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Gemeinderat, 24. Sitzung vom 01.06.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 27 von 96

 

lyse und dem kooperativen Verfahren, der daraus abgeleiteten städtebaulichen Zielsetzungen, über den internationalen Wettbewerb bis zum Ergebnis und dessen Überarbeitung wurden in Ausstellungen, Publikationen und Medien ausführlich dargestellt, kommuniziert und debattiert. Bereits 2012 fanden ExpertInnen-Hearings zu den Entwicklungsvorstellungen, Nutzungsanforderungen und städtebaulichen Zielen statt. Auf dieser Basis wurde ein kooperatives Planungsverfahren abgehalten, bei dem über 50 Fachleuten aus allen Richtungen involviert waren. Dort wurden städtebauliche Rahmenbedingungen vorgeschlagen, diese Überlegungen wiederum wurden als Leitlinien in der Stadtentwicklungskommission diskutiert und beschlossen, mit den Stimmen von SPÖ, GRÜNEN und ÖVP. Erst auf dieser Grundlage fand ein internationaler Architekturwettbewerb statt, aus dem das Projekt von Isay Weinfeld als Siegerprojekt gekürt wurde.

 

Wer sich einmal die Mühe gemacht hat, die vorliegenden Unterlagen zu studieren, wird zugeben müssen, dass alle Beteiligten intensiv darum gerungen haben, die beste Lösung zu finden. Trotz dieses guten und soliden Verfahrens gab es noch offene Fragen und Bedenken, insbesondere seitens des Fachbeirats für Fachplanung und Stadtgestaltung. Deswegen wurde im vergangenen Sommer im Zuge einer von mir verordneten Nachdenkpause das Projekt vertieft. Das Resultat war unter anderem eine Reduktion der Höhen- und der Baumassen.

 

Warum steht die Stadt Wien zu diesem Umbau? Weil es mit diesem Projekt am Wiener Heumarkt gelingt, alle Vorgaben der Stadt zu erfüllen. Und zwei Aspekte sind mir hier besonders wichtig: Die Schaffung von Freiräumen für die Wiener Bevölkerung. Es braucht mehr Plätze ohne Konsumzwang mit hoher Aufenthaltsqualität. Durch einen neuen Platz, der im Sommer für AnwohnerInnen, PassantInnen und TouristInnen frei zugänglich sein wird, schaffen wir am Heumarkt einen solchen dringend benötigten Freiraum.

 

Der zweite wichtige Teil des Projekts ist die von Ihnen wie mir vehement eingeforderte langfristige, existenzielle Absicherung des Wiener Eislaufvereins. Der WEV ist eine Traditionseinrichtung, ein Ort, an dem Generationen von Wienerinnen und Wienern das Eislaufen gelernt haben. Auch heute erfreut sich der Eislaufverein, 150 Jahre nach seiner Gründung, größter Beliebtheit. Gemeinsam mit dem Projektwerber ist es gelungen, den WEV nicht nur zu erhalten, sondern mit neuer und besserer Ausstattung weitere 99 Jahre existentiell abzusichern. Wäre uns das nicht gelungen, stünde die Zukunft des Vereins auf wackligen Beinen. Entsprechend spricht sich der Wiener Eislaufverein für eine Verwirklichung des Projekts aus und hat gestern alle dazu nötigen Vereinbarungen mit dem Eigentümer unterzeichnet.

 

Darüber hinaus bietet das Projekt noch mehr: Die Errichtung einer Stadtterrasse, die öffentlich zugänglich sein wird, mehr Grün in der Lothringerstraße und am Areal selbst, Abriss und Neugestaltung des Hotels InterCont, Errichtung eines Sockels, der zeitgemäße Konferenzräume beherbergt - ein wichtiger Impuls für den Konferenzstandort Wien -, und der bereits bestehende Anbau des Hotels InterCont wird freigestellt und mit rund 66 m um 6 Geschoße erhöht.

 

Sehr geehrte Damen und Herren, zum Schluss noch, es ist bekannt, dass dieses Projekt auf Widerstand, in erster Linie von ICOMOS und damit auch seitens des UNESCO-Welterbe-Komitees stößt. Die UNESCO hat uns mitgeteilt, dass Wien voraussichtlich auf die Rote Liste des gefährdeten Welterbes gesetzt wird. Das war zu erwarten, und auch ich habe wiederholt auf diese Möglichkeit hingewiesen. Das UNESCO-Weltkulturerbe ist eine Auszeichnung, aber wir dürfen nicht vergessen, dass es bei unserem kulturellen Erbe nicht nur um einen Blick auf eine Stadt, sondern auch um das Leben im Inneren der Stadt geht. Es geht um die BewohnerInnen, um die Kinder, um die Kultur und auf diesem Areal auch um das Eislaufen. Wir sind gewählt worden, um das Leben in der Stadt zu verbessern. Historisches Erbe sind nicht allein Bauten aus einer gewissen Epoche, sondern das Leben, das dieses historische Erbe schlussendlich erfüllt. Der Wiener Eislaufverein ist genau das, Leben für die WienerInnen, für ihre Kinder, und hoffentlich auch für die Generationen, die noch folgen werden.

 

Mir ist wichtig hinzuzufügen, dass wir unsere Position gegenüber der UNESCO, insbesondere dem UNESCO-Weltkulturerbe-Komitee weiter argumentieren werden, So schwierig er ist, so schwierig er auch war, haben wir den Dialog mit dem UNESCO-Weltkulturerbe-Komitee in den letzten fünf Jahren geführt, und wir werden ihn weiterführen. Unter anderem haben wir dem Welterbe-Komitee ein umfassendes Heritage Impact Assessment übermittelt, in dem ausführlich dargelegt wird, weshalb das Projekt sehr wohl mit dem Status Weltkulturerbe vereinbar ist.

 

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, das Bauwerk am Heumarkt ist an einer bestehenden Fläche vorgesehen, die keine schützenswerte historische Bausubstanz hat. Zusätzlich gibt es an dieser Stelle bereits mit dem InterCont ein Hochhaus, es bedeutet also keinen Eingriff in das historische Stadtzentrum. Uns allen ist es wichtig, dass Wien sein historisches Erbe intensiv schützt und diesen Schutz auch weiter ausbaut. Zugleich ist Wien eine dynamische Stadt, eine Millionenmetropole, und ein Weiterbauen an der Stadt muss genauso wie in den vergangenen Jahrhunderten möglich sein. Wien ist nicht allein mit dieser Herausforderung konfrontiert, den Weltkulturerbe-Status an die Bedingungen des 21. Jahrhunderts heranzuführen. Da geht es Städten wie Liverpool oder auch Köln durchaus sehr ähnlich. Köln war übrigens bereits einmal auf der Liste der gefährdeten Welterbe-Städte und wurde wieder heruntergenommen, auch dort stieß und stößt man an Grenzen in der Dialogfähigkeit, in der Dialogmöglichkeit mit dem Welterbe-Komitee.

 

Weder gibt es die Möglichkeit, den eigenen Fall grundlegend vorzutragen, noch einen Austausch im eigentlichen Sinne zu pflegen, so wie wir das eigentlich im 21. Jahrhundert als selbstverständlich voraussetzen würden. Wird dies weiter so gehandhabt, sehe ich große Schwierigkeiten, nicht nur für Wien, den Status Weltkulturerbe in einem urbanen Kontext auf Dauer vereinbaren

 

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