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Gemeinderat, 20. Sitzung vom 02.03.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 63 von 105

 

den habe, und ich habe es nie verstanden. Ich halte das für die Lebenslüge der SPÖ-Wien oder der SPÖ überhaupt.

 

Da haben Sie ein Bildungsinstitut, das ist das Dr.-Karl-Renner-Institut, und da gibt es zwei Preise der Stadt Wien, das ist der Renner-Preis und das ist die Julius-Tandler-Medaille.

 

Wie immer die Vorzüge dieser Personen sind, Sie haben auch gewisse andere Seiten, wie Kollege Juraczka gesagt hat. Natürlich war Lueger Antisemit, das war übrigens Renner auch, das werde ich gleich vorlesen. (GR Dr. Kurt Stürzenbecher: Überhaupt nicht!) - Nein, tun wir nicht das kleinreden, denn das ist das Problem der SPÖ, auf der einen Seite wird alles kleingeredet oder schöngeredet oder zurechtgeredet und alles andere ist schlecht. So kann man nicht agieren, das ist am linken Auge eine Lebenslüge. Henrik Ibsen hat gesagt, es ist eine Lebenslüge. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Die Gefahr ist nur - wenn man Henrik Ibsen zitiert -, wenn man den Menschen die Lebenslügen nimmt, dann könnte es sein, dass sie daran zu Grunde gehen.

 

Im SPÖ-Privatmuseum im Karl-Marx-Hof gibt es jetzt eine lange Ausstellung über Tandler, und das ist schon so faszinierend, das man sagen muss, es ist eine riesige Ausstellung und geht, glaube ich, über ein halbes Jahr. Eröffnet wurde sie von der ehemaligen Stadträtin Wehsely. Ich glaube, der Chef vom Verein Sammlung Rotes Wien ist noch immer der Herr ehemalige Vizebürgermeister Sepp Rieder. Wir wissen alle, dass Julius Tandler neben seinen Verdiensten als Sozialstadtrat - und er hat sicherlich etwas für den Sozialstaat gemacht, das ist ja alles unbestritten, das ist ja das Lustige, man muss es nur einmal herausstreichen und zu der Wahrheit stehen -, auch andere Dinge gemacht hat. Er war ein radikaler Eugeniker und ich lese jetzt nur kurz vor, was in der Einladung zu dieser Ausstellung steht: „Unter dem Eindruck der katastrophalen Auswirkung des Ersten Weltkrieges wird Julius Tandler zu einem Anhänger der Eugenik, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in vielen Ländern und quer durch alle ideologischen Lager weit verbreitet ist. Eugenische Sozialtechnologien und Fortschrittsoptimismus verheißen eine neue Zeit mit neuen Menschen in einer besseren, sozialistischen Gesellschaftsordnung. Die sozialistische Eugenik basiert auf Aufklärung und Freiwilligkeit, eine Gleichsetzung mit der Eugenik der nationalsozialistischen Rassenhygiene ist daher nicht zulässig.“ - Das steht im Eröffnungsfolder dieser Ausstellung.

 

Wir erinnern uns alle, es gibt das „Politische Erinnerungsorte“ - Forschungsprojekt, vom Herrn Stadtrat in Auftrag gegeben, über die belasteten und weniger belasteten Namen, und da möchte ich auch vorlesen, was da immerhin dankenswerterweise drinsteht: Problematisch an Tandlers Vita ist aus heutiger Sicht besonders seine rabiat-eugenische Rhetorik. So schrieb er unter anderem - ich zitiere: „Welchen Aufwand übrigens die Staaten für vollkommen lebensunwertes Leben leisten müssen, ist zum Beispiel daraus zu sehen, dass hier 30.000 Vollidioten Deutschlands diesen Staat 2 Milliarden Friedensmark kosten. Bei der Kenntnis solcher Zahlen gewinnt das Problem der Vernichtung lebensunwerten Lebens im Interesse lebenswerten Lebens an Aktualität und Bedeutung. Gewiss, es sind ethnische, humanitäre und fälschlich humanitäre Gründe, welche dagegen sprechen, aber schließlich und endlich wird auch die Idee, dass man lebensunwertes Leben opfern müsse, um lebenswertes zu erhalten, immer mehr und mehr ins Volksbewusstsein dringen. Denn heute vernichten wir vielfach lebenswertes Leben, um lebensunwertes Leben zu erhalten.“ - Sonderdruck der Medizinischen Wochenzeitschrift 1924.

 

Ich habe jetzt nur diese zwei Zitate gegenübergestellt, das steht im eigenen Bericht der Stadt Wien, schöngebetet, dass das eine mit dem anderen gar nichts zu tun hat bei Ihrer Ausstellung. Dann gibt es einen Tandler-Preis, und da steht in Wikipedia: „Die nach dem Arzt Julius Tandler benannte Prof.-Dr.-Julius-Tandler-Medaille der Stadt Wien wird als äußeres Zeichen der Anerkennung und Würdigung an Personen verliehen, die sich durch ihre uneigennützige und aufopfernde Tätigkeit um das Wohl der Mitmenschen besonders verdient gemacht haben.“ - Ich würde mir das schon überlegen, und ich halte das wirklich für eine nachhaltige Lebenslüge. Seien wir ehrlich, erst die blau-schwarze Regierung hat ernsthaft eine Wiedergutmachung begonnen. Dann ist der Stadt Wien eingefallen, dass man das auch macht. Bis dahin, bis 2000 oder wann das war, war es wurscht gewesen, dann ist es Ihnen eingefallen.

 

Zu Renner habe ich einen wunderbaren Artikel gefunden, zugegebenermaßen von Herrn Schausberger. (GR Mag. Manfred Juraczka: Das ist ein Historiker!) Es gibt den Renner-Preis - übrigens, der erste Renner-Preis-Träger war Leopold Kunschak, auch laut diesem Bericht ein großer Antisemit, dem der Renner auch vorgehalten hat, dass er Antisemit war. Er hat ihm aber viel mehr auch vorgehalten, dass er es gar nicht ernst meint. Das kann man alles zitieren. Studiert man die Protokolle des österreichischen Parlaments aus den 20er Jahren, so erkennt man, dass neben dem Christdemokraten Leopold Kunschak vor allem die Sozialdemokraten Karl Renner und Oskar Helmer zu den prononcierten Antisemiten zählen. Wann immer er konnte, verband Renner die Begriffe „jüdisch“ oder „Juden“ mit negativen Konnotationen. Und so weiter, und so weiter. Er schreibt dann: „Nachdem die Nationalratswahlen 1920 eine Mehrheit für die bürgerlichen Parteien erbracht haben, forderte Renner die neue bürgerliche Regierung zum Handeln auf. Sie werden jetzt Gelegenheit haben, die Judenfrage zu klären, hat er gesagt. Die christlich-soziale Partei habe, als sie in Wien an der Macht war, nichts dagegen getan, dass die Juden immer reicher wurden. Während sie,“ - alles unter Anführungszeichen als Zitat - „die Juden, in unserer Jugend, Herr Kollege Kunschak, noch bescheiden in der Leopoldstadt wohnten, haben sie jetzt Mariahilf und alle Bezirke überschwemmt. Sie sind gediehen und ihrem glorreichen antisemitischen Regime.“ Und so weiter, und so weiter.

 

Es ist eben alles ein Zeichen der Zeit, meine Damen und Herren, und da muss man auch ehrlich dazu stehen. Nur verstehen tu ich nicht, warum man die einzigen

 

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