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Gemeinderat, 35. Sitzung vom 27.04.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 64 von 124

 

17 Jahren, am 27. April 2001 im Wiener Gemeinderat als Stadtrat angelobt wurde. Ich weiß nicht, wie viele von Ihnen damals schon dabei waren, einige waren es, aber bei Weitem nicht alle, und ich kann daher mit denen, die damals schon dabei waren, ein bisschen diese Zeitspanne überblicken und durchmessen, die es seit damals gegeben hat.

 

Es war jedenfalls die Zeit noch vor den Anschlägen auf die New Yorker Twin Towers, es war die Zeit noch weit vor einer digitalen Revolution, wir hatten keine Smartphones, es war die Zeit vor der gentechnischen Revolution, vor einer ökonomischen Krise, die uns alle seither bewegt hat, und in der Zwischenzeit haben sich die weltpolitischen Schwerpunkte verändert, wie zum Beispiel heute eben wieder.

 

Auch die Wahrnehmung Wiens hat sich sehr, sehr stark verändert. Wir erinnern uns, dass Wien zu dieser Zeit, um die Jahrtausendwende, eine aussterbende Stadt gewesen ist. Wien ist in der Zwischenzeit massiv gewachsen, hat sich auch von seiner Bevölkerungszusammensetzung massiv verändert, in der Eigenwahrnehmung, aber auch in der Außenwahrnehmung hat sich unendlich viel getan und wurde auch weiterentwickelt.

 

Wien hat in der Zwischenzeit fast ohne Unterbrechung internationale Auszeichnungen bekommen. Manchmal werden sie belächelt, wir halten sie für wichtig, weil sie doch Ausdruck dessen sind, nicht nur, wie uns Menschen von außen beurteilen, sondern auch, wie sich die Wienerinnen und Wiener selber fühlen. Und es geht ja nicht nur um diesen Ausdruck „lebenswerteste Stadt der Welt“, sondern wir haben in der Zwischenzeit auch Auszeichnungen bekommen für die innovativste Stadt der Welt, für die Stadt, die jungen Studierenden die besten Bedingungen bietet, und vieles andere mehr.

 

Diese Auszeichnungen sind Ausdruck für das, was eigentlich alle spüren, dass es sich immer besser leben lässt in Wien, für die meisten, die hier in dieser Stadt auch sind. Wien ist in der Zwischenzeit die größte Universitätsstadt im deutschsprachigen Raum geworden, im Jahr 2000 hatten wir 12 Universitäten, mittlerweile haben wir 20, bald 21 Universitäten, Hochschulen, Privatuniversitäten. Und wir verfügen unverändert über etwas, worum uns viele, viele beneiden, nämlich über einen gut funktionierenden öffentlichen Bereich - öffentliche Gesundheitsversorgung, öffentliches Bildungssystem, öffentlichen Verkehr, auch öffentlich gut verwaltete und gestaltete Kultur und Wissenschaft, und vieles andere mehr.

 

Das Allerwichtigste: Wien ist eine egalitäre Stadt, eine Stadt, die das repräsentiert, was mir persönlich in meinem politischen Handeln auch immer besonders wichtig war, nämlich: Leistung, Respekt und Menschenwürde zählen vor der Herkunft. Leistung statt Herkunft, Respekt statt Herkunft, Menschenwürde statt Herkunft. Ich habe versucht, in den vergangenen über eineinhalb Jahrzehnten das gemeinsam auch mit der politischen Bewegung, für die ich tätig bin, umzusetzen. Uns war und ist immer wichtig, nicht, woher jemand kommt, nicht, welchen Namen er oder sie trägt, nicht, welcher Religion jemand angehört, nicht, ob Kreuz, Kopftuch oder Kippa, egal, ob homo- oder heterosexuell, unabhängig auch von Herkunft und Ethnie, was zählt, sind die menschlichen Qualitäten. Diese Stadt, meine Damen und Herren, zeichnet sich durch ihre Vielfalt aus. Die Stärke dieser Stadt ist ihre Vielfalt. Wienerinnen und Wiener sind wir nicht so sehr, weil wir hier geboren wurden, sondern weil wir hier leben und wie wir hier leben. Das ist unsere Kultur, die in Wahrheit aus sehr vielen unterschiedlichen, liebenswerten, traditionsreichen, manchmal auch skurrilen Kulturen besteht. Und diese Kultur muss allen zugänglich bleiben, unabhängig wiederum von Religion, von Alter, von Herkunft und vom sozialen Status. Sie muss weltstädtische Vision bleiben, die sich gegen provinzielle Ressentiments durchsetzt.

 

Meine Kulturpolitik, meine Damen und Herren, aber auch meine Wissenschafts- und Sportpolitik war immer Verbeugung vor der Vielfalt, verankert in der Geschichte der Stadt, im Bewusstsein darüber, dass höchste Zivilisation sehr rasch wieder in brutale Barbarei umschlagen kann. Deshalb habe ich auch versucht, in der Erinnerungskultur neue Impulse zu setzen: Wir haben neue Mahnmale errichtet, wir haben das „Fest der Freude“ initiiert und erstmals eine vollständige und wissenschaftlich fundierte Restitution für und durch Wien umgesetzt.

 

Leistung, Respekt und Menschenwürde sollen zählen, nicht Herkunft, in diesem vielfältigen, in diesem kreativen, humorvollen, sozialen und solidarischen Wien. Meine Kultur-, Wissenschafts- und Sportpolitik hat Vielfalt immer als Reichtum und niemals als Bedrohung gesehen, als notwendige Voraussetzung für eine gelungene Integration. Und sie war immer auch von der Überzeugung getragen, es muss Platz für Neues geben, für Experimente.

 

Politik muss auch möglich machen, dass Fehler geschehen, da die Menschen erfahrungsgemäß nur aus Fehlern lernen. Und das hat gegolten für alle großen Innovationen: vom MuseumsQuartier zum Theater an der Wien, von der Rettung bedeutender Innenstadtkinos bis hin zur Neugestaltung der Filmförderung, von der Kunst im öffentlichen Raum bis zur gendergerechten Besetzung von über 100 Spitzenpositionen - ja, Frauen in Spitzenpositionen, das erfordert nach wie vor eine politische Entscheidung und passiert nicht von selbst; von der Etablierung zahlreicher neuer Theater wie dem Rabenhof bis hin zum freien Eintritt für Kinder und Jugendliche in die Museen, von der Neupositionierung des Wien Museum bis hin zur Central European University - wir haben es heute beschlossen -, von der Vereinsmillion im Sport bis zur Beachvolleyball-WM, von den Wiener Vorlesungen bis zum Ball der Wissenschaften. All das und noch viel mehr haben wir hier in diesem Hohen Haus gemeinsam leidenschaftlich diskutiert, oftmals auch sehr kontroversiell, jedenfalls aber, und das meine ich, immer mustergültig demokratisch.

 

Ich bedanke mich für Ihre fairen Worte heute, ich bedanke mich für die freundlichen Worte, ich bedanke mich für die kritischen Worte. Sie wissen, beides war mir immer wichtig und beides habe ich auch immer gleich ernst genommen. Ich bin für die Erfahrung dankbar, die ich hier machen konnte, für den Diskurs, für den Widerstand,

 

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