eine der Fragen, die uns in den Städten in ganz Europa und auf der Welt beschäftigen, weil dahinter die Frage steht - und diese sollten sich alle PolitikerInnen in einer Stadt stellen -: Ist diese Stadt, die wir gemeinsam politisch gestalten, eine Stadt für alle oder nicht? Ist es eine Stadt, die für uns alle zugänglich ist, oder ist es eine Stadt, in der Grenzen gezogen werden? Das können dann ethische Grenzen sein, das können Grenzen anhand von Klasse sein, das können auch wirklich physische Grenzen sein, die dann in gebauter Form Gates Communities sind. Und da sind wir eben bei der Bodenfrage. Ich glaube, zu Recht werden nicht nur ich, sondern viele Vertreterinnen und Vertreter aus Wien immer wieder eingeladen, weil ich glaube, dass uns da im letzten Jahr und in der letzten Zeit etwas gelungen ist, das richtungsweisend sein wird für sehr viele Städte überall.
Denken wir jetzt einmal ganz unternehmerisch und über diese Bodenfrage nach, ist es ja so, wenn die Nachfrage nach einem Gut steigt … Nehmen wir jetzt an, es sind Sakkos - weil da so viele Sakkos in dieser Runde hängen - oder Stecktücher, dann werden mehr Sakkos produziert, weil ja die Nachfrage steigt. Bei städtischem Boden, bei urbanem Boden ist das natürlich anders, dieser ist nicht beliebig vermehrbar. Die Konsequenz ist dann klar, die Preise explodieren. Wir haben das auch in den letzten Jahren gesehen, dass vor allem die Bodenpreise im urbanen Bereich überproportional steigen und explodieren. Dazu kommt auch noch der Effekt, dass natürlich nach der Wirtschaftskrise 2008 sehr viel sogenanntes anlagesuchendes Kapital unterwegs ist und dieses sehr stark in Immobilien und vor allem Boden drängt.
Genau da stellt sich aus meiner Sicht die hochpolitische Frage, ob man sich dieser Entwicklung einfach hingibt. Die Konsequenz wäre, vor allem für Wien, dass man dann den geförderten Wohnbau drastisch zurückfahren müsste, weil die Bodenpreise das einfach nicht mehr darstellbar machten, geförderten Wohnbau zu errichten oder eben nicht. Die Frage, die dahinter steht, um das ein bisschen in Relation zur Lebensrealität zu setzen, ist eigentlich: Wollen wir, dass Menschen mit einem Einkommen von 1.000, 1.200, 1.300 EUR netto in dieser Stadt leben können oder nicht? (GR Dkfm. Dr. Fritz Aichinger: Ja!) Wenn man in andere Städte schaut, wie zum Beispiel Paris, London, San Francisco, viele dieser Welt, so wird diese Frage dort ganz klar beantwortet: Nein, in diesen Städten kann man mit einem durchschnittlichen Einkommen nicht leben. Wenn du eine Polizistin bist, ein Krankenpfleger bist, ein Lehrer bist, eine Lehrerin bist, ein junger Mensch bist, der gerade erst fertig studiert oder eine Ausbildung gemacht hat und bei einem Unternehmen anheuern will, dann kannst du in dieser Stadt nicht leben, dann musst du jeden Tag 70, 80, 90 oder mehr Kilometer pendeln, um an deine Arbeitsstelle zu gelangen. Im Silicon Valley in San Francisco ist im Moment eines der bestimmenden Themen, dass die Tech-Metropole das Problem hat, dass sie eigentlich die jungen kreativen Leute, also die Leute, die etwas zwischen den Ohren haben, die jedes innovative Unternehmen braucht, nicht mehr halten kann, weil sie dort nicht wohnen, nicht leben, nicht essen, nicht ausgehen, nichts können, weil das nicht mehr finanzierbar ist.
Daher ist für uns alle die Frage: Wollen wir eine Stadt für alle, also ein Wien, in dem alle leben können, wohnen können, sich Mobilität und Wohnen auch leisten können? - Diese zentrale Frage haben wir in Wien mit Ja beantwortet, und darauf bin ich sehr stolz. (Beifall von GRin Mag. Barbara Huemer.) - Frau Huemer ist auch sehr stolz.
In der Konsequenz heißt das die schon viel diskutierte Widmungskategorie und die Planungsgrundlagen zum geförderten Wohnbau. Das heißt aber auch, dass der Wohnfonds eine proaktive Boden- und Wohnungspolitik macht. Ich nehme jetzt nur als Beispiel das Areal des Sophienspitals, da das eines der zentralen Projekte in den nächsten Jahren sein wird, wo wir im dichten urbanen Raum wieder geförderten Wohnbau und Gemeindewohnungen errichten. Seien wir uns ehrlich, das werden
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