Gemeinderat, 51. Sitzung vom 30.04.2019, Wörtliches Protokoll - Seite 26 von 115
sich sehr aufgebracht, kritiksüchtig, die hat Geltungsbedarf. Das hört man eigentlich nur im Kontext mit Frauen. Man hört dann immer, in Wahrheit sollte sie da ein bisschen mehr wie ein Mann sein, dann wird sie halt mehr ernst genommen. Das sind durchaus nicht nur Männer, die das sagen, es sind auch teilweise Frauen, die hier halt noch ein eher konservatives Bild haben, die solche Aussagen treffen. Es ist auch in gewisser Weise ein bisschen ein natürlicher menschlicher Umgang mit etwas, das ungewohnt ist, einem Bild, das uns nicht so vertraut ist. Das ist bei vielen der Fall, dass man sagt, es ist einfach Skepsis da, das kenne ich nicht, da bin ich erst einmal vorsichtig und versuche hier, sehr untergriffig das Ungewohnte zu thematisieren.
Die Hysterie dürfte überhaupt eine typisch weibliche Erkrankung sein, denn die Hysterie und andere Zuschreibungen dieser Art waren es ja auch, warum man vor 100 Jahren gemeint hat, die Frauen haben eigentlich bei einer Wahl und bezüglich eines Wahlrechtes nichts zu suchen. Das ist wahrscheinlich auch heute noch der Grund, warum Frauen weniger oft in die Politik gehen, weil sie diesen Stempel nicht abbekommen wollen, diese Klassifizierung, der sie ausgeliefert sind. Bei den männlichen Kollegen spricht man dann eher von Narzissmus, wo man sagt, ein wenig Narzissmus ist ja auch nötig in der Politik, denn sonst geht das eh nicht.
Aber dieser Stil, wie hier klassifiziert wird, bewertet wird, ist doch auch ein Grund, der viele Frauen davon abhält, in die Politik zu gehen.
Da liegt es an uns allen, dem entgegenzuwirken, denn wir brauchen sie alle in einer funktionierenden Demokratie, die Männer natürlich genauso, aber die Frauen aus all ihren Herkünften mit ihren Unterschiedlichkeiten, die Karrieristinnen, solche, die zu Hause sind, sich um Ältere, um Kinder kümmern, Ältere, Jüngere, Alleinerziehende, Alleinstehende, Unternehmerinnen, Angestellte, Arbeiterinnen - sie alle sollten uns hier in diesem Haus und in anderen parlamentarischen Häusern dieser Republik repräsentieren. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)
Ich halte es für extrem wichtig, hier unterschiedliche Lebensrealitäten abzubilden, denn diese Blickweise von außen, diese unterschiedlichen Blickrichtungen geben uns das nötige Rüstzeug, um hier die richtigen politischen Entscheidungen für die Wählerinnen und Wähler zu treffen, für die wir schließlich verantwortlich sind.
Wenn ich gesagt habe, das Wahlrecht war ein großer Schritt in Richtung Gleichstellung, so gibt es doch viele Bereiche, wo wir noch nicht so weit sind, wo es noch viel zu tun gibt, sei es im Bereich Arbeitsmarkt, vor allem Care-Arbeit, die Betreuung von Kindern, von Älteren zu Hause. Eins ist auch ganz klar, die richtige Gleichstellung erreicht man auch mit der eigenständigen Existenzsicherung von Frauen. Wenn wir von der Existenzsicherung reden - das sind auch in Österreich Fakten, womit wir uns darum eingehend beschäftigen müssen, da kann ich mich nur wiederholen: Es sind Frauen, die den überwiegenden Anteil der Care-Arbeit, der unbezahlten Care-Arbeit zu Hause leisten, es sind Frauen, die in Österreich überdurchschnittlich lange in Karenz bleiben, dann vom Partner oder vom Staat abhängig sind, wichtige Karriereschritte versäumen. Es sind Frauen, von denen 52 Prozent der Erwerbstätigen nur in Teilzeit arbeiten, es sind Frauen, deren Einkommen dadurch um rund 50 Prozent niedriger ist als das von vollzeitbeschäftigten Frauen oder um 60 Prozent niedriger als das der vollzeitbeschäftigten Männer. Es sind Frauen, die mit über 76 Prozent im Bereich der niedrigen Pensionen massiv überrepräsentiert sind.
100 Jahre nach diesen Errungenschaften, die wir heute in diesem Jahr feiern, wünsche ich mir daher - und ich setze mich auch dafür ein, und das tun auch meine männlichen Kollegen natürlich gleichermaßen und viele von Ihnen auch -, dass wir die nächsten Schritte für eine tatsächliche Gleichstellung gehen, und zwar weiter nach vorne und nicht zurück: mit einem Ausbau der Kinderbetreuung, mit besserer Qualität der Kinderbetreuung, mit Maßnahmen, die eine stärkere Väterbeteiligung fördern, mit Maßnahmen, die es Frauen erleichtern, mehr am Erwerbsleben teilzunehmen, ausreichend Pensionsbeitragsjahre zu sammeln, aber auch steuerpolitisch sinnvolle frauenfördernde Maßnahmen anstatt kontraproduktiver. - Vielen Dank. (Beifall bei NEOS, SPÖ und GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau GRin Schwarz, und ich erteile es ihr. - Bitte.
GRin Sabine Schwarz (ÖVP): Vielen herzlichen Dank, sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Werte Damen und Herren!
Es ist gut, dass wir über das Frauenwahlrecht reden. Der 12. November 1918 ist wohl ein Tag, den wir Frauen immer wieder betonen sollten, weil wir das Frauenwahlrecht bekommen haben. Wenn man das von der heutigen Perspektive betrachtet, war das der logische nächste Schritt, denn wir wissen, im Ersten Weltkrieg haben damals Frauen mit der Mehrfachbelastung - Hof, Haushalt, Kinder haben - umgehen müssen. Es war so, dass Frauen das erste Mal berufstätig waren und Jobs angenommen haben, die eigentlich eine Männerdomäne waren. Wir hatten die erste LKW-Fahrerin, wir hatten die erste Postbotin oder Briefträgerin, weil einfach die Männer an der Front waren. Natürlich, wenn Frauen diese große Stütze der Gesellschaft sind, ist es klar, dass sie mitsprechen wollen, und es ist klar, dass sie das Recht darauf haben, mitsprechen zu dürfen. (GR Martina Ludwig-Faymann: Das war nicht so klar!)
Interessant ist, dass eine der ersten Forderungen der Frauen gleicher Lohn bei gleicher Arbeit war. 40 Prozent weniger haben sie verdient, obwohl sie den gleichen Job gemacht haben wie die Männer. Welche Forderung haben wir jetzt in der Frauenpolitik? - Gleicher Lohn bei gleicher Arbeit. Das sollte uns zu denken geben, und da sollten wir auch ganz offen darüber reden, was es braucht, damit wir diese Schere schließen.
Wir haben in der heutigen Frauenpolitik auch wieder ganz aktuell Themen: Gewalt an Frauen. Es ist immer präsent, es ist präsenter als in den letzten Jahren. Wir haben die Frauenmorde, wir haben häusliche Gewalt. Ich sage, es ist zum einen gut, dass wir darüber reden, es ist
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