Gemeinderat, 12. Sitzung vom 29.09.2016, Wörtliches Protokoll - Seite 8 von 98
Bezüglich 144 Museumsankäufen aus dem Bestand der Vugesta, der Verwertungsstelle für jüdisches Umzugsgut der Gestapo, und mehr als 200 Museumserwerbungen von unrechtmäßig entwendeten Werken, deren ehemalige Eigentümerinnen und Eigentümer bisher nicht festgestellt werden konnten, hat die Wiener Restitutionskommission die Empfehlung abgegeben, die Objekte an den Nationalfonds zu restituieren. Auch hier werden noch Recherchen durchgeführt. Die Museen der Stadt Wien streben dabei für die Übergabe eine gemeinsame zeitliche Vorgehensweise mit dem Bund an.
Bezüglich der Erwerbungen der ehemaligen städtischen Sammlungen aus dem Dorotheum, aus dem Kunsthandel und aus sonstigen Antiquariaten sowie bezüglich der Widmungen von öffentlichen Stellen zwischen März 1938 und Mai 1945 - das sind ungefähr 1.500 Objekte, die auf der Homepage des Wien Museums abrufbar sind - hat die Wiener Restitutionskommission festgestellt, dass dieser Erwerbungszeitraum noch kein Indiz für eine Entziehung darstellt. Trotzdem handelt es sich um keine unbedenklichen Erwerbungen. Auch diese Kunstgegenstände werden weiter beforscht.
Die systematische Provenienzforschung in der Wienbibliothek zur Auffindung und Restitution direkter Erwerbungen von durch den Nationalsozialismus Verfolgten und von als herrenloses Gut in die Bibliothek verbrachten Objekten wurde mit Jahresende 2004 abgeschlossen. Dessen ungeachtet wurde auch seither die systematische Suche nach Rechtsnachfolgern restitutionsfähiger Objekte intensiv weitergeführt.
Im Rahmen des erweiterten Auftrags an die Provenienzforschung des Wien Museums und der Wienbibliothek im Rathaus durch den Gemeinderatsbeschluss vom 29. April 2011 - Sie werden sich daran erinnern - sind in den städtischen Sammlungen sämtliche Erwerbungen aus dem Deutschen Reich zwischen dem 30. Jänner 1933 und dem 12. März 1938 einer Überprüfung zu unterziehen, welche im Wien Museum noch nicht abgeschlossen worden ist. Die systematische Untersuchung aller Inventare, Erwerbsakten und sämtlicher Druckschriften, die zwischen 30. Jänner 1933 und 12. März 1938 inventarisiert wurden, auf Provenienzspuren konnte in der Wienbibliothek im März 2013 abgeschlossen werden. Weiterhin wurden und werden viele Anfragen von Menschen aus der ganzen Welt beantwortet.
Sie sehen, meine Damen und Herren, die Dienststellen und einzelne Magistratsabteilungen der Stadt Wien versuchen auf äußerst genaue und sehr akribische Weise, die Frage der Restitution zu behandeln. Und ich meine, das ist angesichts der Verbrechen, die an diesen Menschen begangen wurden, mehr als gerechtfertigt.
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Vielen Dank für die Beantwortung. Die 1. Zusatzfrage kommt von der ÖVP. - Herr GR Dkfm. Dr. Aichinger, bitte.
GR Dkfm. Dr. Fritz Aichinger (ÖVP): Guten Morgen, Herr Stadtrat! Herzlichen Dank für die ausführliche Antwort, die Sie gegeben haben. Es laufen also weiterhin Untersuchungen. Können Sie einen Zeithorizont nennen, wann Sie glauben, dass das unter Umständen beendet ist? Beziehungsweise: Können Sie sagen, ob es in einzelnen Teilen, wie auch im Jüdischen Museum, hier sozusagen einen Endpunkt gibt oder ob diese Forschung permanent weitergeführt werden muss?
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Herr Stadtrat, bitte.
Amtsf. StR Dr. Andreas Mailath-Pokorny: Sehr geehrter Herr Gemeinderat! Ich habe ja versucht, hier auch darzulegen, dass wir das weiter machen, dass in sehr, sehr vielen Fällen die Behörden beziehungsweise die Magistratsbediensteten auch weiter aktiv suchen und dass wir im Grunde die Kanäle sozusagen offen lassen, aber auch die aktive Erbensuche. Es wird wahrscheinlich weniger, aber wir versuchen, trotzdem noch Menschen und Berechtigte zu erreichen, solange es geht.
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Die 2. Zusatzfrage stellt Herr GR Ellensohn von den GRÜNEN. - Bitte schön.
GR David Ellensohn (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Stadtrat, für die sehr ausführliche Beantwortung der Frage. Die Zusatzfrage vom Kollegen von der Volkspartei hat meine Frage jetzt hinfällig werden lassen. Ich bin froh, dass wir das Thema nicht formell abschließen, wie es immer wieder auch in der Öffentlichkeit von verschiedenen Richtungen - sage ich jetzt, ohne da ins Detail zu gehen - gewünscht wird. Es ist leider so, dass das Thema nicht abgeschlossen sein kann und deswegen auch noch weiter daran gearbeitet wird. Ich bin sehr froh, dass die Dienststellen der Stadt Wien derartig bemüht sind. Sie haben da zehntausende Fälle angesprochen, und es werden wohl weiterhin immer wieder Fälle auftauchen. Und es ist gut, wenn das mit der entsprechenden Sorgfalt auch bearbeitet wird. - Danke.
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Herr Stadtrat, wollen Sie etwas dazu sagen?
Amtsf. StR Dr. Andreas Mailath-Pokorny: Ja, das war zwar keine Frage, aber ich möchte das noch einmal unterstreichen, nämlich dass wir nicht formell abschließen, weil wir auch in der Vergangenheit verschiedentlich gesehen haben - ich glaube, es war auf Bundesebene, aber ich kann mich jetzt auch nicht mehr genau erinnern -, dass ein formeller Abschluss oftmals auch dazu führt, dass dann doch noch etwas auftaucht. Ich selber hatte einmal das Erlebnis, dass ich zufällig dabei war, wie im Jüdischen Museum amerikanische Touristen durch das Museum gegangen sind und auf Grund des eigenen Augenscheins ein Thora-Mäntelchen entdeckt haben, das sich dann in weiterer Folge nach einer entsprechenden Begutachtung tatsächlich als ein Restitutionsfall herausgestellt hat.
Also ab und zu spielt auch der Zufall eine Rolle. Und insofern hielte ich einen formalen Abschluss und sozusagen die Übergabe jener Güter, die nicht zugeordnet werden können, an den Restitutionsfonds jedenfalls für verfrüht und auch nicht für gerechtfertigt.
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Die 3. Zusatzfrage kommt von der FPÖ. - Bitte, Herr GR Mag. Ebinger.
GR Mag. Gerald Ebinger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Stadtrat! Wir sind auch gegen einen Abschluss. Wenn man den Bericht - Sie haben das ja mehr oder weniger
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