Gemeinderat, 32. Sitzung vom 25.01.2018, Wörtliches Protokoll - Seite 97 von 102
vereidigt, auf die Stadt, auf die Republik Österreich. Sie haben immer gefordert, man soll doch endlich über Leitkultur diskutieren. Immer dann, wenn es um Zuwanderung geht, immer dann, wenn Sie meinen, wir werden überfremdet, wollen Sie über Leitkultur diskutieren. Top, die Wette gilt! Ich bin dafür. Diskutieren wir über Leitkultur! Diskutieren wir öffentlich über Ihren Kulturbegriff! Dann werden wir öffentlich einmal anschauen, was Sie bei sich, in Ihren Buden, nicht in der Ritterburg in Wiener Neustadt, sondern ganz offensichtlich noch immer auch auf den Homepages, singen oder reden - das weiß ich nicht. Aber es ist sozusagen auf der ersten Seite der Germania Wien zu sehen: „Singt das Lied der Nibelungen, nicht von beiden im Verein, sprecht mit kindlich frommen Zungen Mutter Donau, Vater Rhein. Hebt die Stirn in edlem Stolze euren nord'schen Brüdern gleich, ja, aus deutschem Eichenholze sind auch wir in Österreich.“ - Kommt euch das bekannt vor? Wird das bei Ihnen so gesungen? Dann hätte ich doch gern, dass Sie sich ins Fernsehen stellen und das tun! Dann werden wir sehen, wie viele Leute sich tatsächlich dem auch anschließen können. Ich würde gern mit Ihnen über die Leitkultur diskutieren. Dann stellen Sie sich hin und sagen, Sie sind für die deutsche, aber Sie leisten den Eid auf Österreich! Ich weiß eh, dass Sie damit kein Problem haben, aber vielleicht viele andere auch. Ich weiß auch, dass Sie kein Problem haben mit der Zeile: „Du sollst den Tod nicht scheuen fürs deutsche Vaterland.“ (GR Mag. Wolfgang Jung: Das ist wahrscheinlich ein altes Lied! Ich weiß nicht, welches!) Geht's noch?
Das erfinde alles nicht ich. Das steht in der morgigen oder in der heutigen „Presse“. „Jenseitige Liedtexte sind dort“ - nämlich bei der Olympia - „nichts Neues.“, schreibt Herr Pink heute in der „Presse“. „Bei einem ‚nationalen Liederabend‘ auf der Bude der Burschenschaft Olympia trat vor einigen Jahren der deutsche Neonazi Michael Müller, berühmt-berüchtigt für seine Udo-Jürgens-Coverversion, Zitat: ‚Bei sechs Millionen Juden, da fängt der Spaß erst an. Bei sechs Millionen Juden ist noch lange nicht Schluss.‘ auf.“ Haben Sie das gehört? Waren Sie dabei? (GR Mag. Wolfgang Jung: Nein, sicher nicht! Sie können Bgm Häupl fragen, ob er dabei war!) Identifizieren Sie sich damit? Ist das alles auch nur wieder ein Einzelfall von einem Einzelnen, der nicht gewusst hat, was er sagt?
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich frage mich schon: Wo gehören Sie eigentlich hin? Fühlen Sie sich tatsächlich noch Ihrem Eid verpflichtet? Das ist alles nicht mehr zumutbar! Ich sage Ihnen noch etwas, an die Damen und Herren der ÖVP: Es hat noch nie einen so kurzen Honeymoon einer Regierung gegeben! Das werdet ihr nicht mehr los! Es werden sich die Leute selbstverständlich diese Ewiggestrigkeit, diese Deutschtümelei, dieses andauernde Ausreden, wir entschuldigen uns eh, aber das war halt ein Missverständnis, und das gehört aber jetzt wirklich aufgeklärt, nicht mehr gefallen lassen. Da können wir die ganzen Burschenschaftler aufklären. Das wird die Öffentlichkeit sicherlich auch tun, weil in der Tat - die Frau Kollegin Hebein hat schon darauf hingewiesen - ist zunächst einmal ein Brief von 160 bedeutenden österreichischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erschienen. Das sind keine links-linken Radikalen mehr. Das ist nicht meine linke Mafia, die da irgendetwas erfindet oder der arme Herr Wolf, der geblendet von seinem Linkstun nichts anderes tun kann. Sie schreiben morgen richtigerweise an den Bundeskanzler und an den Herrn Bundesminister Faßmann, der das alles wahrscheinlich tatsächlich nicht mehr fassen kann, was da passiert, und zitieren diesen einen Satz und sagen dann, dass das natürlich rassistisch, antisemitisch und widerwärtig ist. Sie meinen, wie ich sage, zu Recht, dass Sie alle, aber natürlich auch die ÖVP, eine besondere Verantwortung für dieses Land tragen.
All die Geschichten, wo man versucht, sich Israel anzunähern und man dann sagt, es gibt eh Mitglieder der jüdischen Community, die bei Ihnen sind. Ich meine, warum ist denn eigentlich niemand jetzt bei dem Gedenken drüben? Trauen Sie sich nicht? Ist Ihnen das unangenehm? Oder ist das etwas, was man plötzlich doch wieder auslässt, weil die Bilder jetzt nicht ganz so günstig sind?
Diese 160 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sagen etwas, was eigentlich selbstverständlich ist: Beenden Sie die Zusammenarbeit mit allen Mitgliedern rechtsextremer Burschenschaften! Beenden Sie die Zusammenarbeit mit allen, die Mitglieder rechtsextremer Burschenschaften in ihren Büros haben! Beenden Sie die Zusammenarbeit mit allen, die in rechtsextremen Medien publizieren und bei rechtsextremen Veranstaltungen auftreten! Ohne diese Schritte wirken jegliche Reaktionen wie augenzwinkernde Distanzierungen. Diese Wissenschaftler ersuchen den Bundeskanzler und den zuständigen Bundesminister, also zuständig ist er nicht, aber den Wissenschaftsminister, doch ihrer Verantwortung gerecht zu werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses Schauspiel ist beschämend! Es beschämt all diejenigen, die erstens als Jüdinnen und Juden ihre Familien im Nationalsozialismus verloren haben. Es beschämt all diejenigen, die flüchten mussten. Es beschämt all diejenigen, Herr Kollege Vorredner, die über viele Jahre Aufarbeitung versucht haben, und zwar Aufarbeitung in dem Sinn, dass sie sich der Verantwortung gestellt haben. Es beschämt all diejenigen, die viel persönliche Arbeit hineinstecken, die so etwas wie Gewissen hineinstecken, die so etwas wie politische Verantwortung für dieses Land verspüren, nicht Zynismus. Ich hoffe sehr, es beschämt auch diejenigen innerhalb der ÖVP und die paar innerhalb der FPÖ, die sich im tiefsten inneren Herzen jetzt tatsächlich endlich zu schämen beginnen, denen es hoffentlich zutiefst unangenehm ist, diese Herausrederei, das dauernde „ja, ihr habt doch auch“ und „ja, das ist doch vor 100 Jahren auch gesungen worden“.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist Zeit, die Würde dieses Hauses, die Würde dieses Landes, die Würde dieser Stadt und ihrer Geschichte ernst zu nehmen und daraus die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen! - Ich danke sehr.
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