«  1  »

 

Gemeinderat, 17. Sitzung vom 13.12.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 30 von 69

 

und Zweiten Weltkrieg zu unterrichten, sondern, wenn sie dann das Wort verstanden haben, kommt er drauf, dass sie gar nicht wissen, dass es diese Kriege überhaupt gegeben hat. Wenn er dann erklärt hat, dass es sie gegeben hat, kommt er drauf, dass es sie gar nicht interessiert. Das ist für viele Lehrerinnen und Lehrer Alltag in Wien.

 

Die Frauen, die unterrichten, erleben, dass sie sich oft gegenüber Eltern beziehungsweise Vätern von Schülern nicht durchsetzen können. Eine Lehrerin hat mir erzählt, dass der Vater im Gespräch mit mehreren sagt: „Du Mann, du gut, du Frau, du nix.“ Es gibt Väter, die den Lehrerinnen nicht die Hand geben. Sie wissen all das, ich möchte es nur noch einmal sagen, weil das die Realität ist, und weil wir viel zu wenig darüber reden. Denn hier geht es um die Stadt, es geht um jeden einzelnen Menschen, es geht um die Zukunft und die Gesellschaft und die Menschen, die diese Stadt weitertragen werden. Wenn das Problem so groß ist, wie es ist, dann verstehe ich nicht, warum wir nicht offener und ehrlicher versuchen, Lösungen zu finden.

 

Kurz und gut, ich fasse zusammen: Wir brauchen Maßnahmen im Bereich Deradikalisierung, wir brauchen Maßnahmen gegen die Bildung von Parallelgesellschaften und wir müssen bessere Lösungen für unsere Schulen finden. Integration muss ein vorrangiges Anliegen Wiens werden und darf nicht wie jetzt unter ferner liefen abgestempelt werden.

 

Ich habe jetzt noch einen Gedanken zum Thema Familienpolitik mitgebracht, da Sie es auch unbedingt hören wollen, aber ich hätte es auch so gesagt. Ich habe schon öfter Ideen gebracht, was man so tun könnte, aber auf die gehe ich jetzt nicht ein. Nur einen Antrag habe ich mit, und das ist ein Antrag auf realistischere Familienkarten bei den Wiener Bädern. Wenn man heute als Familie baden geht, dann kann, wenn man sich eine Familienkarte löst, ein Erwachsener mit einem Kind eintreten. Das ist nicht einmal eine gute Alleinerzieherkarte, denn auch die haben manchmal ein zweites Kind. Meine Kollegin Schwarz und ich bringen heute den Antrag ein, dass die Stadträtin sich dahin gehend einsetzten sollte, dass mit einer Familienkarte eine ganze Familie inklusive aller ihrer Kinder ins Bad gehen kann und in den Genuss der Vergünstigung kommt. Ich glaube, dass das vielleicht nicht alles ändert, aber das ist ein wichtiges Zeichen, dass wir sehr wohl die Arbeit der Familien sehen, dass wir die Familien wertschätzen und dass es uns wichtig ist, eine Stadt zu schaffen, in der Familien das Gefühl haben, dass sie Platz haben. Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Die Frau Kollegin hat 9 Minuten gesprochen, das heißt, Restredezeit der ÖVP-Fraktion wären noch 3 Minuten. Ich hoffe, ich habe das jetzt richtig in meinen Unterlagen, als nächste Rednerin habe ich jetzt bei mir Frau GRin Mag. El-Nagashi gemeldet. Selbstgewählte Redezeit sind 5 Minuten. Gesamtrestredezeit der Fraktion wären noch 19 Minuten. - Bitte schön.

 

12.24.33

GRin Mag. Faika El-Nagashi (GRÜNE)|: Herr Vorsitzender! Frau Stadträtin!

 

Integration geht tatsächlich uns alle an, und es ist nicht egal und es macht wirklich einen Unterschied, ob wir in einer Stadt leben, in der eineinhalb Parteien ständig gegen die Menschen in dieser Stadt poltern, ständig die Menschen in dieser Stadt diffamieren, diskreditieren und delegitimieren. Da macht es tatsächlich einen Unterschied, auf welcher Seite der Regierungsbank diese Parteien sitzen. Ihre Kollegin Schweiger-Stenzel hat Sie gestern darum gebeten: Hören Sie auf, in Schablonen zu denken, hören Sie auf, in gute und in böse Europäerinnen und Europäer einzuteilen. Und was machen Sie? Sie machen trotzdem in Wien dasselbe.

 

An nichts haben Sie sich im letzten Jahr mehr abgearbeitet, als daran, zu versuchen, die Arbeit von tausenden Menschen in dieser Stadt schlecht zu machen und in den Dreck zu ziehen. Nichts verstört die Damen und Herren von der FPÖ mehr als gelebte Willkommenskultur. (GR Maximilian Krauss: Das stimmt!) Und nichts prägte den Begriff der Willkommenskultur mehr, als die vielen Privatinitiativen und das Engagement von tausenden Menschen im letzten Jahr. Diese Menschen, die sich engagiert haben, haben Kindern Windeln gewechselt, sie haben Menschen und Kinder getröstet, sie haben Essen gekocht und ausgegeben, sie haben medizinische Hilfeleistungen angeboten, ehrenamtlich, als Privatpersonen. Alleine am Hauptbahnhof waren letztes Jahr täglich 300 Helferinnen und Helfer im Einsatz, als Privatpersonen und ehrenamtlich. (GR Dominik Nepp: Als Schlepper!) Sie sind schon wieder dabei, diese Menschen zu diskreditieren und zu diffamieren, genau das ist das Problem, das ich Ihnen vorher gesagt habe. Wie kommen Sie dazu, solche Aussagen zu treffen? Die Privatinitiative Train of Hope wurde letztes Jahr mit dem Menschenrechtspreis ausgezeichnet, und zwar zu Recht mit dem Menschenrechtspreis. Der Refugee Convoy hat den Ute-Bock-Preis für Zivilcourage erhalten. Just an dem Abend, an dem Ihre Identitären-Freunde beschlossen haben, eine Theateraufführung zu stürmen, von Kriegsflüchtlingen und von Kindern, wozu sie mittlerweile zu Recht verurteilt wurden. (GR Mag. Wolfgang Jung: Stürmen ist etwas anderes!) Ist das das Kunstverständnis, Frau Reif, das Sie gestern so breit dargelegt haben? (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Nichts prägt den Begriff der Willkommenskultur mehr als dieses Engagement, und nichts anderes haben Sie ein Jahr lang rauf- und runtergespielt, als eben dieses Engagement zu verurteilen versuchen. Nichts ist abwertender, respektloser und unverschämter all diesen Menschen, all diesen Wienerinnen und Wienern gegenüber, als Ihre grenzenlose Missachtung und Diffamierung. (GR Mag. Wolfgang Jung: Die Wiener sind halt in der Mehrheit anderer Meinung!) Das waren Wienerinnen und Wiener, das sind Wienerinnen und Wiener. Bei der freiwilligen Arbeit liegt Österreich im EU-Spitzenfeld. Über 720 Millionen Stunden werden pro Jahr in unbezahlte Arbeit investiert. Unser Dank geht heute an all diese Menschen, an die Menschen, die nicht erst nach dem Pass oder nach der Herkunft oder nach dem Taufschein oder nach dem Geldbörsel fragen, bevor sie Menschen die Hand ausstrecken und Hilfe leisten. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ. - GR Mag. Wolfgang Jung: Die

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular