Gemeinderat, 38. Sitzung vom 25.06.2018, Wörtliches Protokoll - Seite 55 von 149
bereits die Handschrift der neuen Regierung. Wie bei so vielen anderen Themen ist klar erkennbar, dass der Geist für ein Europa des sozialen Zusammenhalts und des Friedens darin wenig Platz findet. Das bekommen wir auch im Gemeinderatsausschuss Europa und Internationales zu spüren. Die EU-Präsidentschaft Österreichs ist ja kein Spaziergang, bei dem es lediglich um das Image Österreichs in Europa geht und nur darum, den Tourismus anzukurbeln, so wichtig er auch für uns ist.
Die großen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Thema Europa haben sich in den letzten Monaten mit fast jedem Tag verschärft. Auch der Ton ist in diesem Ausschuss schärfer geworden und zeigt, welcher Geist hier regieren will. Wer also denkt, dass das ein zahnloses Gremium ist, irrt.
Eine besondere Herausforderung sind und bleiben die Möglichkeiten, die das sogenannte Subsidiaritätsprinzip bietet. Die Stärkung des Subsidiaritätsprinzips steht auch im Programm der Ratspräsidentschaft. Für uns als GRÜNE ist es immer schon wichtig und bleibt wichtig, dass diese Möglichkeit nicht bedeutet, einen Schritt in die Renationalisierung zu machen. Das Credo „Alles für uns! Was schert uns die EU?“ mag in manchen politischen Kreisen Programm sein, dass damit aber zugleich sehr einfach ganz wichtige Gesetzesregelungen, die auch Schutz bedeuten, ausgehebelt werden, bleibt natürlich verborgen.
So wie die ÖVP beim Gesetz zum Rauchverbot in der Gastronomie so ist die FPÖ auch bei CETA umgefallen, trotz 562.000 Unterschriften beim Volksbegehren. Am 29.4.2016 hat der Gemeinderat einen rot-grünen Beschluss- und Resolutionsantrag angenommen, der sich deutlich kritisch zum Freihandelsabkommen positioniert hat. Die FPÖ hat damals diesem Antrag zugestimmt, nur ÖVP und NEOS waren dagegen. Die FPÖ sollte sich also hüten, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Was CETA tatsächlich für Österreich bedeutet, was CETA für Europa selbst bedeutet, wird auch da mit voller Absicht verschwiegen oder verniedlicht. Falls Sie glauben, dass das alles aus der Luft gegriffen oder ein Hirngespinst ist, kann ich Ihnen nur raten, auf die Homepage von Global 2000 zu schauen und dort nachzulesen unter „Was ist CETA?“
Und dann werden auch noch Programme für ältere Arbeitslose, wie die Aktion 20.000, gestrichen, der 12-Stunden-Arbeitstag wird mit dem zahnlosen Wort Freiwilligkeit verbrämt - wir alle wissen, dass es dabei keine Freiwilligkeit geben kann. Unsere Initiative, mit osteuropäischen Ländern zu kooperieren, sie an die EU heranzuführen, und das unter dem Kriterium der Rechtsstaatlichkeit, wird torpediert von einem früheren Außenminister und heutigen Bundeskanzler, der autoritär regierende und korrupte Minister und Staatsoberhäupter hofiert und mit ihnen Verträge abschließt. Das einzige und oberste Ziel für Europa dürfte nun sein: Wir schützen unsere Grenzen, Sicherheit ist das oberste Gebot, und der Kampf gegen die illegale Migration. - Wer aber nur von Sicherheit spricht, erzeugt damit ein Klima von Angst, weil mögliche Unsicherheit Angst hervorruft und damit erpressbar macht.
Die Berichte, die wir im Europaausschuss präsentiert bekommen, zeigen uns ein ganz anderes Bild: ein Europa, in dem Österreich und auch Wien eine wichtige Rolle spielen können. Folgende Eckpunkte sollten dieses Europa leiten:
Soziale Sicherheit - statt Sicherheit durch Überwachung. Solidarität als gemeinsames Ziel - statt „mia san mia“ und „alles für unsere Leut“. Verantwortung für die Zukunft Europas übernehmen - statt Nettozahler-Egoismus zu zelebrieren. Rückgrat zeigen gegen autoritäre Regime und die lückenlose Verteidigung von Menschenrechten. Dafür sorgen, dass Steueroasen in Europa trockengelegt werden. Keine sogenannte Indexierung bei den 24-Stunden-Betreuerinnen, denen man die Familienbeihilfe kürzt, um sich etwas zu ersparen, und ihnen damit von dem wenigen, das sie bekommen, noch etwas wegnimmt und gemeinsam kämpfen für ein Europa, in dem Gesundheit, Umwelt und Klimaschutz mindestens so viel zählen wie das Wirtschaftswachstum.
Dieser Ausschuss ist ein Spiegelbild der politischen Entwicklung der letzten Zeit. Das ist der Grund und der Anlass, weshalb wir als GRÜNE ganz sicher keinen Millimeter breit nachgeben werden in unserer Haltung, auch hier für ein friedliches und soziales Europa zu kämpfen. Vielen Dank auch an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit uns und für uns daran arbeiten. - Danke. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Vorsitzender GR Mag. Gerald Ebinger: Ich möchte bekannt geben, dass Herr GR Damnjanovic ab 18 Uhr entschuldigt ist.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr GR Handler. - Bitte.
GR Klaus Handler (FPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Werter Herr Stadtrat!
Ich möchte heute nochmals auf das Thema Arbeitsmarkt zurückkommen. Ihre Vorgängerin, Frau Brauner, hat in der Vergangenheit immer gesagt, dass die Neuverschuldung ein Herausinvestieren aus der Krise ist. Sie, Herr StR Hanke, haben heute den Weg der Vergangenheit gelobt, was ich nicht ganz nachvollziehen kann. Schauen wir uns deshalb noch einmal die statistischen Daten an, was den Arbeitsmarkt betrifft, denn der Arbeitsmarkt ist immer ein guter Indikator dafür, wie es der Stadt wirklich geht.
Dazu müssen wir zurückgehen bis in das Jahr 2008. 2008 waren 66.000 Personen in Wien arbeitslos; damals war noch ein Minus von 8 Prozent zu verzeichnen. 2008 war der Beginn der sogenannten Wirtschaftskrise, die anscheinend in Wien bis heute anhält.
Gehen wir weiter: 2009 hatten wir 414 Millionen EUR Neuverschuldung und am Arbeitsmarkt ein Plus von 9,9 Prozent bei der Arbeitslosigkeit, also rund 6.500 neue Arbeitslose - insgesamt somit 73.000.
2010: ein Plus bei der Arbeitslosigkeit um 1,5 Prozent, also 1.000 Arbeitslose mehr. In diesem Jahr wurden angeblich 1.500 Millionen EUR investiert, denn so hoch war die Neuverschuldung.
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