Gemeinderat, 10. Sitzung vom 27.06.2016, Wörtliches Protokoll - Seite 84 von 121
sen das. Damals haben sich die Experten und die ASFINAG zusammengesetzt und die Experten haben gesagt, bitte zuerst den ÖV ausbauen und dann kann man eine stadtnahe Trasse andenken. Das wäre eigentlich der Weg gewesen. Diese stadtnahe Trasse hat auch die ASFINAG priorisiert. Aber dann kam es zum politischen Deal. Wir bauen quasi am breitesten Teil der Lobau einen Tunnel, beeinträchtigen dort den Nationalpark am meisten und fördern natürlich massiv die Zersiedelung. Vor allem in Niederösterreich haben wir noch kleinstrukturierte landwirtschaftliche Strukturen. Sie wissen, glaube ich, was damit passieren wird.
Wir haben in Österreich das drittdichteste Autobahnnetz in Europa. Unsere Gesamtlänge an Autobahnen ist mehr als doppelt so lang wie Deutschland. Dabei ist Deutschland ein bisschen größer als Österreich. Seit 1970 haben wir über 1.200 km Autobahnen gebaut. Je mehr Kilometer, desto attraktiver werden wir für den Transitverkehr.
Es kommt so oft das Argument, wir müssen die Wiener Wirtschaft stärken und deswegen brauchen wir unbedingt einen Lobau-Tunnel. Vielleicht kriege ich noch Antworten darauf. Ich weiß es nicht, aber ich frage mich schon, wie ein Lobau-Tunnel die Wirtschaft stärkt. (GR Gerhard Kubik: Indem die Menschen dort arbeiten!) Jede einzelne Autobahn in Österreich hat bisher zu einer enormen Anhäufung von Schulden geführt. Die A5 zum Beispiel verstärkt die Abwanderung, zerstört kleine Unternehmen im Weinviertel, weil die große Konkurrenz im Einkaufspark schneller erreichbar ist. Das wird in Wien nicht anders sein. Ich kann nicht nachvollziehen, wie dadurch, dass die Menschen ungehinderter mit dem Auto fahren, neue Arbeitsplätze entstehen sollen.
Das Credo, für eine Ansiedelung von Unternehmen braucht man Infrastruktur für den motorisierten Individualverkehr, ist ein Credo aus den 50er Jahren. In Wien wird sich nicht die Industrie ansiedeln, die großartig auf LKW-Transporte angewiesen ist. Außerdem führt die Lobau-Autobahn an Wien vorbei. Sie führt nicht nach Wien, sie fährt vorbei. (GR Gerhard Kubik: Stadtstraße!) Ich glaube nicht, dass die Donaustädter alle nach Schwechat wollen. Betreffend den Transitverkehr, den wir haben, sagen Sie immer, wir müssen die Tangente entlasten. Wie viel Transitverkehr haben wir da? Wie viel Schwerverkehr? Wissen Sie es? (GR Gerhard Kubik: Nein! Sagen Sie es mir!) 5,9 Prozent, von Montag bis Sonntag gerechnet. 7,4 Prozent von Montag bis Freitag. Für diesen Anteil, wo wahrscheinlich mindestens die Hälfte sowieso nach Wien hineinfahren will, also bleibt die Hälfte über, sagen wir, für 3 Prozent dieses Anteils wollen wir eine Lobau-Autobahn bauen. Ich glaube, es wäre wesentlich besser, um Jobs zu schaffen. Wenn es darum geht, das Argument hören wir auch so oft, dass wir in viel jobintensivere Bereiche investieren als in den Bau einer Autobahn, brauchen die Wiener Unternehmen auf jeden Fall Entlastung, um Jobs zu schaffen. Wir haben es heute auch gehört, Entbürokratisierung, ein Ausmisten der Gewerbeordnung, Schluss mit Schikanen, massive Lohnnebenkostensenkung. (Beifall bei den NEOS.)
Wenn sich der Staat schon über 3 Milliarden EUR an zusätzlichen Schulden aufbürden will, Schulden, die Sie hier massiv kritisieren, vor allem die Opposition, dann soll er das in nachhaltige und langfristige Lösungen machen. In der Politik muss man nämlich Entscheidungen für die Zukunft treffen. Wir entscheiden uns hier für die Zukunft, für neue Technologien und Möglichkeiten in der Mobilität, dadurch für mehr Möglichkeiten für die Wirtschaft und dadurch mehr Jobs. - Danke. (Beifall bei den NEOS.)
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Zum Wort gemeldet ist Frau GRin Dipl.-Ing. Olischar. Selbstgewählte Redezeit 15 Minuten.
Bevor Sie losstarten, darf ich noch bekannt geben, dass Frau GRin Kugler ab 19 Uhr und GR Hofbauer ab 18 Uhr für den Rest der Sitzung entschuldigt sind. - Bitte schön, Frau Diplomingenieurin.
GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc (ÖVP): Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Vizebürgermeisterin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Mit den Sitzungen zum Rechnungsabschluss schließt sich ein bisschen der erste Bogen seit der neuen Periode im November. Die Debatte dient natürlich auch dazu, Maßnahmen und Schwerpunkte, die gesetzt wurden, ein bisschen Revue passieren zu lassen. Es bietet auch ein bisschen die Möglichkeit, eine erste Bilanz zu ziehen. Für mich ist es auch persönlich eigentlich etwas Besonderes, weil es für mich auch die erste größere Bilanz darstellt, seit ich dem Gemeinderat angehören darf.
Gerade wenn ich die Debatte im Bereich der Stadtplanung, Stadtentwicklung ein bisschen Revue passieren lasse und mir eine Überschrift für diese Bilanz überlegen müsste, wäre sie vermutlich in etwa so: „Stadtentwicklung in Wien findet trotz offizieller Stadtplanungspolitik statt.“ Denn oft hat man gesehen, dass Projekte, die angegriffen werden, nicht zum gewünschten Erfolg führen. Das aktuelle Beispiel, das wir hier sehen, ist nicht zuletzt das Projekt Eislaufverein am Heumarkt. Selbst aufwändige Publikationen, wie auch das Hochhauskonzept, waren hier wenig hilfreich. Es hat unter anderem auch die Höhe des Projektes dazu geführt, dass es im Ersten jetzt nicht weiterverfolgt wird. Die Orientierung durch dieses Konzept war, wie man sieht, nicht gewährleistet.
Auch die Herangehensweise an Projekte, wie zum Beispiel zuletzt im 19. Bezirk, Casino Zögernitz, war alles andere als professionell. Oftmals sind es genau dieselben Gründe, warum es bei Projekten wie diesen zu Unmut, Aufregung und Unverständnis kommt, und zwar sind es unklare Rahmenbedingungen. Warum wären Rahmenbedingungen so wichtig? Sie bieten Sicherheit. Und Sicherheit ist einer der wesentlichen Punkte, um geordnet und nachhaltig die Stadt entwickeln zu können. Klare Richtungsanweisungen, klare Vorstellungen und klare Rahmenbedingungen. Man hat gesehen, was passiert, wenn Unsicherheit herrscht, anhand des Beispiels auch rund um das Gebiet des Erdberger Mais, der jetzt im mehrmals wiederholten Anlauf neu entwickelt werden soll. Unsicherheiten schrecken Investoren ab. Unsicherheiten spürt aber auch die Bevölkerung.
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