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Gemeinderat, 14. Sitzung vom 21.10.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 26 von 71

 

Erstens leben mehr als 70 Prozent der europäischen Bevölkerung derzeit im urbanen Raum. Dies bedeutet, dass Städte sowohl der Motor unserer wirtschaftlichen Entwicklung als auch Hauptakteure in vielen gesellschaftlichen Bereichen sind. Sie sind ein Zentrum für Bildung, Innovation und technologischen Fortschritt und leisten damit einen unverkennbaren Beitrag zum Wohlstand in Europa.

 

Zweitens können Städte eine Vermittlerrolle zwischen europäischen und nationalen Interessen einnehmen. Wie ich vorhin schon erwähnt habe, erleben wir leider immer öfter ein Informations- und Zuständigkeitsdefizit aufseiten der Mitgliedstaaten. Viele Regierungen - und auch Österreich stellt hier keine Ausnahme dar - haben ihr Verantwortungsbewusstsein gegenüber Europa verloren. Die EU wird viel zu oft zum Sündenbock für unpopuläre Entscheidungen gemacht, während die positiven Aspekte unter den Teppich gekehrt oder als nationale Erfolge ausgegeben werden. Ich bin davon überzeugt, dass die verstärkte Einbeziehung von Städten als Partner hier zu einer Verbesserung führen kann. (Beifall bei den NEOS.)

 

Die Kommission hat dies erkannt und verfolgt daher eine neue Strategie in der Kooperation mit den urbanen Regionen. Auf der einen Seite versucht die Europäische Kommission, die Städte durch eine verstärkte Einbeziehung in den Entscheidungsprozess auf EU-Ebene zu involvieren. Zudem betreibt die Kommission eine direktere Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern über urbane Strukturen.

 

Hier ist vor allem die Urban Agenda, die ab 2016 in Form von zwölf Städtepartnerschaften umgesetzt wird, ein Vorzeigemodell. Ziel ist es, die Auswirkungen von EU-Rechtsvorschriften auf Städte besser zu berücksichtigen und Interessenskonflikte zu vermeiden. Zur Zeit umfasst die Städteagenda zwölf Themenfelder, wie zum Beispiel die Integration von Migrantinnen und Migranten, Flüchtlingen, städtische Mobilität oder Arbeit und Beschäftigung.

 

Auf der anderen Seite will die Europäische Union die Rolle der Städte in bestimmten Politikbereichen besonders fördern. Ich sehe im Zuge meiner eigenen Arbeit als Mitglied des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie, welchen wertvollen Beitrag vor allem Großstädte auf europäischer Ebene leisten. Sie sind Vorreiter in vielen Bereichen, wie Energieeffizienz, Mobilität oder beim Einsatz von neuen Technologien.

 

Schon heute liefern sich Städte ein Wettrennen in diesen Bereichen und setzen sich selbst immer höhere Ziele. So wird zum Beispiel die dänische Hauptstadt Kopenhagen bis 2025 vollkommen CO2-neutral sein. Auch die Stadt Wien wird immer wieder als Vorzeigemodell beim Thema Nachhaltigkeit herangezogen.

 

Daher bin ich überzeugt, dass Initiativen in diesen Bereichen unentbehrlich sind für die Entwicklung von modernen urbanen Lebensstrukturen. Beste Beispiele dafür sind die „European Smart Cities and Communities Initiative“ oder der „Covenant of Mayors for Climate and Energy“. Diese bringen Städte, Bürgerinnen und Bürger und die Industrie zusammen, um das Leben im urbanen Raum nachhaltig zu verbessern.

 

Die dritte Ebene, auf der die EU aktiv ist, ist die vermehrte Kooperation zwischen Städten und das gegenseitige Lernen voneinander. Hier soll durch ein breites Angebot von Projekten und Veranstaltungen eine Plattform für den Austausch von Wissen und Ideen geboten werden.

 

Obwohl die meisten existierenden Netzwerke auf Initiativen von Städten selbst zurückgehen, ist die Kommission bemüht, vermehrt Projekte in diesem Bereich zu fördern. Da ich auch persönlich von der Wichtigkeit dieser Netzwerke überzeugt bin, habe ich selbst ein Pilotprojekt im Europäischen Parlament angeregt. Dieses soll in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Eurocities den Aufbau eines Innovationsnetzwerkes zwischen europäischen Städten ermöglichen.

 

Wie Sie sehen, ist die EU bereits jetzt sehr aktiv, um die Interessen und Anliegen von Städten stärker mit einzubinden. Allerdings befinden wir uns noch lange nicht am Ziel, und die Kooperationen müssen in vielen Bereichen noch aufgebaut und vertieft werden.

 

Lassen Sie mich zum Abschluss noch einen kurzen Appell an Sie, meine Damen und Herren des Wiener Gemeinderates, richten. Die Europäische Union braucht verlässliche Partner, um das Projekt Europa erfolgreich fortzuführen. Ich bitte Sie ganz persönlich als Europaabgeordnete und auch als Mensch, der in dieser Stadt lebt, darum: Seien Sie ein solcher Partner!

 

Auch wenn es viele Herausforderungen auf europäischer Ebene gibt, habe ich Ihnen darzulegen versucht, welche enormen Chancen die Europäische Union uns allen und Ihnen bietet und wie bemüht sie um Zusammenarbeit auf allen Ebenen ist. Städte und Regionen müssen eine aktivere Rolle für Europa übernehmen. Sie sind nicht nur Betroffene, sondern vor allem Mitwirkende in diesem Prozess. Denn hier, in den Städten, ist die Kultur Europas zu Hause.

 

Deshalb: Betrachten Sie die Europäische Union als Ihre Angelegenheit! Bringen Sie sich aktiv ein, und helfen Sie uns, konstruktive und sachliche Politik zu betreiben! (Beifall von GRin Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES.) Wir sind in Brüssel und in Straßburg auf Ihre Beiträge angewiesen, um die Erfahrungen aus der Praxis in sachgerechte Politik umsetzen zu können. Denn um das bürgernahe Europa zu schaffen, das wir uns alle wünschen, wird eines unentbehrlich sein: Lokal zu handeln und europäisch zu denken. Vielen Dank. (Beifall bei NEOS, SPÖ und GRÜNEN.)

 

Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Als nächster Redner zum Wort gemeldet ist Herr Abg. Dr. Rübig. Ich erteile ihm das Wort.

 

11.33.40

EP-Abg. Ing. Dr. Paul Rübig (ÖVP)|: Guten Morgen!

 

Ich möchte mich zuerst recht herzlich für die Einladung bedanken. Als Europaabgeordneter hat man ja die Möglichkeit, auf allen politischen Ebenen tätig sein zu können, und ich bin auch in Wels in Oberösterreich der stellvertretende Stadtparteiobmann. Also ist es bis zur internationalen Ebene sehr interessant zu sehen, wie sich Politik entwickelt und was die Kernfragen auf jeder Ebene sind. Im Prinzip arbeiten eigentlich alle Ebenen an den gleichen Themen.

 

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