«  1  »

 

Gemeinderat, 10. Sitzung vom 27.06.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 85 von 121

 

Aber nicht nur Unsicherheit prägt die Stadtentwicklung, auch eine gewisse Hektik. Fast täglich sprießen neue Projekte aus dem Boden wie Schwammerln. Hier wird entwickelt, morgen wird schon das nächste Gebiet entwickelt und übermorgen ist das nächste Zielgebiet dran, ohne dass das erste Gebiet eigentlich richtig fertigentwickelt ist. Aber Stadtentwicklung braucht Zeit. Das geht nicht von heute auf morgen. Warum werden sie bitte nicht fertigentwickelt? Warum widmet man sich nicht einem Zielgebiet, das man ordentlich bespielt und mit dem man sich auch ernsthaft auseinandersetzt? Durch Verabsäumung einer konstanten geplanten Stadtentwicklung bekommt die Stadtregierung dann einen gewissen Stress, um diese Versäumnisse wieder aufzuholen.

 

Auch wird in vielen Fällen einfach nicht das Umland von solchen Zielgebieten oder Projekten einbezogen. So entstehen in sich abgeschlossene Systeme, die nichts mit dem Umland zu tun haben, die total isoliert sind. Auch hier wieder Beispiel Gasometer. Aber vielleicht klappt es im nächsten Anlauf oder beim Nächsten.

 

Genau in der Nähe auch das berühmte Projekt TownTown, auch ein sehr gelungenes Projekt in dieser Hinsicht, in dessen 19 Gebäuden sich fast ausschließlich Magistratsabteilungen der Stadt Wien befinden. Also auch durchaus ein Erfolgsfaktor, was die Stadtplanung betrifft.

 

Es wird sehr einseitig gedacht. Wohnbau ist das einzig Wahre, hat man den Eindruck. Aber diese Herangehensweise ist ein bisschen realitätsfern, denn Stadtplanung an sich ist eine sehr interdisziplinäre Materie. Menschen arbeiten, gehen einkaufen, haben unterschiedliche Wege, bringen Kinder zur Schule oder vielleicht zum Kindergarten, müssen gelegentlich auch einmal zum Arzt, wollen im Freien sein oder auch Kunst und Kultur genießen. Aber wo ist diese Infrastruktur, die dafür benötigt wird? In der Stadt, aber in der Innenstadt. Wenn in Entwicklungsgebieten mit Sprüchen geworben wird, wie in zehn Minuten mit der U-Bahn in die Stadt, dann sieht man auch, dass diese Problematik nach wie vor nicht erkannt wurde und man sich oft dieser gar nicht bewusst ist. Denn die Innenbezirke allein können und sollen auch nicht diese Versorgung der gesamten Stadt übernehmen. Bezirke, in denen auch jetzt schon zahlreiche Projekte entwickelt werden sollen, haben mehr Potenzial, als nur Wohnblöcke zu beherbergen. Durch die Entwicklung von mehreren Zentren mit entsprechender Infrastruktur wird natürlich auch der Verkehr entlastet, weil eben nicht alle ununterbrochen in die Stadt pendeln müssen. So können lebendige Stadtteile durch einen entsprechenden Nutzungsmix entstehen.

 

Damit wären wir auch beim nächsten Thema. Denn Nutzungsmix braucht Entfaltungsmöglichkeiten. Viele Flächen gehen ausschließlich, wie schon erwähnt, an den Wohnbau verloren und Betriebsgebiete werden kontinuierlich verdrängt. Da möchte ich auch ein bisschen auf diesen Verweis von Frau StRin Brauner heute in der Generaldebatte verweisen, wo sie entkräftet hat, dass sich viele Unternehmen verabschieden. Aber nicht zuletzt das Unternehmen Niemetz mit 70 Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen oder SPL Tele mit 147, SHT Haustechnik mit 161, Coca Cola seinerzeit schon mit 80 Mitarbeitern, das auch eine weitere Übersiedlung überlegt. Also, alles andere als rosige Zeiten. Wohnbau ist natürlich notwendig, das ist keine Frage, aber natürlich im Einklang mit der Wirtschaft. Wie sonst sollen neue Arbeitsplätze entstehen? Ich spreche nicht von Wohnblock plus Supermarktfiliale. Da ist ein klares Wohnbaukonzept notwendig, in dem vorhandene Bodenressourcen sinnvoll genutzt werden und nicht mehr nur Wohnbauwidmungen auf Verdacht entstehen. Für einen entsprechenden Nutzungsmix ist natürlich auch die Zusammenarbeit in den unterschiedlichen Ressorts unerlässlich. Die Agenden sind, sagen wir, wenn man das Thema Stadtplanung, Stadtentwicklung per se betrachtet, oft leider sehr verstreut über sämtliche anderen Ressorts. Denn Begrünung ist wieder woanders, Wohnbau ist wieder woanders, Gesundheit und Bildung sind auch wieder woanders. Aber es geht natürlich nur gemeinsam. All diese Punkte müssen in der Stadt Platz finden, nicht nur jeder für sich, sondern eine Kombination ist notwendig. Ich hoffe, dass die Stadtplanung nicht auf Grund mangelnder Zusammenarbeit in Wien hinterherhinkt.

 

Ein weiteres Stiefkind, das kontinuierlich hinausgedrängt wird, ist die Landwirtschaft. Zwar brüstet man sich immer wieder, wie einzigartig Wien auf Grund der landwirtschaftlichen Flächen direkt in der Stadt ist, ein Alleinstellungsmerkmal unter Metropolen, trotzdem müssen Flächen immer wieder, heimlich, still und leise, dem Wohnbau weichen. Wir können stolz darauf sein, dass unsere Landwirte und Landwirtinnen bis zu ein Drittel der Stadtbevölkerung mit Lebensmittel versorgen können. Zu wissen, wo es herkommt und auch zu wissen, dass keine großen Transportwege anfallen, wird schließlich heute immer wichtiger. Daher fordern wir auch ein klares Bekenntnis zur Erhaltung der Landwirtschaft und die Bereitstellung von genügend Flächen, um weiterhin entsprechende Versorgung sicherstellen zu können.

 

Bevor ich abschließe, möchte ich auch auf diesem Wege noch drei Anträge einbringen:

 

Der erste betreffend rasche Widmung der mit einer Bausperre belegten Flächen in Wien.

 

Einen weiteren Antrag betreffend eine Evaluierung des Wiener Hochhauskonzeptes.

 

Der dritte Antrag betreffend Sicherstellung von Betriebsbaugebieten im Zuge der Flächenwidmungsverfahren.

 

Zusammengefasst kann meiner Ansicht nach die Stadtplanung, Stadtentwicklung nur mit folgenden Worten beschrieben werden: Sie ist sehr sprunghaft, unvorhersehbar und einseitig. Ändert sich diese Herangehensweise nicht, finden wir uns in Schlafstätten, vereinsamten Vierteln, stärkerem Pendlerverkehr und steigenden Arbeitslosenzahlen wieder. Ich will es nicht. Ich hoffe, Sie auch nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Zum Wort gemeldet ist Herr GR Mag. Maresch. Ich erteile es ihm.

 

18.15.21

GR Mag. Rüdiger Maresch (GRÜNE)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Vizebürgermeisterin! Meine Damen und Herren!

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular