«  1  »

 

Gemeinderat, 25. Sitzung vom 26.06.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 118 von 134

 

und die Zeit verstreichen hat lassen. Es war seit Mitte des Vorjahres klar, dass es keine bundesweit einheitliche Regelung geben wird. Jetzt haben wir Ende Juni, und es gibt ein Ergebnis. Die Reform, wie Sie sie uns bisweilen nur in den Medien präsentiert haben - wir wissen noch nicht, wann sie den Landtag passieren wird -, ist ein Schritt in die richtige Richtung und greift auch viele Vorschläge von uns auf.

 

Vor allem der Fokus des Wiedereinstiegs von Mindestsicherungsbeziehern in den Arbeitsalltag ist ein ganz wichtiger. Wir haben hier seit einem Jahr Druck in diese Richtung gemacht. Wir haben vor zwei Wochen unseren Vier-Punkte-Plan präsentiert, der genau das zum Fokus hatte, die Mindestsicherung vom Fangnetz zum Sprungbrett in den Arbeitsmarkt zu machen.

 

Es ist aber ein Hohn, wenn Sie sich als bis vor Kurzem für Bildung zuständige Stadträtin jetzt für starke Bildung als Maßnahme für junge Arbeitslose aussprechen. Ich gebe Ihnen recht, keine Frage. Aber genau das Versagen der Bildungspolitik in Wien hat verursacht, dass die Zahlen der jungen BMS-BezieherInnen so stark angestiegen sind. Das Wiener Pflichtschulsystem hat einfach nicht ausreichend Ressourcen, um diese Herausforderungen im Bildungssystem anzugehen, um zu reagieren. Kinder verlassen die Schule, ohne ausreichend lesen und schreiben zu können. Bei der Sprachstandserhebung der 8. Schulstufe Deutsch hat fast die Hälfte der PflichtschülerInnen die Standards nicht erfüllt. Natürlich haben die Jugendlichen dann Schwierigkeiten, eine weiterführende Ausbildung oder Lehre zu beginnen, geschweige denn, einen Arbeitsplatz anzunehmen. Aber dann kam die Stadt Wien und sagte, macht nichts, du bekommst die Mindestsicherung, und das, ohne dass die Jugendlichen zunächst beim AMS als arbeitssuchend gemeldet werden mussten und ohne dass sie Fort- und Ausbildungsangebote der Stadt annehmen mussten. Es muss jetzt klar sein, ohne eine umfassende Reform des Bildungssystems wird sich an der Zahl der Jugendlichen in der Bedarfsorientierten Mindestsicherung langfristig auch nichts ändern. Bildung ist der Hebel, wo wir definitiv ansetzen müssen, um langfristige Änderungen zu erzielen.

 

Wir haben letzte Woche auch ein Reformpaket für Kindergärten präsentiert. Es würde mich freuen, wenn hier einige Punkte übernommen werden, damit der Kindergarten, nicht nur der massive Ausbau, den die Stadt Wien wohl bewältigt hat, sondern es geht um Qualitätsstandards, in diesem Sinne auch wirklich zur ersten Bildungseinrichtung wird. (Beifall bei den NEOS.)

 

Was wir im Hinblick darauf aber besonders wichtig finden und auch vorgeschlagen haben, ist, Geldleistungen in Sachleistungen umzuwandeln, und zwar besonders für Kinder. Wir haben den Bildungsscheck angesprochen, weil Kinder am meisten davon profitieren, wenn Sie Bildungsangebote nutzen können. Da haben wir ein Problem. Wenn Kinder, die Deutsch nicht als Umgangssprache haben, Förderangebote an den Schulen nicht annehmen können, weil es sich ihre Eltern zum Beispiel nicht leisten können, weil sie es nicht zahlen wollen, dann geht das nicht. Deswegen fordern wir einen Bildungsscheck. Er kann für Kinder verwendet werden, für den ganztägigen Unterricht, für Förderunterricht an den Schulen, zusätzliche Deutschförderkurse, aber auch kulturelle, sportliche Förderungen, um die Integration zu erleichtern. Mit einem Bildungsscheck könnten wir sicherstellen, dass die Gelder auch wirklich dort ankommen, wo Kinder langfristig am meisten profitieren, nämlich bei der Bildung.

 

Es gibt weitere Punkte, wo wir meinen, dass sie in die richtige Richtung gehen, die wir begrüßen. Das Thema Transparenz. Sie haben präsentiert, dass die Daten der Mindestsicherung transparent aufbereitet werden. Es sagt wohl auch sehr viel über das sehr merkwürdige Verhältnis dieser Stadtregierung zu Transparenz, weil das, was als Reform angekündigt wird, sollte eigentlich ganz normal sein.

 

Ein weiterer Punkt ist das Thema Frauen. Frauen zu stärken, auch mit eigenem Konto, ist etwas, was wir sehr begrüßen. Wir werden uns das Programm, das Sie hier für junge Mütter im Detail präsentieren wollen, noch sehr genau ansehen. (Beifall bei den NEOS.)

 

Die Zumutbarkeitsgrenze von derzeit 16 Stunden auf 20 Stunden anzuheben, haltend wir auch für einen richtigen Schritt.

 

Aber etwas fehlt uns wesentlich. Sie haben uns Maßnahmen präsentiert, die nur mittelfristig wirken. Es gibt keinen einzigen Vorschlag, der sofort wirkt. Wir haben es heute in der Früh kurz gehört. Kollege Margulies hat, glaube ich, gesagt, wenn in den anderen Bundesländern die Mindestsicherung gekürzt wird, dann tut man das, um die Menschen nach Wien zu treiben. Ich gebe Ihnen vollkommen recht. Eine wirkliche Kostenersparnis sind die Kürzungen nicht. Teilweise, haben wir auch gehört, ist der Verwaltungsaufwand sogar höher. Aber es ist leider auch so, wenn die Bezüge gleich hoch wären, wenn wir in Wien die gleich hohen Bezüge wie in den anderen Bundesländern hätten, kämen die Menschen trotzdem nach Wien. Das heißt, wir haben hier keinen Hebel. Wenn Sie noch so oft sagen, wir müssen die Mindestsicherung kürzen, liebe ÖVP, liebe FPÖ, hat das keine Auswirkungen. Die Menschen kommen trotzdem nach Wien. Sie erhoffen sich hier mehr Chancen. Sie glauben, hier Jobs zu finden. Sie haben teilweise Freunde und Verwandte hier. Wien hat eine bessere Infrastruktur, hat Schulen. Es gibt Deutschkurse, et cetera.

 

Deswegen ist das Einzige, das diesem Problem langfristig entgegenwirkt, eine Residenzpflicht auf Bundesebene beziehungsweise für Wien eine Notfallmaßnahme, eine Wartefrist. Das ist den Menschen wirklich zumutbar, eine Wartefrist, die besagt, wenn du nach Wien kommst, bekommst du erst nach drei Monaten die Mindestsicherung. Das ist den Menschen zumutbar. (GR Dipl.-Ing. Martin Margulies: Was ist in drei Monaten?) Rund 70 Prozent der anerkannten Flüchtlinge kommen aus den Bundesländern nach Wien. Das erwarten wir für das nächste Jahr. Das sind rund 20.000 Personen, die neu nach Wien kommen. Wir wissen, dass die Ausgaben für die Mindestsicherung im Gesamtanteil der österreichischen Sozialausgaben ein verschwindend geringer Anteil

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular