Gemeinderat, 55. Sitzung vom 26.09.2019, Wörtliches Protokoll - Seite 40 von 95
Attentäter Brenton Tarrant nachgesagt wird und die selbst nach Ex-Innenminister Kickl rechtsextrem sind, denn er meinte letzten Sonntag in der Fernsehdiskussion „Im Zentrum“, erst dann sei für ihn jemand rechtsextrem, wenn auch Gewalt mitspielt. Nun, 2018 wurde in Graz ein Mitglied der Identitären nach einer Aktion der Identitären wegen Körperverletzung verurteilt. Also darf ich dann wohl zu dem Schluss kommen, die Identitären sind jetzt auch für Herbert Kickl rechtsextrem.
Frau Stenzel, ich richte mein Wort an Sie direkt, auch wenn Sie heute aus persönlichen Gründen, welche es auch immer sind, nicht im Raum sind, und ich hoffe, dass Sie uns per Internet zuhören können: Ich verstehe Ihre Motivation nicht, warum Sie mit Fackel in der Hand, Hand in Hand mit den Rechtsextremen durch die Stadt ziehen und bei der Abschlusskundgebung eine Rede zu Ihren Freunden halten!
Ich möchte mit einem Bildnis des israelischen Schriftstellers Amos Oz abschließen. Vielleicht kann das dann auch viele von uns ein bisschen zum Nachdenken bringen: Ein großer Brand bricht aus. Was machen wir? Derzeit sind ja verschiedene Großbrände im Gang, einerseits der in diesem Sinne wortwörtliche im Amazonasgebiet, aber leider auch in Indonesien. Dann die, die durch Terrorismus, Nationalismus und Krieg geschehen, aber auch durch diskriminierend populistische PolitikerInnen oder durch Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Als Zeugin oder Zeuge einer solchen Katastrophe, zum Beispiel eines Großbrandes, können Sie auf drei verschiedene Arten reagieren:
Erstens: Ums Leben rennen, so schnell Sie können und diejenigen, die nicht rennen können, ihrem Schicksal überlassen.
Zweitens: Der Redaktion einer Zeitung einen wütenden Brief schreiben und fordern, dass diejenigen zur Verantwortung zu ziehen sind, die auf die Brandversicherung nicht entsprechend geachtet haben.
Drittens: Sie könnten aber auch versuchen, das Feuer mit einem Eimer zumindest zu löschen. Und wenn Sie keinen Eimer haben, nehmen Sie ein Glas. Und wenn Sie kein Glas haben, nehmen Sie einen Teelöffel, denn einen Teelöffel hat zumindest jede und jeder. Ja, ich weiß, ein Teelöffel ist sehr klein und das Feuer ist ja ein Großbrand und riesig. Aber wir sind ganz viele Menschen, Millionen von Menschen, und jeder und jede von uns hat zum Glück einen Teelöffel. Jede und jeder von uns kann sich sicherlich selbst in einer dieser Gruppen finden. Zu welcher sie oder er sich selbst zählt, ist ausschließlich die eigene Sache. Aber wir können alle gemeinsam dem Orden des Teelöffels beitreten mit Menschen, die dieselbe Einstellung haben wie ich, nämlich nicht weglaufen und keine Briefe schreiben, sondern den Eimer in die Hand nehmen oder eben diesen Teelöffel. Jeder kann eine effektive Lösung des Problems schaffen.
Sehr geehrte Frau Stenzel, wo auch immer Sie heute sind! In diesem Sinne, auch wenn Sie heute nicht hier sein können und dem Gemeinderat beiwohnen: Bitte treten Sie von Ihrer Funktion als nicht amtsführende Stadträtin zurück und damit als Mitglied der Wiener Stadtregierung, denn Mitglieder der Stadtregierung dürfen keine Anknüpfungspunkte zu rechtsextremen Gruppen und Ideologien haben! Geben Sie jemandem die Chance über Parteigrenzen möglicherweise hinweg, weil das ja vielleicht sonst nicht ganz so einfach wird, jemandem, der einen Teelöffel verwenden möchte, diese Chance zu geben, denn das ist konstruktiver!
Formal bringt den zugehörigen Resolutionsantrag zum Rücktritt meine Kollegin Barbara Novak ein. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Lieber GR Kunrath! Darf ich dir auch etwas auf deinen Weg mitgeben? Es ist heute auch deine erste Rede hier im Wiener Gemeinderat gewesen, aber die Rede muss schon auch immer einen Bezug zum jeweiligen Tagesordnungspunkt haben. Also würde ich dich bitten, das bei deinen zukünftigen Reden hier im Gemeinderat zu beherzigen. Danke.
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau GRin Novak, und ich darf es ihr erteilen.
GRin Barbara Novak, BA (SPÖ): Herzlichen Dank, Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Wiener Gemeinderats!
Wien steht in einer sehr langen Tradition einer sehr umfassenden und ausdifferenzierten Angebotspalette an außerschulischer Jugendarbeit und außerschulischer Bildung. Neben den schulischen Einrichtungen bieten das sehr, sehr viele, zum Teil ja schon über Jahrzehnte tätige Vereine und vormals Einrichtungen des Magistrates, um Jugendliche zu selbstbestimmten und selbstbewussten jungen Menschen und Erwachsenen heranzuziehen. Dabei ist vor allem ein Bereich ein ganz besonders wichtiger, nämlich das respektvolle Miteinander, das gemeinsame Leben in dieser Stadt, das darauf Acht Geben, dass jeder auch seinen Platz hat, ein unabhängiges selbstbestimmtes Leben führen zu können und vor allem in einem sehr schön ausgebauten demokratischen System auch dementsprechend kritische Äußerungen tätigen zu können beziehungsweise sich am demokratischen Geschehen beteiligen zu können. Warum ist uns das so wichtig? Wir könnten ja wie andere, vor allem reaktionär geführte Staaten oder Städte sagen, das ist nicht unsere Aufgabe, die Schule hat ja den Bildungsauftrag an sich zu erfüllen. Warum tun wir das? Wir tun das, weil wir wissen, dass die soziale Teilhabe vor allem dadurch geprägt ist, auch teilzuhaben am politischen Diskurs, teilzuhaben an der Demokratie. Und all diese Akten, die sich auch mit respektvollen Projekten beschäftigen, sind Teil dazu, um eben jene jungen Menschen zu verantwortungsvollen, selbstbestimmten Erwachsenen zu machen. Dabei ist ein Bereich ganz besonders wichtig, nämlich die Vorbildfunktion, die Erwachsene in dieser Stadt haben, aber besonders die Vorbildfunktion, die Politikerinnen und Politiker, insbesondere Mitglieder dieses Hauses haben. Und genau aus dieser Vorbildfunktion für die jungen Menschen heraus ist es mir und meiner Fraktion und den GRÜNEN ein Anliegen, heute den vorgebrachten Antrag, den der Kollege Kunrath in seiner ersten Rede inhaltlich schon sehr genau ausgeführt hat, auch einzubringen.
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