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Gemeinderat, 16. Sitzung vom 25.11.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 6 von 26

 

ungeheure Doppelmoral, wenn Sie sagen, all das muss natürlich in der öffentlichen Hand organisiert werden.

 

Ein ähnlicher Bereich, den der Kollege auch angesprochen hat, ist die Frage der Ärztearbeitszeitumsetzung. - Es ist ja nicht gerade sozusagen kurzfristig bekannt geworden, dass das zu Folgen führen wird. Das wurde diskutiert, und da wurde ein gewisser Klassenkampf geführt. Man hat gesagt, den Ärztinnen und Ärzten geht es eigentlich nur darum, ihre hohen Gehälter zu erhalten, und so weiter. Da gab es sehr klassenkämpferische Töne.

 

Auch diesbezüglich gibt es Alltagserfahrungen der Ärzte. Die Überlastung ist enorm, und es ist so, wie Kollege Gara gesagt hat: Wenn wir mit Ärzten sprechen, dann hören wir Aussagen wie: Eigentlich sind es nur noch Idealisten, die im KAV arbeiten wollen. - Oder es gibt Aussprüche wie: Die Besten gehen natürlich nicht mehr in KAV-Spitäler, sondern sie haben Wahlarztordinationen oder gehen in Privatspitäler.

 

Das müssen Sie ernst nehmen! Sonst bleibt nämlich nur noch, dass alle, die es sich leisten können - und da rede ich nicht von den Reichen, sondern vom Mittelstand, der sich das irgendwie rausquetscht -, sich über Privatversicherungen die Möglichkeit holen, in den Wahlarztbereich und in den Bereich der privaten Spitäler zu gehen, eben dorthin, wo sie sicher sind, dass dort die besten Leute arbeiten. Und alle anderen, sozusagen der Rest, wird dann vielleicht von Idealisten oder von denen, die eben nicht so gut sind, dass sie eine Wahlarztpraxis oder was auch immer aufmachen, versorgt.

 

Das ist der Weg, wohin Sie gehen, und zwar sehendes Auges! Und das ist eine unglaubliche Unehrlichkeit! Deshalb verlange ich hier und heute, dass in diesem Zusammenhang Ehrlichkeit an den Tag gelegt wird und dass wir endlich einmal sagen, dass wir hier ein wichtiges Thema haben. (Beifall bei den NEOS.)

 

Eine Hiobsbotschaft jagt in Wahrheit die nächste, und in dieser Situation sagt der Bürgermeister in einem Interview: Wir prüfen derzeit quasi die Ausgliederung des KAV beziehungsweise wird diese jetzt angedacht. - Okay! Das kann man natürlich tun. Es besteht ja jetzt tatsächlich eine Hybridsituation: Ist das eine Magistratsabteilung? - Nicht wirklich!

 

Aber warum tut man das jetzt, ernsthaft jetzt, zum jetzigen Zeitpunkt? Worum geht es da eigentlich? - Die Lösung der SPÖ-Wien in Fragen, in denen es um politische Problemstellung geht, bewegt sich in der Regel immer im Umfeld von Personalpolitik oder Strukturpolitik: Man schiebt Dinge in einen Bereich, wo man sie möglichst der Kontrolle der Opposition entzieht.

 

Sie wissen, dass mit dem Krankenhaus Nord ein Finanzdebakel nicht nur droht, sondern vor der Türe steht. Sie wissen, dass es Probleme geben wird, den technischen Betrieb aufzunehmen. Sie wissen, dass der Rechnungshof auf Ersuchen der FPÖ prüft. Sie wissen, dass das Krankenhaus Nord zu einem AKH II werden wird. Sie wissen, dass es an allen Ecken und Enden des KAV aufpoppt. Und in dieser Situation stellen Sie sich hin und sagen: Gliedern wir aus!

 

Ich schaue jetzt in Richtung Grüne. Lassen Sie zu, dass das Ganze in dieser Situation, da es Transparenz geben und die Möglichkeit bestehen muss, überall hinzuschauen und den Finger auf die Wunden zu legen, aus dem Kontrollbereich der Opposition herausgenommen und in einen ausgegliederten Bereich transferiert wird, in den man wie in viele andere ausgegliederte Bereiche nicht hineinschauen kann? Das dürfen Sie nicht zulassen, liebe Grüne, denn dann haben Sie jegliche Glaubwürdigkeit verspielt! (Beifall bei den NEOS.)

 

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen auch etwas vorlesen, was Sie damals gesagt haben. - Bitte verzeihen Sie mir kurz, ich muss meine Unterlagen suchen, ich rede immer frei, und das ist nicht immer ganz praktikabel. - Als sich die Diskussion in den Jahren 2003 und 2004 darum gedreht hat, die Sozialagenden in den Fonds Soziales Wien auszugliedern, hat Kollege Margulies gesagt: „Dies ist bedauerlich und für uns Grüne im höchsten Maße inakzeptabel! - Beifall bei den Grünen. - Um das auszugliedern, bedarf es angesichts der europäischen und innerösterreichischen Rahmenbedingungen ausreichend finanzieller Mittel, einer Demokratisierung der betroffenen Bereiche, eines erhöhten Maßes an Transparenz, der Mitsprache von zu betreuenden und unterstützenden Menschen unter Einbindung von MitarbeiterInnen der leistungserbringenden Organisationen und des Magistrats sowie des offenen Diskurses in der Politik.“ – Zitat Ende. G‘scheit, gell? (GR Dipl.-Ing. Martin Margulies: Urg’scheit!)

 

Was aber ist geschehen? (Zwischenrufe bei den GRÜNEN.) Was ist geschehen? - Nichts! Sie haben Ihren Anspruch hinsichtlich Transparenz, Kontrolle und Demokratisierung am Nagel im Vorzimmer des Herrn Bürgermeister abgegeben! (Beifall bei den NEOS.)

 

Das ist jetzt ein Appell an Sie, dass Sie das beim KAV nicht zulassen! (Beifall bei den NEOS.)

 

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben ein Thema mit der Gesundheitsversorgung, und das spüren die Menschen: Das spüren die Patientinnen und Patienten, das spüren die Ärztinnen und Ärzte, das spürt das Pflegepersonal. Das sind Alltagserfahrungen, die die Menschen machen in den Ambulanzen, wo sie stundenlagen warten müssen, in den Kassenpraxen, wo sie keinen Termin oder erst Monate später einen Termin bekommen. Solche Erfahrungen werden bei Wartezeiten auf Operationen gemacht.

 

Und das sind Situationen, in denen sich die Menschen, die es sich irgendwie leisten können, entschließen, eine private Versicherung abzuschließen. - Ich sage noch einmal: Wir reden da vom Mittelstand, der ohnehin durch Ihre Politik in einem Ausmaß belastet ist, dass man sich sein tägliches Leben kaum noch leisten kann. Diese Leute sagen dann: Gut. Jetzt zahle ich auch noch eine private Versicherung, dass ich für meine Kinder und für mich selber die Möglichkeit habe, Wahlarztordinationen aufzusuchen.

 

In Anbetracht dieser Situation können Sie sich nicht länger hinstellen und sagen: Es ist alles in Ordnung! Wir sind nur für den Spitalsbereich zuständig! Tut uns leid,

 

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